Essen

Wenn Gluten tabu ist

Was ihr noch essen könnt, wenn ihr kein Gluten vertragt und wie sicher glutenfreie Produkte wirklich sind.

Viele Menschen sind verunsichert, wenn Sie hören, dass sie kein Gluten mehr essen sollen. Welche Lebensmittel sind jetzt erlaubt, welche verboten? Und was ist eigentlich Gluten – das so merkwürdig betont mit langem ‚e‘ gesprochen wird?

Gluten bezeichnet eine Gruppe von Eiweißverbindungen, die in bestimmten Getreidesorten enthalten sind, etwa in Weizen, Dinkel, Gerste, Roggen, Emmer, Kamut oder Einkorn. Jedes Getreide hat andere Gehalte und chemische Strukturen an Gluten, das auch als Klebereiweiß bezeichnet wird und im Teig von Brot, Brötchen oder Kuchen für eine Verbundenheit sorgt – eben, dass der Teig verklebt und elastisch wird. Für den Geschmack oder den Nährwert der Lebensmittel hat der Kleber keine wesentliche Bedeutung.

Ist es Zöliakie oder Sensitivität?

Obwohl Klebereiweiß ein ganz natürlicher Inhaltsstoff von Getreide ist, verursacht er mitunter ernste Probleme. Man unterscheidet zwischen Zöliakie und Weizensensivität.

Was ist Zöliakie?

Von Zöliakie ist hierzulande etwa jeder 100ste betroffen. Essen Menschen mit Veranlagung zu Zöliakie glutenhaltige Lebensmittel, löst dies eine Entzündung in ihrem Darm aus. Wird diese nicht rechtzeitig gestoppt – indem kein weiteres Gluten gegessen wird – läuft im Darm so einiges quer: Die Fähigkeit, Nährstoffe in den Körper aufzunehmen, sinkt. Häufig folgen Defizite bei Vitamin B12, Vitamin D, Folsäure sowie Mineralien und Spurenelementen wie Calcium, Eisen, Zink und Selen. „Wichtig ist es deshalb, eine Zöliakie frühestmöglich zu erkennen“, betont Michael Mikolajczak von der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG): „Die häufigsten typischen Symptome sind andauernde Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme. Es können aber auch individuelle Symptome, von Kopfschmerzen bis zu ungewollter Kinderlosigkeit auftreten.“ Eine Diagnose sollte immer beim Arzt erfolgen.

Was ist Weizensensitivität?

Häufiger ist nach Schätzungen von Experten eine Gluten-Überempfindlichkeit, auch als Weizensensitivität bezeichnet. Bei ihr treten nach Verzehr von Glutenhaltigem ebenfalls Verdauungsprobleme auf, allerdings ohne entzündliche Schädigung der Darmzotten wie bei der Zöliakie. Trotzdem kann es zu Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Hautirritationen kommen. Vermutet wird, dass nicht allein das Gluten, sondern zusätzliche Proteine aus Weizen & Co., beispielsweise Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs), die sogenannte Glutensensitivität auslösen könnten.

Eine Überempfindlichkeit gegenüber Gluten kann sich im Laufe der Zeit zurückbilden, eine Zöliakie jedoch nicht. „Zöliakiepatienten müssen sich ein Leben lang ausnahmslos glutenfrei ernähren“, betont DZG-Sprecher Mikolajczak. Aber auch Sensitive sind auf einen strikten Ausschluss von Gluten angewiesen. Eine Toleranz minimaler Mengen ist bei einzelnen Betroffenen möglich, die Grenzen jedoch nur schwer genau ermittelbar.

Wo Gluten sich verstecken kann

Glutenfrei Essen ist deshalb im ersten Moment immer eine Herausforderung, zumal sich glutenhaltiges Getreide als Zutat in vielen Lebensmitteln verstecken kann. Neben offensichtlichen Glutenquellen wie Brot und Backwaren, Pasta oder Müsli können vor allem verarbeitete Lebensmittel wie Convenience-Fertiggerichte, gebundene Suppen, Eintöpfe, Wurst, Ketchup und Senf, Gewürzmischungen, Pudding, Schokolade oder Eis den ungebetenen Stoff enthalten. Auch Bier ist – nach deutschem Reinheitsgebot mit Gerste gebraut – glutenhaltig. Selbst in Süßigkeiten, Pommes Frites und Milchprodukten wie Joghurt kommt es vor: als Bindemittel, als süßendes Gerstenmalz, als Mehl für Knusperkrusten oder als Trägerstoff von Aromen. Bei verpackten glutenhaltigen Lebensmitteln muss deshalb in der Zutatenliste auf glutenhaltige Zutaten hingewiesen werden. Das ist seit 2014 gesetzlich vorgeschrieben.

