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Vegane Sporternährung: Topfit ohne Quark

Kann ich mich vegan ernähren und trotzdem Leistung bringen, fragen sich viele Sportlerinnen und Sportler. Ja, sagen Experten. Doch es gibt einiges zu beachten.

Für den Rennsportler Lewis Hamilton waren es die Missstände in der Tierhaltung, die ihn dazu bewogen, auf eine vegane Ernährung umzusatteln. Der ehemalige Bodybuilder Arnold Schwarzenegger verbesserte seine Cholesterinwerte deutlich durch überwiegende Pflanzenkost. Und die Profi-Surferin Valeska Schneider fand, dass ihre Naturverbundenheit nicht vereinbar sei mit der Umweltbelastung durch Tierhaltung und Tierzucht. Deshalb setzt auch sie auf eine vegane Ernährung. Die drei Beispiele zeigen, dass trotz Verzicht auf Fleisch und Quark, die immer noch für Stärke und Muskelkraft stehen, Höchstleistungen möglich sind.

Ist eine vegane Ernährung für Sportler:innen machbar?

„Man kann sich als Leistungssportler vegan ernähren“, bestätigt auch Daniel König, Professor für Sporternährung an der Universität Wien. „Man muss sich aber umfassend informieren. Gerade um die Zufuhr der kritischen Nährstoffe sicherzustellen.“ Denn Muskeln brauchen die richtigen Anteile an Kohlenhydraten und Eiweiß sowie Mikronährstoffe, damit wir sprinten, einen Tennisball schlagen oder Gewichte stemmen können. Wichtig sind Nährstoffe auch in der Regenerationsphase, also nach dem Training, um eine Leistungssteigerung zu erreichen.

Darauf kommt es bei der veganen Ernährung an

Was im Profisport möglich ist, funktioniert auch bei Sportlerinnen und Sportlern im Breitensport. Ganz wichtig: Beide brauchen ausreichend Energie, Leistungssportler natürlich mehr. Zur Einordnung: Wer täglich mehr als ein bis drei Stunden trainiert und dadurch 1.000 bis 3.000 Kilokalorien pro Tag zusätzlich verbraucht, gilt als Leistungssportler, egal ob er in einem Verein spielt und Geld damit verdient oder ob er lediglich für seinen persönlichen Erfolg schwitzt. Wer darunter liegt, ist ein Breiten- oder Hobbysportler. Je nach Intensität und Trainingsumfang verbrauchen aber auch Breitensportlerinnen und -sportler viel Energie. Eine Stunde Joggen, Schwimmen oder Radfahren schlägt mit 600 bis 900 Kilokalorien zu Buche. Maßgebend hierbei sind Geschwindigkeit und Körpergewicht.

Muskeln brauchen Energie

Kalorien stecken in Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß. In den Muskelzellen entsteht aus diesen Treibstoffen mithilfe von Sauerstoff das Energie-Molekül ATP. Es ist dafür verantwortlich, dass sich die Muskeln in Bewegung setzen. ATP kann nicht gebunkert werden. Dafür können aber Kohlenhydrate in Form von Glukose in den sogenannten Glykogenspeichern eingelagert und bei Belastung schnell wieder freigesetzt werden. Deshalb sind Kohlenhydrate für Sportler auch so wichtig. Die Speicher befinden sich in den Muskeln und in der Leber, gespeichert werden können dort zwischen 1.600 bis 2.400 Kilokalorien.

