Leuchtend rot sitzen sie, Schale neben Schale, in den Regalen und warten darauf, uns den Sommer zu versüßen: Erdbeeren. Die süßen Früchte schmecken nicht nur lecker, sondern punkten auch mit wertvollen Inhaltsstoffen wie Vitamin C. Doch oft enthalten sie auch Stoffe mit komplizierten Namen wie Fluopyram, Cyprodinil oder Fludioxonil.
Wo werden überall Pestizide gefunden?
Dabei handelt es sich nicht um Vitamine oder Mineralstoffe, sondern um chemisch-synthetische Fungizide, die in der konventionellen Landwirtschaft gegen Schimmel eingesetzt werden. Sie sind nur ein Bruchteil der Gifte, die sich auf unseren Äckern und leider auch viel zu häufig in der Luft, in Gewässern und Nahrungsmitteln und schließlich auch in unserem Körper tummeln. Doch wie kommt es eigentlich dazu – und wie gefährlich ist das?
Pestizide – kurz erklärt
Pestizide ist der Überbegriff für sogenannte Pflanzenschutzmittel. Der lateinische Wortstamm legt bereits ihre gefährliche Wirkung nahe: „pestis“ bedeutet Seuche, „caedere“ bedeutet töten. Pestizide werden in verschiedene Untergruppen unterteilt:
- Herbizide sind Mittel gegen unerwünschte Beikräuter.
- Fungizide sind Mittel gegen Pilze.
- Insektizide rücken Blattläusen, Spinnmilben und Co. zu Leibe.
- Der Rest sind Wachstumsregulatoren und sonstige Mittel, die etwa gegen Schnecken und Nagetiere eingesetzt werden.
Während in der konventionellen Landwirtschaft auch chemisch-synthetische (also in der Natur nicht vorkommende) Pestizide eingesetzt werden dürfen, erlaubt die Bio-Landwirtschaft nur pflanzliche, mikrobielle oder mineralische Pflanzenschutzmittel. Beispiele sind Pflanzenöle, Kupfer oder Schwefel.
Wie giftig sind Pestizide?
Als im Zuge der industriellen Revolution die ersten chemisch-synthetischen Pestizide entwickelt wurden, klang ihr Heilsversprechen allzu verlockend: Durch ihren Einsatz sollten Ernteausfälle verhindert, Erträge maximiert und die mühsame Feldarbeit erleichtert werden. Die Rechnung ging zunächst zwar auf – jedoch auf Kosten von Umwelt, Biodiversität und unserer Gesundheit. Durch die steigenden Erträge sanken zudem bald die Preise für landwirtschaftliche Produkte, während es bis heute unter Landwirtinnen und Landwirten immer wieder zu akuten Pestizidvergiftungen kommt.
Die Symptome reichen dabei von Hautausschlägen, Kopf- und Gliederschmerzen bis zu Erbrechen, Durchfall und Übelkeit. Und sie können bei schweren Verläufen sogar zu Herz-, Lungen- oder Nierenversagen führen. Auch chronische Krankheiten können durch Pestizide hervorgerufen werden: In Frankreich und Italien ist die Nervenkrankheit Parkinson bereits als Berufskrankheit in der Landwirtschaft anerkannt. Zudem legen Studien Zusammenhänge zwischen Ackergiften und Asthma, Allergien, Fehlbildungen, Adipositas, Diabetes, Brust- und Leberkrebs und Leukämie nahe.
„Glyphosat-Verbot jetzt!“ lautet die Forderung vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL). Sie richtet sich sowohl an den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wie auch an die Umweltministerin Steffi Lemke. Deutschland müsse auf EU-Ebene mit einem klaren „Nein“ stimmen, plädiert das BEL. Die Unterschriftenkampagne wird unter anderem unterstützt von Greenpeace und dem Münchener Umweltinstitut. Schrot&Korn begleitet die Kampagne als Medienpartner.
Wer mitmachen möchte, kann ab sofort auf der Website www.enkeltauglich.bio/glyphosat unterschreiben oder Unterschriftensammellisten herunterladen.
Warum werden Pestizide nicht einfach verboten?