Wie viel Gluten dürfen glutenfreie Produkte enthalten?

Damit das Essen bei Glutenunverträglichkeit und Glutensensitivität zu Hause gut möglich ist, haben sich Nahrungsmittelproduzenten bereits vor Jahrzehnten an die Produktion ‚glutenfreier‘ Varianten gemacht – auch Hersteller der Bio-Branche. Brote, Backwaren, Müslis, Porridge, vegetarischer oder veganer Brotbelag und -aufstrich sowie Pasta stehen in den Bio-Regalen. Und sogar Bier, dem mittels eines Spezialverfahrens das Gluten entzogen oder das mit Hilfe von Reis und Mais-Malz hergestellt wird. Zur einfachen Orientierung sind sie im Idealfall mit dem glutenfrei-Gütesiegel der DZG versehen.

Alle als ‚glutenfrei‘ gekennzeichneten Produkte dürfen den gesetzlich festgelegten Höchstwert von maximal 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm Lebensmittel nicht überschreiten. Diese Dosis gilt unter Fachleuten als tolerierbar für die meisten Menschen mit Glutenunverträglichkeit. Zum Vergleich: Ein Kilo Weizen enthält circa 77.000 Milligramm Gluten.

Kennzeichnung: Sicher glutenfrei?

  • Eine durchgestrichene Ähre im runden Kreis ist international das Zeichen für glutenfreie Produkte. Sie steht in Kombination mit einer Lizenznummer. In Deutschland vergibt die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG) die Lizenz. Hohe Produktionsstandards, Laborberichte sowie externe Kontrollen geben hohe Sicherheit.
  • Einige Hersteller weisen mit einem selbst kreierten glutenfrei-Zeichen oder mit dem Wort ‚glutenfrei‘ aus, dass eigene Messungen und Kontrollen den Gluten-Grenzwert sichern. Eine unabhängige externe Kontrolle ist nicht vorgeschrieben.
  • Die Lebensmittel-Informationsverordnung schreibt vor, dass in der Zutatenliste alle Zutaten, die Gluten enthalten können, deutlich hervorgehoben werden, etwa fett gedruckt wie DINKELvollkornschrot. Nachteil: Verbraucher müssen explizit auf die Zutatenliste schauen.
  • Der Hinweis: „Kann Spuren von Gluten enthalten“ ist verwirrend. Produkte können, müssen aber nicht Gluten enthalten. Hersteller nutzen den Hinweis als rechtliche Absicherung. Auch wenn dieser Hinweis nicht gegeben ist, können Kontaminationen mit Gluten auftreten.

Es geht auch ohne Klebereiweiß

In den 1980er-Jahren war das Angebot an glutenfreien Produkten nur spärlich, die Produkte geschmacklich und von der Konsistenz gewöhnungsbedürftig. Häufig wurde allein auf glutenfreies Getreide wie Mais und Reis gesetzt – eine Herausforderung für Bäcker, denn das Klebereiweiß aus Weizen und Co. sorgt normalerweise für eine gute Krume und Kruste sowie Feuchtestabilität. Konventionelle Hersteller nutzen deshalb für glutenfreie Backwaren mitunter Konservierungs- und Säuerungsmittel (z.B. Natriumacetat) sowie Emulgatoren (Mono- und Diglyceride, möglicherweise mit Hilfe von Gentechnik produziert) oder Feuchthaltemittel (Sorbitol). Dass es ohne geht, zeigen Bio-Firmen wie die Naturkornmühle Werz oder Bauckhof.

„Unsere Produkte sind nicht nur glutenfrei“

Als Pionier entwickelte Karl-Otto Werz das erste glutenfreie Backwaren-Sortiment im Bio-Handel. Erste Produkte waren Brot und Brötchen. „Vor 20 Jahren waren die Produkte noch trockener und härter“, räumt Arthur Bässler, Geschäftsleiter der Naturkornmühle Werz ein. Inzwischen ‚stauben‘ Brot, Brötchen und Kuchen längst nicht mehr und es gibt einen angenehmen Biss und Geschmack: „Wir haben viel mehr Erfahrung, setzen beispielsweise auf eine Mischung aus vier verschiedenen Mehlen und Guarkernmehl als Bindemittel.“ Weil aber im Unterschied zu konventionellen glutenfrei-Herstellern bei Werz zu 100 Prozent auf Zusatz- und Hilfsstoffe zum Beispiel für die Gärstabilität und längere Frischhaltung bei Broten verzichtet werde, seien bei den fertigen Backwaren noch mehr Handarbeit und rasches Verpacken nach wie vor wichtige Qualitätsaspekte, so Bässler. „Die Entwicklung von Produkten ist herausfordernd, weil unsere Produkte nicht nur glutenfrei sind, sondern auch ohne Milch und Ei und alternativ mit Honig oder Reissirup gesüßt sind.“