Für die Muskeln sind Kohlenhydrate die effizienteste Energiequelle, da ihr Umbau zu ATP nur wenig Sauerstoff benötigt. Viele Kohlenhydrate stecken in Brot, Nudeln, Kartoffeln und Haushaltszucker – und stellen somit bei einer vegetarischen oder veganen Ernährung kein Problem dar. In Magen und Darm werden die Kohlenhydrate zu kleinen Glukose-Einheiten abgebaut. Mindestens 55 Prozent des täglichen Energiebedarfs sollten Athletinnen und Athleten über Kohlenhydrate aufnehmen. Vor einem Wettkampf können es auch mehr sein. Durch besonders kohlenhydratreiche Mahlzeiten versuchen viele Athleten ihre Glykogenspeicher maximal zu füllen, damit später möglichst lange Energie zur Verfügung steht. Während der Belastung bringen Sportgetränke oder Kohlenhydrat-Gels Energie-Nachschub. Zwar wird während einer Belastung in den Muskeln parallel zu den Kohlenhydraten auch immer Fett verbrannt. Gehen allerdings die Zuckerreserven zur Neige und überwiegt die Fettverbrennung, kann man keine Leistung mehr auf Spitzen-Niveau erbringen – der gefürchtete „Hungerast“ kann eintreten. Im Marathon ist das meist im letzten Teil der Laufstrecke der Fall.

Rechtzeitig trinken

  • Wer Sport macht, der verliert viel Flüssigkeit. Darum lautet die erste Fitness-Regel: rechtzeitig ausreichend trinken.
  • Isotonische Sportgetränke gleichen Glukose- sowie Natriumverluste aus. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollte man nach einer Anstrengung von mehr als 90 Minuten ein isotonisches Getränk trinken, bei kürzerer Dauer reicht Wasser. Sportgetränke lassen sich gut selber mixen: Dazu eine Messerspitze Salz in eine Apfelsaftschorle geben. Fertig.
  • Während einer Trainingseinheit oder eines Wettkampfs kann man Wasser, aber auch Sportgetränke trinken. Die DGE empfiehlt, alle 15 bis 20 Minuten 100 bis 200 Milliliter Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um Durst, Schwindel oder Krämpfen entgegenzuwirken. Gerade bei hohen Temperaturen, gilt es rechtzeitig Flüssigkeit aufzunehmen.

Wie viel Eiweiß brauchen Sportler:innen?

Ein heiß diskutiertes Thema unter Sportlerinnen und Sportlern ist die Eiweißfrage. Welches sollte es sein und wie viel davon wird benötigt? Eiweiß ist vor allem für den Muskelaufbau, das heißt für die Masse und die Stärke der Muskelfasern, zuständig. Rund 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht und Tag lautet die Empfehlung für gesunde Erwachsene. Diese gilt auch für Breitensportler, da ihr Eiweiß-Bedarf durch die sportliche Belastung nur unwesentlich erhöht ist. Aus Ernährungsstudien weiß man, dass Mischköstler, also Menschen, die pflanzliche und tierische Lebensmittel essen, fast das Doppelte der erforderlichen Menge an Eiweiß zu sich nehmen. Eine Extra-Portion Proteine etwa als Shake ist bei ihnen nicht nötig. Auch vegan lebende Breitensportler:innen decken im Schnitt ihren Eiweißbedarf, allerdings gibt es hier je nach Ernährungsvorlieben sehr große Variationen, sodass einige von ihnen tatsächlich mit dem wichtigen Nährstoff unterversorgt sein könnten. Wer vegan isst, erreicht die empfohlene Menge, indem er täglich etwa 50 bis 150 Gramm Soja- oder Seitan-Produkte verzehrt und wöchentlich ein- bis zweimal Hülsenfrüchte. Im Unterschied zu den Breitensportler:innen haben Leistungssportler:innen einen höheren Proteinbedarf. Er liegt bei 1,2 bis 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, je nach Sportart – wer Ausdauersport macht, braucht etwas weniger als jemand, der Gewichte stemmt.

