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Mehr Linsen braucht das Land!

Der Anbau von Hülsenfrüchten war hierzulande in Vergessenheit geraten. Jetzt wachsen Linsen, Bohnen und Kichererbsen wieder häufiger auf unseren Feldern. Und das hat gute Gründe.

Hülsenfrüchte sind gut für Mensch, Tier und Umwelt. Deshalb spielen sie auch in gleich zwei Vorhaben der Bundesregierung eine wichtige Rolle. In der Ernährungs- und in der Ackerbaustrategie. Durch die geplante Ernährungsstrategie von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir soll unser Essen gesünder, umweltfreundlicher und pflanzlicher werden. Hülsenfrüchte sind dafür ideal. Sie liefern viel hochwertiges Eiweiß – und sind deshalb ein guter Ersatz für Fleisch.

Wie viele Hülsenfrüchte werden angebaut?

Derzeit wachsen Linsen, Bohnen, Kichererbsen & Co. in Deutschland allerdings auf nur 290.000 Hektar. Das macht gerade einmal 2,5 Prozent der Ackerfläche aus. Das soll sich ändern. Mit der Ackerbaustrategie des Ministeriums soll der Anbau bis 2030 auf zehn Prozent steigen.

Warum Hülsenfrüchte Stickstoffdünger ersetzen können

Denn Hülsenfrüchte – wissenschaftlich Körnerleguminosen – leisten einen wichtigen Beitrag zu Klimaschutz und Biodiversität. Sie haben die einzigartige Fähigkeit, mithilfe von sogenannten Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft zu binden und im Boden anzureichern. So erhöhen sie auf natürliche Weise den Nährstoffgehalt im Boden und sind imstande, energieaufwendig hergestellte, künstliche Stickstoffdünger zu ersetzen. Zudem verbessern Hülsenfrüchte die Struktur und Fruchtbarkeit von Böden. Auch nimmt mit Linsen, Bohnen & Co. die Vielfalt auf den Feldern zu und damit das Nahrungsangebot für Insekten.

Woran erkennt man Hülsenfrüchte auf dem Feld?

„Körnerleguminosen sind eine Bereicherung für die Tiere und auch für die Menschen“, fasst Kerstin Spory es zusammen. Die Agrarwissenschaftlerin ist Ansprechpartnerin bei LeguNet, einem Projekt der Bundesregierung, das den Anbau und die Vermarktung von Hülsenfrüchten in Deutschland fördert. Sie kennt sich mit Leguminosen aus. Deshalb hat Spory auch einen Tipp für Spaziergänger, die sich fragen, was wohl auf den Feldern wächst: „Leguminosen unterscheiden sich deutlich von Getreide. Es sind krautige Pflanzen, die häufig auffällige, große Blüten haben.“

Nicht so die Linse: Für sie müsse man fast Hinweisschilder mit der Aufschrift „Hier wächst Linse“ aufstellen, meint Jonathan Kraul augenzwinkernd. Der Bio-Landwirt und seine Frau bewirtschaften einen 100-Hektar-Betrieb im Nordschwarzwald nach Demeter-Richtlinien. Zum Hof gehören 4000 Legehennen, Rinder, Mastgeflügel und Alpakas. Auf 55 Hektar Ackerfläche bauen die Krauls Kartoffeln und Futter für ihre Tiere an – und sie haben sich auf das Experiment Linse eingelassen. Linsen gehören in Schwaben traditionell zum Speiseplan, sodass die Familie die Hälfte der Ernte über Direktvermarktung verkauft. Die andere Hälfte geht, nachdem sie in einer Aufbereitungsanlage gereinigt wurde, an das Bio-Unternehmen Spielberger.

Warum der Anbau in Vergessenheit geraten ist

Früher wurde hierzulande eine Vielzahl an Leguminosen angebaut: Linsen, Erbsen, die heute wenig beachteten Ackerbohnen, Lupinen, aber auch Süßholz oder Feuerbohnen. Doch der Anbau ist in Vergessenheit geraten. Das hat vor allem einen Grund: Die Erträge von Hülsenfrüchten schwanken sehr stark. Deshalb setzt die deutsche Landwirtschaft auf Mais, Weizen und Gerste, die stabilere Erträge erbringen. Und die für die Tiere notwendigen eiweißhaltigen Futtermittel werden günstig aus dem Ausland eingekauft, darunter Soja, für das viel Regenwald gerodet wurde und noch immer wird.

Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass Saatgutfirmen weniger in die Züchtung von Samen investierten, die an die verschiedenen Standortbedingungen in Deutschland angepasst sind. Und auch die Wertschöpfungsketten – vom Landwirt über den Verarbeiter bis in den Handel – verkümmerten.

Sojaanbau in Deutschland

  • Die Sojabohne könnte man als Gewinnerin der Klimakrise bezeichnen: Bisher wird sie vor allem in Bayern und Baden-Württemberg angebaut. Da es hierzulande jedoch immer wärmer wird, weiten sich ihre Anbaugebiete auch weiter nach Norden aus.
  • In sieben Jahren hat sich die Erntemenge verdreifacht. Während 2016 noch 43.200 Tonnen geerntet wurden, waren es 2022 schon 128.000 Tonnen.
  • Dennoch, der Großteil an Soja wird immer noch importiert: 2021 waren das 3,6 Millionen Tonnen. Wichtigstes Importland war Brasilien.
  • Laut Schätzungen des Deutschen Sojaförderrings eignen sich hierzulande knapp 790.000 Hektar Fläche für den Sojaanbau.
  • Darauf könnten über zwei Millionen Tonnen Soja angebaut und damit 50 Prozent unseres Bedarfs gedeckt werden.

So wird der Anbau von Bohnen, Erbsen & Co. gefördert

Eine bereits seit 2013 aufgelegte Eiweißpflanzenstrategie ändert das allmählich: Mit dem Netzwerk „LeguNet“ soll das vorhandene Wissen zu Linsen, Bohnen, Lupinen & Co. gebündelt und wieder in die Praxis gebracht werden. „Wir vernetzen Praxis mit Forschung und Beratung, damit das Wissen dahin fließt, wo es gebraucht wird“, erklärt Kerstin Spory. Und es sollen wieder Wertschöpfungsketten entstehen, damit die Bauern und Bäuerinnen auch Vermarktungswege für ihre Hülsenfrüchte finden. Spory sieht vor allem bei der konventionellen Landwirtschaft noch viel Potenzial. Denn dort spielen Hülsenfrüchte bisher kaum eine Rolle, könnten aber helfen, den Einsatz von Kunstdüngern zu reduzieren und die Artenvielfalt zu erhöhen.

Was bedeutet Leguminosenmüdigkeit?

Bio-Betriebe bauen ohnehin schon standardmäßig Leguminosen an, als natürliche Düngung für ihre Ackerflächen oder Viehfutter. Die meisten Bio-Betriebe könnten den Anbau von Leguminosen gar nicht weiter ausdehnen, erklärt Spory. Denn bringen Landwirtinnen und Landwirte zu oft nacheinander Hülsenfrüchte auf ein Feld, kommt es zur sogenannten Leguminosenmüdigkeit: Die Pflanzen erkranken an Pilzen oder erleiden Schädlingsbefall.

Darum ist der Anbau von Hülsenfrüchten nicht so einfach

Auch ansonsten ist der Anbau von Hülsenfrüchten anspruchsvoll. Viele Leguminosen werden in Mischkulturen angebaut. Das bedeutet, sie kommen zusammen mit einem Getreide aufs Feld, das ihnen als Rankhilfe dient und Schutz gegenüber Unkraut und vor starken Niederschlägen bietet. Doch die Arbeit mit Mischkulturen ist herausfordernd. Denn Getreide und Hülsenfrucht können nur gleichzeitig geerntet werden. Deshalb müssen beide Kulturen so gewählt werden, dass sie möglichst zum gleichen Zeitpunkt reif werden. Und dann gilt es noch, das richtige Verhältnis von Getreide zu Hülsenfrucht zu pflanzen. Zu viel Getreide und die Hülsenfrucht hat keine Chance, zu wenig und die Hülsenfrucht hat keinen Schutz.

Warum Linsen und Hafer ein starkes Paar sind

„Für uns ist die Linse die herausfordernste Kultur“, erzählt Jonathan Kraul. Der Bio-Bauer hat sich dafür entschieden, sie in Mischkultur mit Hafer oder Leindotter anzupflanzen. Die Linse braucht sehr magere, nährstoffarme Standorte und beschattet den Boden selbst kaum. Das bietet Unkraut die perfekten Bedingungen. Hafer und Leindotter sollen den Unkrautwuchs verhindern und die Linse bei Regenwetter schützen. Idealerweise bekommt sie in den ersten Wochen nach der Aussaat viel Regen ab, wenn es dann im Juni und Juli Richtung Erntezeit geht, sollte es jedoch möglichst nicht mehr regnen.

„Für uns ist die Linse die herausfordernste Kultur“

Bio-Bauer Jonathan Kraul

Erschwerend kommt hinzu, dass Linsen ein sehr kurzes Erntezeitfenster haben: Sind sie reif, müssen sie innerhalb von zwei Tagen geerntet werden. Der Ertrag ist alles andere als üppig und schwankt stark: 200 bis 800 Kilogramm pro Hektar ernten die Krauls. Allein 60 Kilo benötigen die Krauls wieder als Saatgut fürs kommende Jahr.

„Der Anbau von Körnerleguminosen erfordert schon einiges an Wissen“, bestätigt Kerstin Spory. Doch nicht alle seien so schwierig anzubauen wie die Linse, beruhigt die Agrarwissenschaftlerin. Für Ernte und Aussaat von Hülsenfrüchten können die gleichen Maschinen verwendet werden wie für Getreide. Und der Anbau in Mischkultur bringt noch einen Vorteil mit sich: Sollte in einem Jahr eine Pflanze einen geringeren Ertrag haben, gibt es ja noch die Partnerpflanze, die vor einem Totalausfall schützt.

Lust auf Rezepte?

Wir haben für euch leckere Rezepte mit Linsen, Bohnen, Kichererbsen & Co. zusammengestellt.

So viele Hülsenfrüchte werden verfüttert

Pflanzen, die in Mischkultur wachsen, werden gemeinsam geerntet und erst in der Aufbereitungsanlage voneinander getrennt oder im Fall von Viehfutter einfach zusammen verfüttert. Der Großteil der Hülsenfrüchte, die in Deutschland kultiviert werden, landet auch heute noch in den Futtertrögen. Schätzungen des Bundesinformationszentrum Landwirtschaft zufolge waren es 2020/2021 knapp 70 Prozent.

Hier stecken Bohnen, Linsen & Kichererbsen drin

  • Kidneybohnen, weiße und schwarze Bohnen gibt‘s getrocknet, in Glas und Dose sowie in Aufstrichen. Gartenbohnen werden frisch oder tiefgefroren angeboten, Ackerbohnen derzeit größtenteils nur als Tierfutter. Es gibt aber Versuche, sie zu Lebensmitteln zu verarbeiten, z.B. als Ackerbohnenbrot.
  • Erbsen, vor allem Körnererbsen, gehören zu den am häufigsten in Deutschland angebauten Hülsenfrüchten. Erhältlich sind sie tiefgekühlt, getrocknet und in Glas oder Dose. Auch Erbsennudeln und -mehl gibt es. Relativ neu im Regal ist Erbsendrink.
  • Kichererbsen lieben es warm. Deshalb wird ihr Anbau in Folge der Klimakrise auch hier interessanter. Kichererbsen werden getrocknet, in Glas und Dose, als Falafelmischung oder -bällchen, Hummus, Mehl oder Snack angeboten.
  • Gelbe, rote, grüne und braune Linsen, Berglinsen, Belugalinsen ... Es gibt viele verschiedene Sorten. Erhältlich sind die kleinen Hülsenfrüchte getrocknet, als Mehl, verarbeitet zu Nudeln und Snacks. Sie sind zudem in Brotaufstrichen, Müsli und Fertigmischungen für Bratlinge enthalten.
  • Lupinen, genauer Süßlupinen, enthalten viel Eiweiß. Angebaut werden sie in Deutschland vor allem im Norden und Osten. Auffällig sind Lupinen wegen ihrer großen Blüten. Im Bio-Laden finden sich ihre Samen als Mehl, in Brotaufstrichen oder zu Bratlingen, Würstchen oder Hack verarbeitet.
  • Die Palette an Soja-Produkten im Bio-Regal ist groß: Von Drink über getrocknete Bohnen und Mehl bis hin zu Tofu, Tempeh und weiteren Fleischersatzprodukten auf Sojabasis. Und dann gibt es auch noch Sojaöl, Sojasoße und Sojasprossen.

Diese Hülsenfrucht wird am häufigsten angebaut

An der Spitze im Anbau liegt die Erbse: 2022 wuchs sie hierzulande auf 107.000 Hektar Ackerfläche. In den letzten Jahren eroberte sich aber auch die Sojabohne immer mehr Platz: 51.000 Hektar waren es im vergangenen Jahr. Vor ein paar Jahren war der Anbau nur im Süden Deutschlands möglich. Doch durch zunehmende Wärme und Trockenheit wandert Soja immer weiter nach Norden. Auch die Ackerbohne gehörte 2022 mit 71.000 Hektar zu den Top drei der Hülsenfrüchte in Deutschland. Sie ist für die menschliche Ernährung fast vollständig in Vergessenheit geraten. Doch auch das sei ein Ziel des LeguNet-Netzwerkes, so die Agrarwissenschaftlerin Spory: vergessene Körnerleguminosen wieder auf unseren Speiseplan zu bringen.

Familie Kraul wird weiterhin Hülsenfrüchte anbauen, trotz aller Herausforderungen: „Wir fragen uns: Was hat die Landwirtschaft für eine Auftrag in Zukunft? Und das ist nicht in erster Linie, Fleisch, Milch und Eier zu produzieren, sondern eben auch pflanzliche Produkte. Und die Linse bietet da eine gute Alternative, sich ausgewogen zu ernähren“, sagt Sophie Kraul. „Und wenn ich dann noch sehe, dass immer mehr Kunden und Kundinnen das Produkt mit Begeisterung kaufen, motiviert das noch zusätzlich.“

Mehr zum Thema

LeguNet: Das Netzwerk zur Förderung von Leguminosen bietet nicht nur Infos, sondern auch Rezepte.

In unserem Beitrag „Bohnen statt Steak“ geht es um die Planetary Health Diet, Klimaschutz und Hülsenfrüchte.

Bei den Vereinen für unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) gibt es viele Infos und Tipps rund um Hülsenfrüchte.

Buchtipps

Hardeman, Tami: Linsen, Bohnen, Erbsen und Co.: Das Hülsenfrüchte-Kochbuch. Dorling Kindersley Verlag, 2021, 256 Seiten, 19,95 €

Henke, Wilfried; Bräutigam, Volker: Schmetterlinge im Bauch. Von Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen und Co., Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2021, 28 Seiten, kostenlos beim Medienservice.

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