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Convenience: fix, aber ungesund?

Pizza und Tütensuppe gelten als ungesund. Doch man muss genau hinsehen, denn Fertigprodukt ist nicht gleich Fertigprodukt.

Egal ob Low Carb, Steinzeitkost oder Clean Eating – praktisch alle Trenddiäten raten von Fertigprodukten ab. Auch Ernährungswissenschaftler schlagen in diese Kerbe. So liest man in den zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), dass man wegen seiner Gesundheit verarbeitete Lebensmittel wie Wurst, Gebäck, Süßigkeiten, Fertiggerichte und Fast Food meiden sollte. Tatsache ist allerdings, dass mittlerweile mehr als die Hälfte unserer täglichen Kalorienzufuhr aus ultraprozessierten, also hochverarbeiteten, Lebensmitteln stammt.

Was heißt eigentlich „verarbeitet“?

Wie ungesund sind diese Produkte also wirklich? Um darauf eine Antwort zu finden, muss man erst klären, was „verarbeitet“ eigentlich heißt. Denn im Grunde ist ja auch schon das Mehl gemahlen, also prozessiert, oder die Tomaten für die Soße erhitzt und püriert. Der brasilianische Gesundheitswissenschaftler Carlos Monteiro hat dafür in der sogenannten „NOVA food classification“ Lebensmittel nach ihrem Verarbeitungsgrad eingeteilt: In der ersten Gruppe versammeln sich die unverarbeiteten oder wenig verarbeiteten Produkte wie frisches Obst und Gemüse sowie Fleisch, Fisch, Eier oder Milch. Aber auch Trockenobst und gefrorenes Gemüse oder Fisch. In der Gruppe 2 finden sich Öl, Mehl, Salz und Zucker. Gruppe 3 umfasst die verarbeiteten Produkte Käse, Brot, Schinken, Nudeln, aber auch Dosentomaten oder geräucherter Fisch. Diese Produkte sind meist verzehrfertig, enthalten aber nur zwei oder drei Zutaten.

In der vierten Gruppe finden sich die eigentlich verpönten „ultraverarbeiteten“ Lebensmittel. Sie haben mehrere Verarbeitungsschritte durchlaufen, liefern eine ganze Reihe an Zutaten und Zusatzstoffen. In diese Kategorie fallen Softdrinks, Süßigkeiten, Fleischprodukte, Backwaren, Eiscreme, aber auch Fertiggerichte wie Tiefkühl-Pizza oder Trockensuppen. Studien, die diese Einteilung verwenden, sind eindeutig. Die spanische SUN-Studie hat etwa 2019 belegt, dass Menschen, die täglich mehr als viermal Lebensmittel der vierten NOVA-Kategorie essen, früher sterben als Menschen, die viel mit frischen Lebensmitteln kochen.

Convenience macht dick

Die Ernährungswissenschaftlerinnen Claudia Niggemeier und Almut Schmid von der Universität Paderborn haben die NOVA-Liste an deutsche Gepflogenheiten angepasst und die hierzulande verzehrten Lebensmittel in drei Gruppen zusammengefasst: frische, verarbeitete und hoch verarbeitete Lebensmittel. In ihrer 2015 veröffentlichten Studie wurde deutlich: Je mehr hoch verarbeitete Lebensmittel auf dem Speiseplan stehen, desto mehr Pfunde brachten die Probanden auf die Waage. Das erklären sich die Forscherinnen damit, dass Lebensmittel wie Pommes, Tiefkühl-Pizza oder Schokolade eine vergleichsweise hohe Energiedichte haben, also pro 100 Gramm viele Kalorien liefern, aber wenig sättigen. Auch nahmen Probanden, die viele hoch verarbeitete Produkte aßen, mehr Kochsalz auf. Salz gilt als Mitverursacher von Bluthochdruck, aber auch als Appetit-Anreger.