Eiweiß: clever kombinieren

Damit Muskeln optimal funktionieren, brauchen sie jedoch nicht nur viel Eiweiß, sondern auch eine hohe Qualität. Pflanzliche Lebensmittel sind zwar teilweise auch eiweißreich, liefern jedoch für sich genommen nicht alle lebensnotwenigen Aminosäuren. Fachleute raten Veganerinnen und Veganern deshalb, häufig Getreide und Hülsenfrüchte zu kombinieren. Dadurch wird die sogenannte „biologische Wertigkeit“ erhöht. Zur Erklärung: Ein Ei hat beispielsweise eine Wertigkeit von 100, es enthält die für den Menschen wichtigen Aminosäuren in ausreichender Menge. Die Kombination von Bohnen und Mais bringt es auf den gleichen Wert, einzeln betrachtet liegt die biologische Wertigkeit für Bohnen und Mais nur bei rund 70. Gute Eiweiß-Kombinationen sind auch Amaranth, Quinoa, Hirse oder Weizenkeime mit Tofuprodukten. Auch Nüsse und Samen, Kartoffeln, Pilze sowie Grüngemüse und Algen liefern hochwertiges Eiweiß. Da der Mehrbedarf an Eiweiß für Leistungssportlerinnen und -sportler schwieriger zu decken ist, nehmen viele Profis, die sich vegan ernähren, Eiweißpräparate ein.

Auf diese Vitamine und Mineralstoffe kommt es an

In der veganen Sporternährung sind auch einige Mikronährstoffe kritisch. Dazu gehören etwa Eisen, Zink, Kalzium, Riboflavin und Vitamin B12. Diese werden für wichtige chemische Prozesse bei der Muskelarbeit gebraucht – jedoch leider mit dem Schweiß vermehrt ausgeschieden.

Vitamin B12 sollte von allen Veganerinnen und Veganern substituiert werden, da pflanzliche Nahrung davon nichts liefert. Die anderen Mikronährstoffe stecken auch in Gemüse, Nüssen und Getreide, sind oft jedoch nicht so gut verwertbar. Es muss allerdings nicht zwangsläufig zu einem Mangel kommen, denn mit einer größeren Energiezufuhr wie es der Sport erfordert, erhöht sich gleichzeitig die Aufnahme an den wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen.

Welche Nährstoffe sollten vegane Sportler:innen substituieren?

Trotz der guten Erfahrungen von Lewis Hamilton, Arnold Schwarzenegger und Valeska Schneider stehen einige Experten einer Sportlerernährung ohne tierische Produkte kritisch gegenüber: „Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit würde ich einem Sportler eine vegane Ernährung nicht zwingend empfehlen“, äußerte sich beispielsweise Hans Braun, Ernährungswissenschaftler an der Sporthochschule Köln gegenüber der Presseagentur dpa. „Das Wichtigste ist, dass der Sportler seinen Nährstoffbedarf abdeckt, und der besteht nun mal aus einem Nährstoff-Mix.“ Bei einer rein pflanzlichen Ernährung sei eine ausreichende Versorgung mit einigen Stoffen nur schwer möglich.

Dass es aber auch gut klappen kann, zeigen die Marathonläufer Katrin Schäfer und Daniel Roth. Beide ernähren sich seit über zwölf Jahren vegan und berichten ihn ihrem Blog „bevegt“ von den Anfängen: „Wir fühlten uns super, konnten weiter genauso hart trainieren wie bisher“. Eine gesunde vegane Sporternährung ist für sie kein Hexenwerk. Allerdings raten sie dazu, kritische Nährstoffe wie Eisen, Zink und Omega-3-Fettsäuren im Auge zu behalten, regelmäßig die Blutwerte kontrollieren zu lassen und bei Bedarf zu ergänzen. Sie selbst hätten sich „auch aus Bequemlichkeit“ für die Supplementation mit einem Multinährstoff entschieden.

Hat eine vegane Ernährung für Sportler:innen Vorteile?

Wenn in Sachen Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe alles stimmt, ist eine vegane Ernährung dann vielleicht sogar besser als eine Mischkost? Kann man mit Pflanzenkost eventuell sogar Verletzungen vorbeugen oder schneller heilen sowie Bestzeiten laufen und Medaillen gewinnen wie einige vegane Profi-Sportler:innen berichten? Bekannt ist, dass Pflanzenkost den Blutfluss und damit die Sauerstoffversorgung im Körper verbessert – ein wichtiger Faktor im Spitzensport. In Studien belegt wurde jedoch eine Leistungssteigerung im Sport durch rein pflanzliche Ernährung bisher nicht, sagt Daniel König. „Nicht selten kommt es bei einer veganen Ernährung jedoch zu einer Gewichtsreduktion. Das kann dann indirekt – zum Beispiel bei Ausdauersport – leistungsfördernd wirken“, so der Experte für Sporternährung weiter.

