Worüber wir plaudern, bevor das eigentliche Interview beginnt? – Über das Wetter natürlich! Sven Plöger sitzt in einem Studio des Hessischen Rundfunks und erzählt begeistert, wie das Wetter bei mir in Dresden gerade ist. Er hat mit allem Recht – seit Stunden donnert und blitzt es, kein Regen. Im Interview erklärt er, was solche Standgewitter mit dem Klimawandel zu tun haben.
Herr Plöger, Sie sind Deutschlands bekanntester Wettermoderator. Sagen Sie noch gerne Sonne an?
Ja, aber ich sage oft dazu, dass Sonnenwetter nicht gleich schönes Wetter bedeutet. Die meisten Menschen haben spätestens durch die Dürren in 2018 und 2019 gemerkt, dass es viel zu trocken ist – was sich an dem Waldsterben von Buchen und Fichten leider gut beobachten lässt. Die Leute wissen, dass es Regen braucht.
Hat der Klimawandel das Berufsbild des Meteorologen verändert?
In meinen Sendungen konzentriere ich mich immer noch ausschließlich auf das Wetter. Wenn ich nur zwei Minuten Zeit habe, kann ich keine langen Klimaausflüge machen. Darüber rede ich dann in Dokumentationen und Vorträgen oder schreibe wie jetzt ein Buch. Trotzdem ist die Veränderung in den Wetterberichten natürlich spürbar – und das beeinflusst den Berufsstand.
Zur Person Sven Plöger
Wenn man wie Sven Plöger schon früh die Wolken, das Fliegen und Physik liebte, ist der Weg als Meteorologe vorgezeichnet. Den 53-jährigen Plöger kennen die meisten als TV-Moderator zahlreicher Wettersendungen, unter anderem vom „Wetter vor acht“ und dem Wetter in den Tagesthemen. Doch der Rheinländer macht nicht nur Vorhersagen, er mischt sich auch ein. Mit Dokumentarfilmen und Vorträgen informiert er über den Klimawandel, analysiert und rüttelt auf. Sein aktuelles Buch heißt daher „Zieht euch warm an, es wird heiß!“. Für sein Engagement ist Plöger mit dem NatureLife-Umweltpreis 2020 ausgezeichnet worden.
Was hat sich denn verändert?
Es gibt viel mehr Standwetterlagen, also Hochs, die lange bleiben und für Hitze und Dürre sorgen, Tiefs die aus dem gleichen Grund Überschwemmungen bringen oder Gewitter, die sich nicht bewegen und ihre ganze Fracht in Form extremen Starkregens an derselben Stelle abladen, während es unmittelbar daneben trocken bleibt. Das schärft bei vielen Menschen das Bewusstsein für das Klimathema.
Wann haben Sie zum ersten Mal verstanden, wie ernst es mit dem Klimawandel ist?
Vor rund 20 Jahren: Sturm Lothar, am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999. Den habe ich hautnah erlebt. Wir hatten Freunde zu Besuch – damals lebte ich in einem Holzhaus auf 1150 Metern Höhe. Irgendwann fing das Haus im Sturm an zu ächzen.
Sind Sie in den Keller geflüchtet?
Das Haus hatte keinen. In so einem Fall muss man in den kleinsten Raum, das ist meist der stabilste. In unserem Fall war es das Gäste-WC. Da saßen wir also, vier erwachsene Menschen, und warteten. Die Spitzenböe kam mit 179 km/h. Ein gutes Drittel des Waldes auf dem Berg ist einfach so umgefallen. Seitdem beschäftige ich mich intensiv mit dem Klimawandel.
Sie treffen bestimmt oft auf Menschen, die den Klimawandel leugnen.
Eine meiner frühesten Erinnerungen ist eine Talk-Sendung, in der ich vor etwa 15 Jahren war. Im Anschluss wurde ich von Klimaleugnern förmlich angesprungen. Ich wusste erst gar nicht, wie mir geschah und habe mich dann intensiv mit ihren „Argumenten“ beschäftigt, um deren Perspektive zu verstehen.