Vor allem die Mischung aus übermäßig Fett, Zucker und Salz halten viele Wissenschaftler unabhängig vom hohen Energiegehalt der Nahrung für die Ursache, dass immer mehr Menschen übergewichtig sind oder an Diabetes leiden. David Kessler, Mediziner und ehemals Leiter der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde (FDA), schreibt in seinem Buch „Das Ende des großen Fressens“: „Durch hoch verarbeitete Lebensmittel verändern sich die Verbindungen zwischen den neuronalen Schaltkreisen im Gehirn und auch deren Reaktionsmuster mit der Folge, dass wir immer mehr davon wollen.“ Gleichzeitig finden sich in Fertigprodukten weniger Proteine und Ballaststoffe, die stärker sättigend wirken. Erste Studien belegen, dass Menschen, die Fertigprodukte verzehren, bis zu 500 Kilokalorien täglich mehr aufnehmen als Menschen, die Frischkost essen. Die leichte Verfügbarkeit solcher Produkte an Tankstellen, Kiosken oder Bäckereien verschärft das Problem immens.

Bio-Fertigprodukte enthalten weniger Zusatzstoffe

Letztlich tummeln sich in vielen High-Tech-Produkten auch Zusatzstoffe – über 300 sind in konventionellen Lebensmitteln erlaubt. Zwar sind diese jeder für sich genommen geprüft und in bestimmten Mengen als ungefährlich eingestuft. Wer viele Fertigprodukte isst, kann jedoch die ungefährlichen Mengen überschreiten. Kinder beispielsweise, die große Mengen Süßigkeiten oder aromatisierte Getränke konsumieren, nehmen von einigen Farbstoffen zu viel auf, hat eine deutsche Studie 2014 belegt. Gleiches gilt für Phosphate, die in Softdrinks vorkommen. Zudem werden einige Zusatzstoffe derzeit kritisch diskutiert, da sie das Darmmikrobiom negativ beeinflussen könnten.

In Lebensmitteln hergestellt nach EU-Bio-Recht sind nur rund 50 Zusatzstoffe erlaubt, einige Bio-Verbände wie Bioland oder Demeter sind noch strikter. Ist Bio-Fast-Food vielleicht auch darüber hinaus gesünder? „Hinsichtlich des Nährwertgehaltes unterscheiden sich Bio-Produkte zwar nicht generell von konventionellen Produkten“, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir stellen aber häufig fest, dass beispielsweise in Keksen weniger Zucker und in Nudeln mehr ballaststoffhaltiges Vollkornmehl enthalten ist.“ Sie rät, immer einen Blick in die Zutatenliste zu werfen, um die Inhaltsstoffe von bio und konventionell zu vergleichen.

Fertigprodukte clever aufpeppen

Bei all dem sollte man Fertigprodukte nicht verteufeln, schließlich vereinfachten sie unser Leben gewaltig. Es ist eben immer auch eine Frage der Dosis. „Eine ausgewogene Mahlzeit auf den Tisch zu bringen funktioniert, wenn wir vorrangig frische Lebensmittel auswählen, Fertigprodukte nur gelegentlich konsumieren, diese mit Gemüse und Obst kombinieren und uns häufiger auf den Genuss besinnen“, meint der Ernährungswissenschaftler Helmut Oberritter. Es spielt also nicht nur eine Rolle was, sondern auch wie wir essen.

Lebensmittel-Tabelle für den Alltag

  • Die Vollwerternährung ist eine überwiegend pflanzliche Ernährungsweise, bei der gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden. Zudem sollen Lebensmittel umweltverträglich (bio) und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.
  • Einen guten Überblick liefert die „Orientierungstabelle Vollwert-Ernährung“. Dort sind die Lebensmittelgruppen (Gemüse, Milch, Fleisch ...) in Wertstufen eingeteilt. Beispiel Kartoffel: Pellkartoffeln gelten als „sehr empfehlenswert“, eine Pürreemischung als „weniger empfehlenswert“ und Chips als „nicht empfehlenswert“.
  • Die Orientierungstabelle kann kostenlos unter www.ugb.de heruntergeladen oder für 2,50 Euro beim Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB), Sandusweg 3, 35435 Wettenberg bestellt werden.
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