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Taifun sucht die Super-Sojabohne

Überall in Deutschland wurden 2016 Sojabohnen angebaut – in 12er-Reihen. Das steckt dahinter?

Bewunderung schwingt mit, wenn Martin Miersch sagt: „Die Soja-Pflanze ist eine Wildsau, in jeder Beziehung!“ Sie sei robust und komme auch mit zu wenig oder zu viel Regen gut klar; zur Not auch mal mit einem Hagelschauer. Und der Mann muss es wissen: Er leitet beim Bio-Tofu-Hersteller Taifun das Landwirtschaftliche Zentrum für Sojaanbau und Entwicklung.

Martin Miersch hat 2016 den größten Soja-Versuch koordiniert, den es jemals in Deutschland gegeben hat: Ziel war es, für die verschiedenen Regionen in Deutschland die jeweils beste Soja-Sorte zu finden. Dafür hatte Taifun kurz vor Weihnachten 2015 – unter anderem in Schrot&Korn – 1000 Gärtnerinnen und Gärtner gesucht, die bei sich zu Hause jeweils zwölf Reihen Soja anbauen.

Deutschland sucht die Super-Sojabohne

Gemeldet haben sich Schulklassen, Kindergartengruppen, Firmen, Privatleute. Nicht 1000, sondern gleich 2400. „Das war schon eine große logistische Aufgabe, die wir zu Beginn unterschätzt haben“, gibt Martin Miersch zu. Mit seinem Team hat er alle Bewerbungen durchgesehen und bewertet. Fast alle Bewerber wurden genommen. Nur Menschen, die nicht in Deutschland wohnten oder keinen Internetanschluss hatten, mussten aussortiert werden. Mit der „1000 Gärten“-Aktion will Taifun herausfinden, welche Sojabohne wo am besten wächst, damit die Firma auch künftig regionales, garantiert gentechnikfreies Soja in ihren Produkten verarbeiten kann.

Soja mag es warm

Die Bohne braucht normalerweise ähnliche Anbauvoraussetzungen wie Wein: also eher warmes, mildes Klima. Deshalb wächst Soja in Mitteleuropa am besten in der Nähe des 48. Breitengrads. Hier gibt es schon viele Anbaugebiete – zum Beispiel in Baden, der Südpfalz, im Elsass, in Burgund und dem Wiener Becken, östlich von Wien. Um in Regionen, die etwas entfernt vom 48. Breitengrad liegen, Soja anbauen zu können, braucht man Sorten, die auch in kühlerer Umgebung gut wachsen.

Also hat Taifun gemeinsam mit seinem Projektpartner, der Uni Hohenheim in Stuttgart, die das Projekt auch wissenschaftlich begleitet, viele Tausend Saatguttütchen an die Gärtner in ganz Deutschland verschickt. Die Universität hatte schon vor sechs Jahren intensiv damit begonnen, Sojasorten zu kreuzen. Ziel war es bereits damals, Sojapflanzen zu finden, die auch in kühlerem Klima gute Erträge haben.

Hobby-Gärtner bauen für Taifun Soja an

Aufgabe der Gärtner zwischen Frankfurt an der Oder und Aachen, zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen war es nun, in zwölf Reihen zwölf verschiedene Soja-Sorten zu säen. Ein halbes Jahr lang mussten die Soja-Gärtner dann ihre Pflanzen genau beobachten: Wann sind die ersten Blättchen aus der Erde gekommen? Wann waren Blüten zu sehen? Wann hat die Pflanze die gelben Blätter abgeworfen? Wie viele „Etagen“ Sojabohnen hat die Pflanze gebildet? Wie stabil sind die Stängel? Wie viele Sojabohnen sind in den einzelnen Hülsen gewachsen ...Immer wieder schrieb Taifun E-Mails an alle Hobby-Gärtner, um sie daran zu erinnern, was nun gerade zu tun ist. In Freiburg, dem Sitz der Firma, kamen jeden Tag etwa 20 E-Mails von den Hobby-Soja-Bauern an. Um deren Fragen zu beantworten, hatte Taifun zwei landwirtschaftliche Fachleute und zwei Mitarbeiter der Öffentlichkeitsabteilung abgestellt.

Manchmal kamen seltsame und überraschende Rückmeldungen: „Hilfe!“, rief da ein Mann ins Telefon, „bei meinen Soja-Pflanzen stimmt etwas nicht: Die haben noch nicht geblüht, aber sie tragen jetzt schon Früchte! Wie kann das sein?“ Des Rätsels Lösung: Der Mann hatte die Blüten einfach übersehen. Die sind nämlich so klein, dass man sie gar nicht erkennt, wenn man nicht ganz genau hinschaut.

Natürlich gärtnerten die Soja-Freunde in ganz Deutschland ohne chemisch-synthetische Pestizide und Fungizide, also quasi biologisch: Schnecken zum Beispiel wurden abgesammelt, Unkraut immer wieder gezupft und nicht weggesprüht.

Eine der Hobby-Gärtnerinnen war Franziska Risch aus Freiburg. Ihr hat besonders gut gefallen, dass sie für eine Bio-Firma aktiv werden, ihr helfen konnte, gute Soja-Sorten zu finden. „Es war spannend zu beobachten, wie unterschiedlich sich die verschiedenen Soja-Reihen entwickelt haben, sagt sie, „eine Reihe hatte so schwache Stängel, dass die Pflanzen fast auf dem Boden gelegen haben.