Wie begegnen Sie ihnen heute?
Über ein Jahrzehnt habe ich große Bereitschaft gezeigt, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Inzwischen habe ich meine Meinung geändert, weil ich gemerkt habe, dass es nie ein inhaltliches Ergebnis gibt, sondern sich nur die Anzahl der persönlichen Beleidigungen erhöht – besonders im Internet.
Sie bezeichnen Corona als kleinen Bruder des Klimawandels. Warum?
Corona ist eine konkrete Bedrohung. Sie kann jeden treffen, mich, unsere Eltern und Freunde. Bei Corona wurden sehr schnell drastische Maßnahmen durchgeführt. Da, wo vernünftig auf die Wissenschaft gehört wurde, lief es relativ gut. Das ist eine Blaupause für unseren Umgang mit dem Klimathema.
Dagegen ist der Klimawandel für viele nicht greifbar.
Ja, er ist wie ein Asteroideneinschlag in Super-Zeitlupe. Das ist auch der Nachteil. Denn wir haben unglaublich viel Zeit. Was passiert, wenn wir zu viel Zeit haben? Wir schieben das Problem auf.
...aber wir spüren doch bereits, dass das Wetter sich verändert.
Der Druck wird steigen. Die Atmosphäre weckt uns gerade. Wenn wir weiter schlafen wollen, wird sie sich immer neue Sachen ausdenken, um uns wach zu machen.
Sie fordern eine Transformation, um das Klima zu retten. Was soll sich verändern?
Wir brauchen eine Transformation in unseren Köpfen und im Finanziellen. Jeden Tag zirkulieren unfassbar hohe Summen Geld über unseren Planeten. Wir brauchen Regeln, um diese Gelder so zu kanalisieren, dass Nützliches herauskommt. Jemand, der die Umwelt extrem verschmutzt, darf damit nicht reich werden. Von mir aus aber jemand, der sie sauber hält. Wir brauchen eine technische Transformation – mehr Erneuerbare Energien und Flugzeuge, die mit alternativen Treibstoffen fliegen.
Angst ist keine Lösung. Es wird trotzdem so passieren. Die Physik interessiert sich nicht für uns.
Haben Sie in Ihrem Leben etwas verändert, um nachhaltiger zu leben?
Eine ganze Menge. Ich mache keine Inlandsflüge mehr und benutze das Auto immer seltener. Dafür fahre ich fast täglich Bahn. Im Zug kann ich arbeiten, lesen, aber auch mal aus dem Fenster gucken und dösen. Außerdem habe ich mein Haus umgebaut. Es hat Solarzellen auf dem Dach, eine Wärmepumpe und eine Infrarotheizung. Seit 2013 habe ich damit 37 Megawattstunden Strom produziert. Das ist mehr Energie als ich brauche.
Wie sieht Ihre Wettervorhersage für das Jahr 2050 aus?
Das ist abhängig davon, ob wir uns endlich durchringen können zu handeln. Gelingt uns das nicht, wird man nur noch sehr wenig Freude mit dem Wettergeschehen haben. Alles, was wir heute schon beklagen, würde dann extremer werden. Und die Eisschmelze lässt den Meeresspiegel ansteigen.
Verstehen Sie Menschen, die aus Angst den Kopf in den Sand stecken?
Natürlich verstehe ich das. Aber Angst ist keine Lösung. Es wird trotzdem so passieren. Die Physik interessiert sich nicht für uns. Wir müssen beim Thema Klimawandel die Leute sachlich informieren, ohne sie zu verängstigen. Von übertrieben dramatisierenden Bildern haben wir nichts. Wir brauchen eine gesunde Übersetzung und Mut zum Handeln, der weit über das hinausgeht, was gerade passiert.
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