- Bio setzt auf robuste Sorten statt Pflanzenschutzmittel
- Womit darf der Biolandbau spritzen?
- Kupfer: umstritten, aber unverzichtbar
- Wie Äpfel vor Schädlingen schützen?
- Bio Obst Münch: „Wir Obstbauern hängen vom Wetter ab“
- Obsthof Bentele: „Einen gewissen Schädlingsbefall nehmen wir in Kauf“
- Ohne Spritzen – geht das?
Knackig, saftig, fruchtig. Äpfel schmecken nicht nur uns Menschen. Auch die Raupen von Wicklern und Spannern nagen sich gern durch das Fruchtfleisch. Die Apfelblattlaus hingegen saugt lieber Pflanzensaft aus den Blättern. Pilze lassen sich ebenfalls gerne auf Äpfeln nieder. Der Schorf siedelt sich auf den Früchten an, der Mehltau bevorzugt die Blätter.
Das ist nur ein kleiner Auszug aus dem großen Katalog der Apfelschädlinge und -krankheiten. Dennoch liefern die Bio-Apfelerzeuger jedes Jahr reichlich Äpfel in die Läden, schön anzusehen, ohne Fraßstellen und braune Schorfflecken. Wie sie das machen, so ganz ohne synthetische Pestizide? Sie beugen aktiv Schädlingen und Krankheiten vor – und sie spritzen. Aber anders.
In 90 Prozent der konventionellen Äpfel finden sich Rückstände von Pestiziden, oft von mehreren gleichzeitig.
Eines vorab: Es gibt Bio-Äpfel, die auf Streuobstwiesen und in alten Apfelanlagen mit Hochstämmen, also hohen Apfelbäumen, wachsen. Der Aufwand hierbei ist hoch, weshalb meist ganz darauf verzichtet wird. Äpfel dieser Herkunft haben häufig Schorfflecken oder vernarbte Fraßstellen und gelegentlich eine Larve im Kerngehäuse. Die meisten Bio-Äpfel wachsen jedoch in Niederstammanlagen. Das sind Plantagen, bei denen auf einem Hektar bis zu 2.000 kleine Apfelbäume stehen. In Reih und Glied, damit sie der Obstbauer effektiv pflegen kann. Breiten sich auf solchen Plantagen Krankheiten oder Schädlinge aus, ist der wirtschaftliche Schaden enorm.
Konventionelle Obstbauern können sich mit zahlreichen synthetischen Pestiziden wappnen. Deshalb finden sich in 90 Prozent der konventionellen Äpfel Rückstände, oft von mehreren Pestiziden gleichzeitig. Meist sind es Fungizide, also Wirkstoffe gegen Pilzkrankheiten.
Gleiches gilt für andere Obstarten. Das bestätigt auch das Öko-Monitoring der baden-württembergischen Untersuchungsämter: Während Bio-Obst nur gelegentlich mit Spuren von Pestiziden verunreinigt ist, enthält konventionelles Obst bis zu 500-mal mehr Pestizide.
Bio setzt auf robuste Sorten statt Pflanzenschutzmittel
Die Wissenschaftlerin Jutta Kienzle berät im Rahmen der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau (FÖKO) Bio-Obstbauern beim Pflanzenschutz. „Der Schorf ist das große Problem“, sagt sie. Denn gegen die Pilzkrankheit kann der Obstbauer nur bedingt vorbeugen. Sie kommt mit dem Wetter. Nasse und gleichzeitig warme Perioden begünstigen das Wachstum des Pilzes. Das beste Rezept ist, Apfelsorten anzubauen, die unempfindlich gegen Schorf sind. Die bekannteste heißt Topaz. Doch haben schorfresistente Sorten andere Macken. Topaz ist anfällig für Regenfleckenkrankheit, Feuerbrand und Kragenfäule. Santana bekommt leicht Mehltau.
Bei der Vermarktung spielen auch Eigenschaften wie Geschmack oder Lagerfähigkeit eine Rolle. Aus all diesen Gründen haben schorfresistente Sorten bei den deutschen Bio-Äpfeln derzeit einen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent. „Die Bio-Erzeuger sind Pioniere in diesem Bereich“, sagt Jutta Kienzle. Doch um die notwendige Vielfalt neuer robuster Sorten zu züchten, braucht es Zeit und Geld. Derzeit pflanzen viele Verbands-Betriebe im Netzwerk des FÖKO eine neue niederländische Sorte an.
Natyra heißt sie. „Ein sehr fester Apfel mit frischem Geschmack, ähnlich wie Braeburn“, beschreibt Peter Rolker, Obstbauer im Alten Land, die Sorte. 2015 soll Natyra in den Handel kommen.
Womit darf der Biolandbau spritzen?
Um Schorf und andere Pilzkrankheiten zu bekämpfen, stehen den Bio-Apfelerzeugern nur drei Wirkstoffe zur Verfügung, die sie oft kombinieren oder im Wechsel einsetzen. Kupfer, Schwefel sowie Kalium-Bikarbonat, das ist schlicht Backpulver. „Anders als die synthetischen Fungizide, die in die Pflanze eindringen, bleiben diese drei Wirkstoffe an der Oberfläche und wirken nur dort“, erklärt Jutta Kienzle. „Es bleiben also keine Rückstände in der Frucht.“ Dafür werden sie vom Regen abgewaschen und von Sonnenstrahlen zersetzt. Deshalb muss der Bio-Obstbauer seine Bäume regelmäßig behandeln, um sie vor Pilzen zu schützen. Doch auch dann wirken die Präparate nicht hundertprozentig. Sie können den Befall nur mindern. Zum Anti-Schorfprogramm zählen deshalb auch das Mulchen im Spätherbst oder das Ausbringen eines Hefepräparats. Beides dient dazu, dass das abgefallene Laub und mit ihm die Pilzsporen des Schorfs schnell zersetzt werden.
Kupfer: umstritten, aber unverzichtbar
Kupfer ist ein essenzielles Spurenelement und wirkt erst in höheren Dosierungen giftig. Aus der konventionellen Landwirtschaft, wo Kupfer früher in Mengen von 35 bis 40 Kilogramm je Hektar eingesetzt wurde, ist bekannt, dass sich das Schwermetall im Boden anreichert und sich negativ auf das Bodenleben, insbesondere auf Regenwürmer, auswirken kann.
Deshalb war der Einsatz von Kupfer für Öko-Bauern immer streng limitiert. Inzwischen gilt der einst von Bio-Verbänden eingeführte Grenzwert von drei Kilogramm je Hektar in Deutschland ebenso für konventionelle Obstbauern. Denn auch sie greifen hin und wieder zu Kupfer, wenn synthetische Fungizide versagen oder um Resistenzen vorzubeugen. „Die Bio-Erzeuger im FÖKO-Netzwerk lagen in den letzten Jahren deutlich unter dem Drei-Kilo-Wert“, sagt Jutta Kienzle. „Doch ganz ohne Kupfer wird der Bio-Obstanbau in absehbarer Zeit noch nicht funktionieren.“ In Kooperation mit dem bundeseigenen Julius-Kühn-Institut hat die FÖKO in den letzten Jahren auf zahlreichen Bio-Obstplantagen die Böden untersucht. „Abgesehen von konventionellen Altlasten haben wir nirgends problematische Kupferkonzentrationen festgestellt.“ Doch weil sich auch geringe Kupferkonzentrationen über Jahrzehnte hinweg anreichern, forschen Bio-Verbände und Institute weiter nach umweltverträglichen Alternativen.
Eine weitere Krankheit, die Apfelbauern bedroht, ist der Feuerbrand, ausgelöst durch ein Bakterium, das die Blüten infiziert. Konventionelle Bauern verabreichen ihren Bäumen ein Breitband-Antibiotikum. Bio-Erzeuger verwenden ein harmloses Hefepräparat. Es nimmt den zuckerliebenden Bakterien den Platz in der Blüte weg.
Wie Äpfel vor Schädlingen schützen?
Auch gegen Schädlinge wie Läuse oder den Apfelwickler können Bio-Obstbauern ihre Früchte nur mit wenigen Wirkstoffen auf natürlicher Basis schützen. Einige von ihnen dürfen auch Hobbygärtner verwenden. Etwa Extrakte aus den Kernen des indischen Neem-Baumes. Sie wirken gezielt gegen Läuse und andere saugende Insekten, während sie Nützlinge kaum beeinträchtigen. Gegen den Apfelwickler und seine Raupen hilft eine Kombination: In die Bäume hängt der Landwirt Wirkstoffspender, die Lockstoffe der weiblichen Schmetterlinge ausstoßen. Das verwirrt die Männchen so sehr, dass sie vor lauter Duft nicht mehr zu den Weibchen finden. Hinzu kommt ein Spritzmittel, das aus Granuloseviren besteht. Dieser Erreger greift gezielt nur diese Nachtfalterart an und schädigt keine anderen Insekten.
Seltener setzen Obstbauern das Bakterium Bacillus Thuringiensis ein. Diese Bodenbakterien wirken spezifisch gegen Schmetterlinge. Zugelassene Mittel gegen Milben und Läuse sind auch Rapsöl und Schmierseife. Sorgen macht den Erzeugern die Apfelsägewespe. Gegen sie hilft ein Extrakt aus Quassiaholz. Derzeit arbeiten die Bio-Obstbauern daran, diesen Naturstoff im Rahmen des neuen Pflanzenschutzrechts zu erhalten.
Gespritzt wird bei akutem Befall. Damit es gar nicht so weit kommt, setzen Bio-Bauern vor allem auf ein funktionierendes Öko-System. Mit Blühstreifen, Hecken und Nisthilfen fördern sie die Artenvielfalt und damit die natürlichen Feinde der Schädlinge. Jutta Kienzle sagt es so: „Spritzen ist nicht alles.“
Bio Obst Münch: „Wir Obstbauern hängen vom Wetter ab“
Der 95 Hektar große Bioland-Obsthof von Claus-Peter Münch liegt an der Niederelbe im Alten Land. „1982 haben wir stolz unser erstes Bio-Obst geerntet“, erzählt Münch. Das „Familienheiligtum“ ist eine 1933 gepflanzte Boskop-Anlage.
„Fruchtbarer Boden, Gründüngung und robuste Sorten, das macht 80 Prozent des Erfolgs aus“, sagt Münch. Vorausgesetzt das Wetter stimmt. Das nasskalte Frühjahr 2013 etwa hat ihm massive Einbußen beschert. Reichlich Blüten am Baum, aber weder Wind noch Bienen, um sie zu bestäuben. „Wir Obstbauern hängen wie kein anderer vom Wetter ab.“ Deswegen setzt er auf Sorten, die an das norddeutsche Klima gewöhnt sind. Auf dem 95 Hektar großen Hof stehen etwa 180 000 Bio-Apfelbäume. „Und jeder bekommt mehrfach manuelle Zuwendung.“
Fünfmal im Jahr kontrollieren Claus-Peter Münch und sein Team die Bäume auf Krankheiten. Hinzu kommen Schädlingskontrollen. „Ich untersuche jedes Frühjahr 2000 bis 4000 Blüten auf Einstichstellen der Sägewespe.“ 400 Arbeitsstunden pro Hektar kommen so zusammen, Ernte mit eingerechnet. Rund 15 Prozent der Fläche sind Gräben, Hecken und eigens angelegte Blühstreifen. „Die Vielfalt an Pflanzen und Insekten, die dort leben, ist wichtig für das ökologische Gleichgewicht. Gegen die nordische Apfelwanze etwa gibt es kein adäquates Bio-Mittel, da sind wir auf Nützlinge angewiesen.“
Obsthof Bentele: „Einen gewissen Schädlingsbefall nehmen wir in Kauf“
Martin Bentele hat den Hof in Tettnang 1988 übernommen und „in jugendlichem Leichtsinn“ auf Demeter-Anbau umgestellt. „Zum Glück hat es geklappt. Mit fünf Hektar könnte ich als konventioneller Betrieb nicht existieren.“