Trotz dieses Wissens tut sich die Politik schwer, gefährliche Ackergifte zu verbieten. Zu groß ist der Druck der Agrarlobby. Beispiel Glyphosat: Immer wieder wird es in menschlichen Urin- und Haarproben und in der Muttermilch nachgewiesen. Und obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO das Herbizid bereits 2015 als potenziell krebserregend eingestuft hat, wurde seine Zulassung immer wieder verlängert – zuletzt erneut bis Ende 2023.
Spendenkampagne: Glyphosat stoppen
Das europäische Netzwerk „Stop Glyphosate“ will die Wiedergenehmigung des Herbizids in der EU verhindern und sammelt deshalb Spenden zur Finanzierung einer Informationsplattform. Hier könnt ihr spenden.
Warum Bio-Landwirte ohne synthetische Pestizide auskommen
Biologisch wirtschaftende Betriebe verzichten auf chemisch-synthetische Pestizide. Sie halten Schädlinge und Krankheiten mit Fruchtfolgen, Mischkulturen und bei Bedarf mit natürlichen Pflanzenschutzmitteln in Schach. Damit schonen sie nicht nur heute unsere Umwelt sowie die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen, sondern sichern auch die Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen.
Diese Bio-Bündnisse klären über Pestizide auf
Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft
Und viele tun noch mehr: Um Forschungsmittel rund um die verheerenden Auswirkungen von Pestiziden zu bündeln, den Dialog über Ackergifte zu fördern und politischen Druck für ein Verbot zu erzeugen, haben sich in Deutschland einige Bio-Firmen, Naturkost-Fachhändler und zivilgesellschaftliche Organisationen zum „Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft“ zusammengeschlossen.Der Safthersteller Voelkel war von Anfang an mit dabei. Geschäftsführer Stefan Voelkel sagt: „Ein klares Nein zu Giften ist bei uns Tradition: Meine Familie war schon Ende der 70er-Jahre in Gorleben bei den ersten Protesten gegen die Einrichtung eines atomaren Endlagers mit dabei. Damals dachten viele Menschen noch, Atommüll sei harmlos. Mit Pestiziden war das nicht wesentlich anders.“ Der Verzicht auf Gifte im Anbau und bei der Herstellung der Säfte ist für Voelkel zwar selbstverständlich. Dennoch weiß er: Nur Bio zu machen – das reicht nicht. „Im Rahmen des Bündnisses versuchen wir daher, auch politisch Einfluss zu nehmen. Damit unsere Landwirtschaft überlebensfähig bleibt, der Biodiversitätsverlust gestoppt und die Gesundheit von Mensch und Natur langfristig geschützt wird“, so Stefan Voelkel.
„Ein klares Nein zu Giften ist bei uns Tradition“
Verein Enkeltauglich Österreich
Auch in Österreich engagieren sich Menschen für eine enkeltaugliche Zukunft. Dort hat der Tee-, Kräuter- und Gewürzhersteller Sonnentor gemeinsam mit 120 Bio-Kräuterbäuerinnen und -Bauern den Verein Enkeltauglich Österreich gegründet. Das hatte zunächst vor allem wirtschaftliche Gründe. Denn obwohl die Sonnentor-Anbauer:innen konsequent bio wirtschaften, landen die Pestizide umliegender, konventioneller Betriebe gelegentlich auf ihren Feldern. Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann erläutert: „Alle unsere Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern geben einen kleinen Teil ihrer Erlöse als Beitrag ab. Mit der generierten Summe werden Betroffene entschädigt, die ihre Ernte unverschuldet nicht mehr als Bio-Ware verkaufen können.“
Mittlerweile engagieren sich in der Bewegung auch andere Unternehmer:innen, Wissenschaftler:innen und andere Organisationen. Sie alle arbeiten gemeinsam daran, generationenübergreifende Veränderungen für eine bessere Welt zu bewirken. „Im Unterschied zum Verein, der sich auf die Sonnentor-Bäuerinnen- und Bauern beschränkt, können bei der Bewegung alle mitmachen, die unsere Zukunft enkeltauglich gestalten möchten!“, erklärt Johannes Gutmann.
Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft & Enkeltaugliches Österreich: Die Webseiten der Bündnisse informieren rund um Ackergifte und um das Engagement ihrer Mitglieder.
Der Pestizidatlas der Heinrich Böll Stiftung enthält Daten, Fakten und Analysen zu Giften in der Landwirtschaft.
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