Ende 2023 hat die EU-Kommission die Glyphosat-Zulassung im Alleingang um zehn Jahre verlängert, nachdem bei einer Abstimmung der Mitgliedstaaten keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen eine Verlängerung zustande kam. Für eine qualifizierte Mehrheit hätten 55 Prozent der EU-Staaten für oder gegen eine Verlängerung stimmen müssen, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten, da es innerhalb der Bundesregierung keine Einigung gab.
Eigentlich wäre Glyphosat in Deutschland ab 1. Januar 2024 verboten gewesen. Doch durch die Verlängerung der Zulassung auf EU-Ebene war ein nationales Verbot rechtlich nicht mehr möglich und wurde deshalb geändert. Hierzulande gilt nun: Glyphosat darf weiterhin in Deutschland eingesetzt werden. Die bereits bestehenden Einschränken gelten aber weiterhin. So ist der Einsatz von Glyphosat unter anderem in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten sowie in Haus- und Kleingärten sowie zur Nachbehandlung der Ernte verboten.
Reaktionen auf die Glyphosat-Abstimmung auf EU-Ebene
Reaktionen aus der Bio-Branche:
„Mit der heutigen Enthaltung hat die deutsche Bundesregierung die Riesenchance vergeben, Glyphosat endlich vom Acker zu bekommen“, erklärte Boris Frank, erster Vorsitzender vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL). „Dabei verspricht dieselbe Regierung, dass Produkte aus Ökolandbau – bei denen die Anwendung von Glyphosat nicht erlaubt ist – bis zum Jahr 2030 einen Marktanteil von 30 Prozent erreichen sollen.“
„Das Ergebnis ist ein Armutszeugnis politischer Verantwortung und weder verantwortungsvoll noch nachvollziehbar“, kommentierte Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im EU-Parlament das Ergebnis. „Die Mitgliedsländer haben das Ruder aus der Hand gegeben und überlassen nun der Kommission die Entscheidung.“
Naturland-Präsident Hubert Heigl zeigte sich sehr enttäuscht, auch weil Deutschland sich auf Druck der FDP erneut nur enthalten habe. „Mit der nun angekündigten Verlängerung der Genehmigung konterkariert die EU-Kommission ihre eigenen Ziele aus der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie. Denn Glyphosat schadet der Artenvielfalt ganz massiv und steht darüber hinaus unter Verdacht, krebserregend zu sein“, so Heigl. Gute Landwirtschaft brauche kein Glyphosat und auch keine anderen Totalherbizide. Das bewiesen zehntausende Bio-Betriebe Tag für Tag.
Umweltverbände klagen gegen Glyphosat-Verlängerung
Viele Umweltverbände kritisierten die erneute Zulassung und haben rechtliche Schritte dagegen eingeleitet. Das Verbot verstoße gegen das europäische Vorsorgeprinzip, gehe am aktuellen Stand der Wissenschaft vorbei und berücksichtige einseitig die von der Pestizidindustrie selbst in Auftrag gegebenen Studien, schreibt das Umweltinstitut München.
Angeliki Lyssimachou, Leiterin der Abteilung Wissenschaft und Politik bei PAN Europe, sagte: „Zahlreiche Beweise zeigen eindeutig, dass Glyphosat-Pestizide Mensch und Umwelt schädigen können, was ihr Verbot nach EU-Recht rechtfertigt."
„Unter Missachtung ihrer eigenen Richtlinien und Vorgaben haben die EU-Behörden die Beweise für die krebserregende Wirkung von Glyphosat verzerrt, um zu dem falschen Schluss zu kommen, der Wirkstoff sei nicht krebserregend,“ warf Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany den für die Bewertung zuständigen Behörden – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und Europäische Chemikalienagentur (ECHA) – vor.
Pauline Cervan, Toxikologin bei Générations Futures, sagte: „Die Behörden haben systematisch alle Daten aus der unabhängigen wissenschaftlichen Literatur verworfen und ihre Bewertung ausschließlich auf die von den Herstellern gelieferten Daten gestützt. Darüber hinaus scheinen einige wichtige Studien für verschiedene Bereiche der Bewertung noch zu fehlen, was die Kommission hätte veranlassen müssen, das Dossier wegen Unvollständigkeit nicht zu akzeptieren.“
Hintergrund des umstrittenen Herbizids
Protestmail schreiben: Pestizide reduzieren!
Von der Webseite des Bündnisses der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ aus könnt ihr ganz einfach direkt den EU-Abgeordneten aus Deutschland schreiben. Es gibt auch schon einen Textbaustein, in dem die Reduktion von Pestiziden im Allgemeinen gefordert wird. Ihr könnt den Text gerne umschreiben oder ergänzen. Und natürlich könnt ihr auch eine eigene Forderung verfassen.
Keine Pestizide in Schutzgebieten!
Auch in Schutzgebieten sind Tiere und Pflanzen nicht generell vor giftigen Pestiziden sicher. Dass muss sich dringend ändern!, fordert das Umweltinstitut München und hat eine Mitmach-Aktion gestartet.
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