„Glutenfreie Produkte sind eine Frage der Sorgfalt“

Glutenfrei und Demeter finden bei Bauckhof in Niedersachsen einen gemeinsamen Nenner. 2006 begann die Bio-Traditionsmühle, glutenfreie Monoprodukte wie Reis-, Mais- und Buchweizenmehl zu produzieren. Das Sortiment wird seither stetig ausgebaut – vor allem Convenience-Mischungen für die schnelle Küche, ob für Brot, Kuchen, Pizza oder Flammkuchen, Fleischersatz und Desserts gehören zum Repertoire. „Glutenfreie Produkte sind eine Frage der Sorgfalt“, sagt Hannes Öhler, Leiter Marketing bei Bauckhof. „Wir garantieren Glutenfreiheit durch intensive Allergen-Reinigungen der Maschinen. Ein Aufwand, der neben einer ausgefeilten Produktentwicklung beachtlich ist, aber lohnt.“ Als einer von wenigen setzt der Mühlenspezialist auf glutenfreien Hafer, weil er ein perfektes Nährstoffprofil in sich berge. „Durch enge Zusammenarbeit mit Landwirten in einem ausgeklügelten Sicherheitsverfahren und mehrfache Kontrollen während der Produktion verhindern wir Kontaminationen und sichern seine Glutenfreiheit.“

Glutenfrei und möglichst vollwertig

„Die eingeschränkte Auswahl an Zutaten führt nicht unbedingt zu gesundheitsfördernden Lebensmitteln, weil dann wichtige Nährstoffe und Ballaststoffe fehlen können“, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE). Für glutenfreie Produkte versuchen sich die Bio-Hersteller heute deshalb neben den Klassikern Reis und Mais auch mit Pseudogetreide wie Buchweizen, Quinoa und Amaranth oder arbeiten mit Mehl aus Braunhirse, Edelkastanie, Lupine, Linse, Kichererbse und mehr.

„Glutenfreie Pasta, die mit herkömmlicher durchaus mithalten kann, gelingt damit sehr gut“, unterstreicht Christian Wodtke von der Bio-Marke Felicia des italienischen Nudelherstellers Andriani. Natürlich auch aufgrund vorhandenen Prozess-Know-hows: Beispielsweise spielen eine passende Wassertemperatur und der -druck eine wichtige Rolle, verrät er. Dabei achtet Felicia auf möglichst vollwertige Zutaten, etwa Vollkornreis statt geschältem. Pasta aus Hülsenfrüchten bestehen zu 100 Prozent aus Kichererbse oder Linsen. Wichtige Voraussetzung für glutenfreie Sicherheit ist es, Kontaminationen der Zutaten zu verhindern. „Bevorzugt arbeiten wir daher mit Lieferanten direkt vor Ort und vermahlen die Körner und Hülsenfrüchte in der eigenen Mühle, das gibt bessere Kontrollmöglichkeiten“, beschreibt der italienische Pasta-Spezialist.

Leckere Rezepte für Frühstück, Kuchentafel oder Abendbrot findet ihr hier:

Rezepte für glutenfreie Alternativen

Ist Hafer glutenfrei?

Vollwertigkeit und gute Nährstoffversorgung rücken mit den neuen Zutaten immer mehr in den Mittelpunkt. Besonders Hafer gilt als hoch gehandelter Kandidat. Als Zutat von Glutenfreiem wird er seit vielen Jahren diskutiert. Obwohl Hafer ebenfalls getreidespezifische Gluten-Anteile hat, ist sein immunologisches Potenzial verschwindend gering, so die DZG. Das heißt, viele Zöliakie-Patienten vertragen das Powergetreide – vorausgesetzt, es ist nicht durch andere Getreide mit Gluten verunreinigt, was in der Vergangenheit bei einigen Produkten der Fall war. Die DZG empfiehlt ausschließlich mit der offiziellen glutenfrei-Ähre gekennzeichnete Haferprodukte; diese vorsichtig und frühestens sechs Monate nach Diagnosestellung auszuprobieren und den Verbrauch langsam und unter ärztlicher Beobachtung zu steigern. „Wer hier noch zögert, hat auch mit Zöliakie viele andere Möglichkeiten sich ausgewogen zu ernähren“, sagt Silke Restemeyer von der DGE. Neben glutenfreiem Reis und Mais und den Pseudogetreiden empfiehlt sie viel frisches Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und Saaten sowie Pflanzenöle – also alles, was zu einer abwechslungsreichen vollwertigen Ernährung gehört.

Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge