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Woher kommt Bio-Soja?

Sojabohnen stehen in der Kritik. Für ihren Anbau werden Wälder abgefackelt und Menschen vertrieben. Trifft das auch auf Bio-Soja zu?

Rund 40 Kilogramm Soja essen wir jedes Jahr. Damit liegt der Pro-Kopf-Verbrauch der gelben Bohnen in Deutschland höher als der von Brot, Nudeln oder Äpfeln. Allerdings kommen die wenigsten Sojabohnen in Form von Tofu oder Sojadrinks auf den Tisch. Sie stecken in Fleisch, Eiern, Milch und Käse. Denn Sojabohnen sind weltweit das wichtigste eiweißhaltige Futtermittel für Nutztiere.

Wie schädlich ist Soja für die Umwelt?

Das viele Soja ist mittlerweile ein Problem, denn der Anbau der Bohnen ist mit Abholzung, Landraub und Pestizidduschen verbunden. Riesige Monokulturen machen sich breit, wo vorher Regenwälder und Savannen wuchsen. „Diese rasante Expansion bedroht einige der artenreichsten Lebensräume der Erde, darunter den Amazonas-Regenwald, den Cerrado und den Gran Chaco in Südamerika“, warnt die Umweltorganisation Greenpeace. Die von Flugzeugen auf die Pflanzen versprühten Herbizide gefährden zudem die Anwohner der Felder und immer wieder kommt es zu Landraub, zur Vertreibung indigener Völker und zu anderen Menschenrechtsverletzungen. „Diese Ungerechtigkeiten werden durch das Versagen von Bundes­- und Kommunalregierungen verschärft“, kritisiert Greenpeace. Gleichzeitig wachse die Macht von Großgrundbesitzern und Unternehmensgruppen.

Soja-Anbau boomt

Ein Ende des Soja-Booms ist nicht in Sicht. Dieses Jahr werden die Landwirte weltweit voraussichtlich 370 Millionen Tonnen Sojabohnen ernten. Das ist mehr als doppelt so viel wie noch vor zwanzig Jahren. Die Hälfte davon wächst in Brasilien und Argentinien. Dort hat sich der Anbau von Soja in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht. Weitere 120 Millionen Tonnen Soja steuern Farmer in den USA bei. Wichtige Anbauländer sind zudem China, Indien, Paraguay und Kanada.

Die meisten Bohnen, die in Nord- und Südamerika wachsen, sind gentechnisch verändert. Da viele konventionelle Hersteller jedoch gentech-freie Sojabohnen wollen, hat der Soja-Anbau auch in Europa kräftig zugelegt. Insgesamt ist sein Anteil aber eher bescheiden: Die EU-Staaten produzieren rund 2,7 Millionen Tonnen Sojabohnen im Jahr. Ukraine und Russland steuern weitere 6,5 Millionen Tonnen bei.

„Unsere Sojabohne Tofina ist perfekt auf den Anbau in Deutschland abgestimmt“

Mann sitzt in einem Feld Sojabohnen

Martin Miersch leitet das Zentrum für Sojaanbau bei Taifun und berät Landwirte. taifun-tofu.de

Der deutsche Marktführer für Bio-Tofu begann 1996 damit, deutsche Landwirte für den Anbau von Bio-Soja zu gewinnen. „Inzwischen decken 100 Vertragsbauern in Deutschland, Niederösterreich und den französischen Regionen Elsass und Jura unseren gesamten Bedarf“, sagt Taifuns Anbau-Experte Martin Miersch. Im Februar 2020 bekam Taifun nach zehnjähriger Züchtungsarbeit die Zulassung für ihre erste selbst entwickelte Sojasorte. „Tofina bringt besonders gute Eigenschaften für die Tofuherstellung mit und ist perfekt auf den Anbau in Deutschland abgestimmt“, erklärt Miersch. Er betreut auch das 1000-Gärten-Projekt, bei dem Taifun zusammen mit der Uni Hohenheim und vielen Hobbygärtnern versucht, weitere für den heimischen Sojaanbau geeignete Sorten zu entwickeln. Aktiv ist Miersch auch im Sojaförderring, einem Verein, der bundesweit konventionelle und Bio-Landwirte beim Sojaanbau berät. „Wir wollen unsere Erfahrung als Pionier weitergeben und unser Wissen teilen“, erklärt Miersch die Motivation von Taifun.

Wofür wird Soja verwendet?

Soja für die Tiere 320 Millionen Tonnen Sojabohnen werden jährlich zu Tierfutter verarbeitet. Da die ganze Bohne nicht als Viehfutter taugt – weil sie zu fett ist –, muss sie zu Sojaschrot aufbereitet werden. Dafür werden die Sojabohnen zu Flocken zerkleinert und mit chemischen Lösemitteln wie Hexan versetzt, die den Fettanteil aus den Flocken lösen. Der eiweißreiche Sojaschrot macht fast 80 Prozent der ursprünglichen Bohne aus. Das Fett-Lösemittelgemisch wird zu Öl aufbereitet.

Dieses Sojaschrot steckt auch im deutschen Schnitzel oder in italienischem Parmaschinken. Die EU ist nach China der größte Soja-Importeur der Welt. Jedes Jahr kommen fast 19 Millionen Tonnen Sojaschrot in die EU, fast ausschließlich aus Südamerika, dazu 15 Millionen Tonnen ganze Bohnen aus den USA und Brasilien, die hier zu Öl und Viehfutter verarbeitet werden.

Deutschlands Landwirte verfüttern jedes Jahr mehr als drei Millionen Tonnen Sojaschrot an Geflügel, Schweine und Rinder. Das Statistische Bundesamt hat berechnet, dass dafür eine Fläche von 2,3 Millionen Hektar notwendig ist, das entspricht ganz Mecklenburg-Vorpommern. Weit mehr als die Hälfte davon liegt in Brasilien, wo der Regenwald nach wie vor für Anbauflächen abholzt wird.

Kann Soja auch umweltfreundlich angebaut werden?

Zwar versucht der Runde Tisch für die verantwortungsvolle Nutzung von Soja (RTRS) seit 15 Jahren, den konventionellen Sojaanbau in Südamerika nachhaltiger zu machen. Da an diesem Tisch auch die großen Agrar- und Gentechnikkonzerne sitzen, gilt die Organisation den meisten Umweltschützern als grünes Feigenblatt. Ein internationales Forscherteam hat im vergangenen Jahr nachgewiesen, dass aus Brasilien jedes Jahr zwei Millionen Tonnen Soja in die EU gelangen, die auf illegal gerodeten Flächen angebaut wurden.

Können wenigstens Bio-Kunden guten Gewissens Tofu, Eier und Wurst essen oder haben auch sie Raubbau auf dem Teller? Die Sojabohnen, die zu Bio-Tofu, Drinks und anderen sojahaltigen Bio-Lebensmittel verarbeitet werden, wachsen fast alle in Europa. Nord- und Südamerika spielen als Lieferanten keine Rolle. Gentechnik und synthetische Pestizide wie Glyphosat sind für Bio-Bauern verboten und kommen nicht auf den Acker.

Die Nachfrage nach europäischem Bio-Soja wächst stetig. Die wichtigsten Anbauländer sind Rumänien, Ukraine, Frankreich, Italien und Österreich. Doch auch im kühleren Deutschland gibt es Bio-Sojafelder – Tendenz steigend. 7800 Hektar waren es nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) im vergangenen Jahr. Das ergab eine Ernte von gut 20 000 Tonnen. In der gesamten EU dürften es zwischen 200 000 und 250 000 Tonnen Soja gewesen sein.

„Die Sojabohnen lückenlos rückverfolgen“

Frau mit langen blonden Haaren

Anja Grunefeld leitet bei Provamel das Marketing für die D-A-CH-Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz). provamel.de

Der Belgier Philippe Vandemoortele experimentierte Mitte der 70er-Jahre mit einer Maschine für Sojamilch. 1980 gründete er das Unternehmen Alpro und die zugehörige Bio-Marke Provamel. Beides gehörte zum belgischen Lebensmittelhersteller Vandemoortele, den Philippes Familie seit 1899 aufgebaut hatte. Heute ist Alpro Europas Marktführer bei Sojamilch und wurde 2017 an den Lebensmittelkonzern Danone verkauft. „Die für Provamel-Produkte verwendeten Bio-Sojabohnen stammen aus Europa und sind selbstverständlich gentechnikfrei“, sagt Anja Grunefeld, die bei Provamel das Marketing für die deutschsprachigen Länder leitet. Anhand eines lückenlosen Rückverfolgungssystems könne Provamel „den Weg jeder einzelnen Sojabohne von der Ernte über den Produktionsprozess bis in den Laden zurückverfolgen“. Angebaut würden die Bohnen von langjährigen Vertragsbauern. „Unsere Landwirte respektieren den natürlichen Fruchtwechsel auf ihren Ackerflächen und betreiben einen nachhaltigen Anbau“, sagt Grunefeld.

