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Fit mit Ferment

Bakterien in der Küche? Diese sind nur beim Fermentieren gern gesehen: Kraut, Kombucha oder Kefir sind ihretwegen sogar mehr als gesund.

Was haben saure Gurken, Wein und Bier, Tee und Kaffee, Brot, Joghurt, Schokolade, Essig und Sojasoße gemeinsam? Sie schmecken lecker, okay. Aber nicht nur das. Alle werden durch Fermentation hergestellt. Dabei sind stets Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen und Schimmelpilze im Spiel.

Fermentation dank Milchsäurebakterien und Hefen

Fermentation leitet sich vom Lateinischen „Fermentum“ ab und heißt so viel wie Gärung. Streng genommen eine Reaktion unter Ausschluss von Luft: „Fermentation, cest la vie sans lair“, definierte der bekannte Forscher Louis Pasteur (1822–1895). So läuft es auch bei der Sauerkrautherstellung ab: Milchsäurebakterien wie Lactobacillus plantarum wandeln den Zucker im Gemüse unter Luftausschluss in Säure um und das feinsäuerliche Kraut entsteht.

Heute zählen auch Gärverfahren zur Fermentation, die an der Luft stattfinden. Bei der traditionellen Sauerteigherstellung etwa wird ein Mehl-Wasser-Gemisch offen stehen gelassen, sodass sich Hefen aus der Luft darüber hermachen und die Rohstoffe vergären – zum Teigansatz.

Fermentierte Lebensmittel: Aus dem Zufall geboren

Neu ist das Ganze nicht: Schon seit Jahrhunderten wird Fermentation genutzt, um verderbliche Lebensmittel haltbar zu machen. In der Antike erfreuten sich die Menschen an Honigwein (Met), einem Honig-Wasser-Gemisch, das mit Hilfe der Hefen aus der Luft entsteht. Auch bei anderen fermentierten Lebensmitteln war oft der Zufall im Spiel. Milch stand längere Zeit offen in der Küche herum und wurde dick. Die Dickmilch war geboren. Weintrinker machten die Erfahrung, dass der Inhalt einer geöffneten Flasche schon nach kurzer Zeit sauer schmeckt, die Geburtsstunde des Essigs.

Etwa 30 Prozent der heute verzehrten Nahrungsmittel entsteht mithilfe der Gärung, schätzt die Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM). Die industrielle Gärung überlässt meist nichts dem Zufall. Gezielt werden Gärbakterien, Hefen oder Schimmelpilze den Rohstoffen zugesetzt, ob dem Weißkohl, aus dem Sauerkraut wird, der Milch für Joghurt und Käse oder dem Teigansatz fürs Roggenbrot. So lassen sich Ablauf der Gärung und Qualität der Produkte gezielt steuern.

Spontane Gärung in der heimischen Küche

Ob in der eigenen Küche, in Restaurants, Kochkursen oder auf Youtube, hier wird immer traditionell, das heißt durch spontane Gärung fermentiert. Und das boomt. Interessierte finden in zwei Dutzend Kochbüchern, diversen Blogs (Tipp: "Plötzblog – selbst gutes Brot backen") und mehreren Tausend Videoclips dezidierte Anleitungen, die sich dem Sauergemüse, dem Teig und dem Kombucha widmen. In Leipzig entstand kürzlich sogar ein „Zentrum für Fermentation“, das mittlerweile Kurse rund ums Fermentieren anbietet.

Anders als noch zu Omas Zeiten werden heute eher kleine, feine Mengen an Fermentiertem hergestellt, Portionen, die in jeden Kühlschrank passen. Praktisch auch, für die Herstellung ist meist kein spezielles Equipment erforderlich; für Sauergemüse wird lediglich ein größeres Glas, Gemüse, Salz und Wasser benötigt. Möchte man Sauerteig herstellen, reichen eine Schüssel, Mehl und Wasser und evtl. etwas Hefe. Ein gewisses Maß an Sauberkeit muss natürlich sein: Das milchsaure Gemüse immer mit einer sauberen Gabel überprüfen, den Kombucha mit einem Strohhalm kosten.

Auch ist Sauerkraut nicht mehr länger bloß Kohl mit Kümmel, sondern er kommt mit Ingwer, Rosmarin oder Minze ins Glas. Aber was heißt hier Weißkraut – auch Karotten, Rote Bete, Tomaten und Fenchel lassen sich fermentieren. Verfeinert mit Knoblauch, frischem Kurkuma und Algen bieten sie ein völlig neues Geschmackserlebnis. Verantwortlich für das besondere Aroma der Fermentos sind die Mikroorganismen. Sie knacken Zucker, Eiweiße und Fette und es entstehen feine Säuren, alkoholische Verbindungen, umamireiche Eiweiße und wohlschmeckende Fettsäuren.