So viel Soja steckt im Fleisch

Für ein Kilo Tofu braucht man ein halbes Kilo Soja. Für ein Kilo Fleisch braucht man sieben Kilo Soja.

Auch Tommi Grusch vom Bürgerzentrum Köln-Vingst hat mitgemacht. Der Kölner Bio-Bauer Jürgen Roußelli hat ihm ein Stück Land zur Verfügung gestellt. Da säte Grusch im Rahmen eines inklusiven Gartenprojekts mit der achten Klasse der Katharina-Henoth-Gesamtschule Höhenberg-Vingst seine Soja-Reihen. Die Schüler waren mit ihrem Lehrer Karl Schmitz eifrig bei der Sache, obwohl die meisten nicht wirklich Fans von Tofu waren. Die Pflanzen in Köln wuchsen großartig.

Der Soja-Anbau war jedoch nicht bei allen Hobby-Gärtnern problemlos: Einige wenige mussten wegen des Wetters ihr Experiment sogar abbrechen: „Ein paar Felder sind durch Hagel total zerstört worden!“, erzählt Miersch. Im Schwarzwald waren einige Soja-Felder noch tief verschneit, als bei anderen schon die ersten grünen Spitzen aus dem Boden lugten. „Aber“, lächelt Martin Miersch gelassen, „weil die Soja-Pflanze ja eine Wildsau ist, haben die allermeisten Pflanzungen überlebt!“

Jetzt ist die Arbeit der Gärtner vorbei. Sie haben ihre Ernte im Oktober nach Eckartsweier zur Außenstelle der Uni Hohenheim geschickt. Dort machen Experten die ersten Analysen. Die besten, vielversprechendsten Kreuzungen werden dann im Taifun-Labor in Freiburg weiter untersucht. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen: „Das ist eine aufwendige, umfangreiche Trial-and-Error-Aktion. Die allermeisten Sojabohnen können wir nicht nutzen. Aber wenn drei, vier oder fünf gute Bohnen übrig bleiben, die wir nutzen können, sind wir sehr glücklich!“, sagt Martin Miersch. In etwa einem halben Jahr rechnet Taifun mit den ersten Ergebnissen. Von den ersten Versuchen bis zur Zulassung als Sorte durch das Bundessortenamt vergehen übrigens gerne schon mal bis zu sechs Jahre.

Für Tofu braucht es besondere Bohnen

Sojabohnen, aus denen Tofu gemacht wird, müssen besonders viel Eiweiß enthalten und neutral schmecken, nicht zu „bohnig. Wichtig ist auch die Konsistenz des späteren Tofus: Die richtige Bohne sorgt dafür, dass der Tofu nicht zu fest, aber auch nicht zu weich wird. Bei der Tofu-Herstellung durchlaufen die Bohnen dann viele Arbeitsschritte: Sie werden mehrere Stunden in Wasser eingeweicht, gemahlen und gekocht. Dann entfernt man durch Sieben die Pflanzenfasern. Was übrig bleibt, ist die sogenannte „Sojamilch“, der dann zwei Gerinnungsmittel zugesetzt werden. Dadurch flockt das Eiweiß aus und kann zu festen Tofublöcken gepresst werden. In Form geschnitten werden die Blöcke schließlich im Wasserbad abgekühlt. Die nun entstandene Masse verarbeitet Taifun mit unterschiedlichen Zutaten wie Kräutern und Gewürzen zu insgesamt 35 verschiedenen Tofu-Produkten.

Bio-Soja wird anders angebaut

Neben der Suche nach regionalem Tofu-Soja wollte Taifun auch das nicht so gute Image der Pflanze verbessern. Denn Soja ist nicht gleich Soja. Der konventionelle Anbau vor allem für Tierfutter hat die Hülsenfrucht in Verruf gebracht, erklärt Lina Cuypers von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Taifun. Bio-Soja ist aber anders, so Cuypers: „Gentechnik ist im Bio-Anbau verboten und der Regenwald wird für unseren Tofu nicht abgeholzt.“

Wolfgang Heck: „Unsere Stiftung stabilisiert das Unternehmen langfristig“

Wolfgang Heck hat 1987 Life Food/Taifun gegründet. Heute leitet er die Heck-Unternehmensstiftung.

Seit fast 30 Jahren macht die Life Food GmbH unter dem Markennamen Taifun Tofu. In einer Kellerküche in Freiburg wurden 1985 ganze vier Kilo pro Woche hergestellt und frisch auf Märkten verkauft. Zwei Jahre später wurde die Firma gegründet. Heute werden pro Woche mehr als 100 Tonnen Tofu produziert und in etwa 10 000 Bio-Läden in 14 europäischen Ländern verkauft. Firmen-Mitbegründer Wolfgang Heck ist stolz, dass seine Firma mitgeholfen hat, dass das jahrtausendalte, traditionsreiche Lebensmittel aus Ost-Asien den Weg in die moderne westliche Küche fand. Heck hat mittlerweile sämtliche Geschäftsanteile in die neue Heck-Unternehmensstiftung eingebracht. Sie übernimmt nun die Rolle des einzigen Gesellschafters. Für Heck wird damit ein lang gehegter Traum wahr: „Mit diesem Schritt möchte ich das Unternehmen langfristig und über mehrere Generationen hinweg stabil und gesund erhalten.“ Ein gutes Signal an die mehr als 230 Mitarbeiter: Denn das Bio-Unternehmen kann jetzt nicht mehr verkauft werden.

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