Bio-Soja aus China für Hühner und Schweine in Deutschland

Das ist allerdings zu wenig, um den Bedarf zu decken. Denn auch bei Bio-Tieren steht Bio-Soja auf dem Speiseplan, insbesondere bei Geflügel und Schweinen. Der Vorteil von Soja: Die Bohne hat verglichen mit Ackerbohnen und Erbsen einen weitaus höheren Proteinanteil, lässt sich leichter verdauen und weist ein besseres Aminosäuremuster auf. Auch wenn Bio-Tiere meist weniger Soja in ihren Futterrationen haben als ihre konventionellen Artgenossen: Doch Geflügel und Schweine ganz ohne Soja mit essenziellen Aminosäuren zu ernähren ist schwierig. Und mit der Nachfrage nach Eiern und Fleisch aus Bio-Tierhaltung steigt der Soja-Verbrauch.

Auch für Bio-Tierfutter werden die Bohnen gepresst und entfettet. Allerdings geschieht dies ohne chemische Lösemittel. Deswegen heißt die Bio-Variante auch Sojakuchen und nicht Sojaschrot.

2019 importierte die EU 132.000 Tonnen Bio-Soja, ein Drittel davon aus Togo. China, Indien und die Ukraine waren weitere wichtige Lieferländer. Hinzu kamen 357.000 Tonnen Sojakuchen als Tierfutter, das allermeiste davon aus China. Nach Deutschland seien im Wirtschaftsjahr 2018/19 rund 65 000 Tonnen Bio-Sojabohnen und Bio-Sojakuchen importiert worden, sagt Diana Schaack von der AMI. Der chinesische Bio-Sojakuchen ernährt auch deutsche Bio-Tiere, vor allem solche, die auf EU-Bio-Betrieben leben. Sojakuchen für Verbandstiere, etwa von Bioland oder Naturland, komme vor allem aus Rumänien, erklärt Diana Schaack: „Daneben spielen noch einige andere Herkünfte wie Indien, die Ukraine und Brasilien eine Rolle.“ In Brasilien gibt es seit über zwanzig Jahren eine Gemeinschaft von inzwischen 100 Demeter-Bauern, die Soja anbauen – und damit vor Ort zeigen, dass es eine Alternative gibt.

„Unsere Sojabohnen stammen zu 100 Prozent aus Frankreich“

Frau in einem Labor

Maud Lion entwickelt bei Sojade neue Produkte, auch aus Hafer und Hanf. sojadebio.de

Sojade heißt die Bio-Marke des französischen Soja-Spezialisten Triballat Noyal. Das 1950 gegründete Familienunternehmen aus der Bretagne ist eigentlich eine Molkerei und engagiert sich schon seit 1975 im Bio-Landbau. 1986 kamen zu den Milchprodukten die ersten Sojaprodukte hinzu, nach original chinesischen Sojamilch-Rezepten, wie das Unternehmen betont. 2002 schließlich entstand der Marken-Name Sojade. Eine Spezialität des Unternehmens sind fermentierte Sojaprodukte wie Joghurt und Kefir. „Die Sojabohnen, die wir in unseren Produkten verarbeiten, stammen zu 100 Prozent aus Frankreich“, erklärt Produktentwicklerin Maud Lion. Jedes Jahr würden die Produzenten besucht und die Sammelsilos begutachtet, um sicherzustellen, dass die gemeinsam mit den Lieferanten definierten Anbaubedingungen eingehalten werden. „Zudem kontrollieren wir die Rückverfolgbarkeit vom Saatgut des Produzenten bis zum fertigen Produkt, um die völlige Abwesenheit von Gentechnik zu garantieren“, berichtet Maud Lion.

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