Auch für Beobachtungen einiger Sportler, dass bei veganer Ernährung weniger Verletzungen auftreten oder schneller ausheilen, gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Vorteile in punkto Verletzungen könnte eine pflanzenbasierte Kost jedoch bringen, da sie viele entzündungshemmende Substanzen wie sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe liefert. Denn durch Sport entstehen im Muskel kleinste Verletzungen, die der Körper nach der Belastung repariert. Hierbei entstehen auch entzündliche Prozesse.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist die Studienlage zu den Vor- und Nachteilen von veganer Sporternährung unzureichend, weil es derzeit zu wenige Leistungssportlerinnen und -sportler gibt, die man untersuchen könnte. Katrin Schäfer und Daniel Roth jedenfalls sind vegan ihre Bestzeiten gelaufen. „Das heißt aber nicht, dass unsere Ernährung dafür verantwortlich ist“, erklären die beiden. „Wir waren dann einfach schon länger Sportler und haben vielleicht auch mehr trainiert. Nachteile durch die Umstellung auf vegan hatten wir aber eben auch nicht.“

Mehr zum Thema vegane Sporternährung

Wie sieht die optimale Ernährung für Leistungsfähigkeit aus? In der Doku „The Game Changers“ gibt‘s Antworten. Zu Wort kommen Spitzensportler wie Lewis Hamilton, Arnold Schwarzenegger und Chris Paul.

Die Ernährungsorganisation ProVeg international informiert über rein pflanzliche Ernährung. Mit Tipps für vegan lebende Sportlerinnen und Sportler.

Interview: „Wir sind große Fans der Grain-Green-Bean-Formel“

Katrin Schäfer und Daniel Roth leben seit 2010 vegan und laufen leidenschaftlich gerne – von 10 km bis Ultramarathon. Auf ihrem Blog informieren die Laufcoaches über Fitness, Ernährung und Nachhaltigkeit.

Wie lief eure Umstellung auf vegan?

Sie lief über zwei bis drei Monate schleichend. Somit hat sich der Ballaststoffanteil auch nicht von einem Tag auf den anderen, sondern schrittweise erhöht, sodass sich der Körper daran gewöhnen konnte. Deshalb hatten wir auch keine Verdauungsprobleme.

Wie deckt ihr euren Eiweißbedarf?

Wir essen über den Tag verteilt verschiedene pflanzliche Eiweißquellen wie Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte. Außerdem sind wir große Fans der „Grain-Green-Bean-Formel“ und kombinieren in unseren Hauptgerichten Getreideprodukte, Hülsenfrüchte und Gemüse. Es spricht auch nichts dagegen, ab und zu einen veganen Proteinshake zu trinken. Wichtig ist, dass die Gesamtenergiebilanz stimmt.

Der Marathon naht: Was sollte man hinsichtlich der Ernährung beachten?

Vor allem sollte man keine großen Experimente mehr machen. Generell ist eine kohlenhydratbetonte Ernährung in den Tagen vor dem Marathon sinnvoll, aber man muss es auch nicht übertreiben.

Wieviel Zeit vor dem Marathon sollte man noch etwas essen?

Die letzte Mahlzeit sollte etwa drei Stunden vor dem Start stattfinden. Damit bleibt ausreichend Zeit zum Verdauen. Wir essen zum Beispiel Porridge zum Frühstück. 30 bis 45 Minuten vor dem Start kann man noch einen kleinen Snack, etwa zwei Datteln, essen. Das muss aber nicht sein. Wichtig ist, dass man die persönliche Ernährungsstrategie für den Wettkampftag in der Vorbereitung getestet hat.

Nach dem Lauf hat man oft keinen Appetit.

Das stimmt. Trotzdem sollte man einen kohlenhydrat- und proteinreichen Snack zu sich nehmen. Zum Beispiel einen Smoothie. So wird die Regeneration optimal unterstützt.

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