Fermentierte Karotten mit Ingwer

Zutaten
  • 3 Karotten (ca. 350 g)
  • 1 Stück Ingwer (ca. 4 Zentimeter)
  • 25 g Salz
  • ca. 500 ml Wasser

Zubereitung

  1. Karotten und Ingwer waschen und mit Schale fein raspeln. Salz in Wasser auflösen. Gemüse damit übergießen und ca. zwei Stunden stehen lassen.
  2. Aus der Lake nehmen, etwas abtropfen lassen, Lake aufheben. Gemüse in ein großes Glas füllen. Circa ein Drittel Platz lassen. Das Gemüse kräftig in das Glas pressen, sodass Salzlake und Gemüsesaft austreten und alles gut bedeckt ist. Reicht die Flüssigkeit nicht, noch etwas Lake darauf gießen.
  3. Ein zweites, etwas kleineres Glas mit Wasser füllen und das Gemüse damit beschweren. Das Gemüse sollte komplett mit Lake bedeckt sein, sonst schimmelt es möglicherweise.
  4. Alles mit einem Tuch abdecken und etwa eine Woche stehen lassen. Ab und zu kontrollieren, ob das Gemüse gut mit Flüssigkeit bedeckt ist. Ggf. nochmals etwas Rest-Lake angießen. In den ersten Tagen sollten kleine Bläschen im Glas hochsteigen, das Gemüse gärt. Je länger es fermentiert, umso saurer wird᾽s.

Fermentiertes ist besser bekömmlich

Das „Panzerknacken“ verbessert auch die Bekömmlichkeit von Speisen und macht Fermentiertes zu echtem Superfood. So vertragen bei uns rund 15 Prozent der Menschen keine Laktose, den Milchzucker. Nach dem Verzehr kommt es bei ihnen zu Durchfall und Bauchschmerzen. Jedoch können sie Joghurt oft bestens vertragen. Denn das Enzym Beta-Galactosidase baut im Zuge der Fermentation den Milchzucker ab, in Joghurt zu rund 30 Prozent. Auch gut gereifter Käse ist für Betroffene oft bekömmlich. Denn auch im Verlauf der Käseherstellung wird Laktose durch Abbau „ausgeschaltet“. Lang gereifte Käsesorten wie Bergkäse oder Parmesan sind darum für sie oft besser bekömmlich als junger Gouda oder auch Frischkäse, der meist gar nicht fermentiert ist.

Auch Weizen und andere glutenhaltige Getreide werden bekömmlicher, wenn Brot und Backwaren gut fermentiert sind. Denn: Je länger ein Teig „geht“, desto mehr Gluten wird abgebaut, fand Professor Detlev Schuppan, Leiter der Zöliakie-Ambulanz an der Uniklinik Mainz, in Backversuchen heraus. Zugleich werden sogenannte „Fodmaps“ durch lange Geh- und Stehzeiten reduziert. Das sind Kohlenhydrate, die im Dünndarm nur schlecht aufgenommen werden, aber fermentierbar sind. Sie lassen bei manchen Menschen den Bauch arg grummeln. Eine viereinhalbstündige Teigführung reduzierte ihren Gehalt um mehr als 90 Prozent, ergaben Studien von Dr. Friedrich Longin von der Universität Stuttgart-Hohenheim. „Insofern könnten einige Beschwerden im Zusammenhang mit Weizenprodukten eventuell über eine längere Teigführung, wie diese früher üblich war, reduziert werden“, urteilt Longin. Bei Bio-Broten ist dies üblich, Betroffene sollten aber nochmal beim Bäcker nachfragen.

Für manche Menschen sind fermentierte Produkte tabu. Wer eine Histamin-Intoleranz hat, darf sie nicht essen. Denn bei der Gärung wird aus der Aminosäure Histidin Histamin gebildet. Bei Betroffenen kommt es zu Hautausschlägen, Übelkeit und Kopfschmerzen. Für die meisten sind Fermentos hingegen gesund.

Die Ferment-Helden

Milchsäurebakterien und Milchsäure sind die eigentlichen Helden in milchsauer vergorenem Gemüse, Joghurt, Kefir und Kombucha. Mit dem Essen gelangen sie in den Darm und entfalten dort ihre positiven Wirkungen: Milchsäurebakterien besiedeln die Schleimhäute, bilden antibakterielle Stoffe und bieten so krank machenden Keimen Paroli. Sie werden darum sogar gezielt, als Medikamente oder Nahrungsergänzung, eingesetzt, nach einer Behandlung mit Antibiotika etwa oder bei Durchfall.

Doch Milchsäurebakterien sorgen nur dann für ein gesundes Mikroklima, wenn sie regelmäßig aufgenommen werden. Das bedeutet: Täglich ein wenig frisches milchsaures Gemüse gabeln und einen Becher Naturjoghurt löffeln. Dazu passt ein Gläschen Gemüsemost, Kombucha oder Brotgetränk. Wohl bekomm's!

Einkaufstipps: Gut Ding will Weile haben

Beim Kauf fermentierter Lebensmittel beachten:

Käse sollte gut gereift sein, so wie Gruyère, Bergkäse, Parmesan, Cheddar, Appenzeller, Manchego und Pecorino.

Brot aus glutenhaltigem Getreide ist dann besser bekömmlich, wenn der Teig gut gegangen ist, so wie ein dreistufig über 24 bis 36 Stunden geführter Sauerteig. Beim Bäcker nachfragen.

Sauerkraut, saure Gurken, Joghurt, Dickmilch, Kefir und Crème fraîche, Miso, Kombucha und Brottrunk enthalten nur dann reichlich Milchsäurebakterien, wenn auf der Verpackung „frisch“ oder „nicht erhitzt“ steht.

Buchtipps zum Fermentieren

  • Brandes, Cathrin: Fermentieren ganz einfach selbst gemacht! Neuer Umschau Buchverlag, 2016. 256 Seiten, 29,95 €
  • Sabersky, Annette: Einfach fermentieren. Heyne Verlag 2017, 256 Seiten, 9,99 €
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