„Das wichtigste ist ein gesunder Boden“, sagt Bentele. Mechanisch und per Hand hackt er das Unkraut zwischen den Bäumen und lässt es als Gründüngung liegen. „Zusätzlich setzen wir noch etwas pflanzlichen Dünger wie Malztreber oder Erbsenschrot ein, um die Nährstoffe zu ersetzen, die mit den Äpfeln den Betrieb verlassen.“ Rund 10 Sorten wachsen auf seinen 15.000 Apfelbäumen. Einige sind unempfindlich gegen Schorf, aber längst nicht alle. „Die Sorten müssen nacheinander reifen und für manche Erntezeiten gibt es keine schorfresistenten Sorten.“
Auch seien die Verbraucher bestimmte Sorten gewohnt und fragen sie nach. Also spritzt er im Frühjahr zwei- bis dreimal Kupfer und bemüht sich, weniger als zwei Kilogramm pro Hektar auszubringen. Rund 500 Meter Hecken ziehen sich durch den Hof der Benteles, als Refugium für Vögel und Insekten. Sie sollen die Schädlinge in Schach halten. „Die wenigen erlaubten Mittel helfen nicht zu hundert Prozent. Einen gewissen Schädlingsbefall nehmen wir in Kauf.“ Gegen die Blutlaus gibt es gar kein zugelassenes Mittel. „Da hilft nur, die befallenen Bäume mit Wasser und Druck abzuspritzen.“
Ohne Spritzen – geht das?
Lässt sich Bio-Obst ohne Pflanzenbehandlung anbauen – und wenn ja, wie? Diesen Fragen gehen Wissenschaftler seit 2006 in der Schweiz nach.
„In puncto Insektenregulierung hat sich das Konzept gut bewährt“, bilanziert Franco Weibel vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL). Mit Hecken aus ausgesuchten Büschen, Magerrasen am Rande der Anlage und Blühstreifen zwischen den Bäumen haben die Forscher beim Anlegen der Versuchsplantage gezielt ein Paradies für Nützlinge geschaffen. „Obwohl die mehlige Apfelblattlaus im Frühjahr mehrfach über der Schwelle lag, ab der normalerweise ein Bioinsektizid eingesetzt wird, konnten die Nützlinge die Läuse zuverlässig eindämmen und wirtschaftliche Schäden verhindern.“ Auch ist die Vielfalt an Pflanzen und Tieren deutlich größer als in einer herkömmlichen Bio-Anlage. „Zwischen unseren Apfelbäumen jagen sogar zwei Fledermauskolonien“, freut sich Weibel.
Zu schaffen machen den Forschern die Pflanzenkrankheiten. Zwar hatten sie die schorfresistenten Arten Topaz und Ariwa gepflanzt. Doch diese sind anfällig für die Regenfleckenkrankheit, bei der schwarze Flecken die Äpfel unansehlich und damit unverkäuflich machen. „Der Wermutstropfen ist die Quote an Tafelware, also an Äpfeln für den Verkauf. Normal sind 80 Prozent, wir kamen auf 50 bis 65 Prozent“, berichtet Weibel. In der Praxis würde das die Wirtschaftlichkeit deutlich beeinträchtigen.
Und es kam noch schlimmer: Durch den Verzicht auf Kupfer und Schwefel entwickelte sich eine aggressive Schorfart, die sich im letzten Jahr auf den Äpfeln niederließ. Die Resistenz war durchbrochen. Es genügte nicht, befallenes Material und Laub wegzubringen. Die FiBL-Forscher mussten spritzen, um ihre Anlage zu retten. „Um die Schorfrobustheit längerfristig zu erhalten, müssen auch robuste Sorten im Frühjahr behandelt werden“, lautet Weibels Bilanz.
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