Umwelt

Stefanie Arndt: „Schnee erzählt, was er erlebt hat“

Die Meereis-Forscherin Stefanie Arndt über Schnee, Erdbeeren im Winter und ihren Alltag an Bord der „Polarstern“ in der Antarktis. 

Von November bis März ist Stefanie Arndt auf Expedition in der Antarktis. Diesmal auf der Forschungsstation Neumayer-Station III, 14.000 Kilometer von zuhause entfernt, nur umgeben von Schnee, Eis und Pinguinen. Besonders freut sich Arndt auf „Camping im Eis“. So nennt sie es, wenn sie und ihre Kollegen im Zelt auf dem Eis schlafen.

Frau Arndt, Sie bezeichnen sich selbst als polarinfiziert. Warum?

Bevor ich das erste Mal auf Expedition war, bin ich noch nie so weite Strecken mit dem Schiff gefahren und war auch noch nie so lange alleine von zuhause weg. Und dann fährt man los. Irgendwann gibt es nur noch Ozean um dich, dann kommen die ersten Eisberge und das Meer friert zu. Es ist faszinierend, auf einer Eisscholle zu sitzen, umgeben von reiner, unberührter Natur. Kein Haus, kein Geräusch, kein Nichts.

Über Stefanie Arndt

Die 34-jährige Meereis-Physikerin und Meteorologin Dr. Stefanie Arndt forscht am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven zu Schnee auf antarktischem Meereis. Mehrere Monate im Jahr ist sie mit dem Expeditionsschiff „Polarstern“ unterwegs in die Polarregionen. Einem breiteren Publikum bekannt geworden ist sie 2020 als Berichterstatterin der Mosaic-Expedition des Bundesforschungsministeriums. Kürzlich ist ihr Buch „Expeditionen in eine schwindende Welt – Wie das Abschmelzen der Polkappen unseren Planeten für immer verändern wird“ im Rowohlt-Verlag erschienen.

Warum forschen Sie ausgerechnet zu Schnee?

Schnee trennt Atmosphäre und Meer voneinander. Schnee bekommt immer als Erstes mit, wenn sich in der Luft oder im Wasser etwas ändert. Ich untersuche Schnee vor allem physikalisch, schaue mir die Kristalle an, messe Temperatur, Feuchtigkeit, Härte und nehme Proben für chemische Analysen. Das alles zeigt mir, was der Schnee im vergangenen Jahr erlebt hat.

Was erlebt der Schnee denn so?

Zum Beispiel können wir mittlerweile Ruß nachweisen. Stellen Sie sich das mal vor: Sie sitzen in der Antarktis und sind eigentlich weit weg von der Zivilisation. Trotzdem kommt alles, was wir in die Atmosphäre pusten oder ins Meer kippen, in den Polarregionen an.

Sie nennen Faktoren, die das Meereis zum Schmelzen bringen. Welche sind das?

Die bekanntesten CO2-Quellen sind ja Autofahren und Fliegen. Man darf aber nicht vergessen, wie energieintensiv selbst unser Videocall hier ist. Damit das funktioniert, steht irgendwo ein Server, der viel Energie braucht und gekühlt werden muss. Jedes Foto, das wir per Smartphone verschicken, verursacht eine Menge Kohlendioxid.

Sie vergleichen den Klimawandel mit dem Katastrophenfilm „The Day after Tomorrow“. Wie realistisch ist das Szenario?

Im Film bricht ja von heute auf morgen der Golfstrom zusammen und in der Folge vereist der Planet. Zwar geht das nicht ganz so schnell. Aber wahr ist, dass in der Atmosphäre und in den Ozeanen Ströme miteinander verbunden sind. Der Motor, der diese Strömungen in Gang hält, sind Temperaturdifferenzen in Luft und Wasser sowie Unterschiede im Salzgehalt des Ozeans. Strömung entsteht, indem die Differenzen sich ausgleichen.

Was bedeutet das für das Klima?

Wird es in der Arktis wärmer, kommt dieser Motor ins Stottern. Der Golfstrom kommt von den Tropen bei uns in Europa vorbei und zieht gen Norden. Wird er langsamer, wird es bei uns kälter. Nicht auf Knopfdruck wie im Film, der Ozean ist träge. Aber es passiert. Wir beobachten, dass der Golfstrom langsamer wird.

Der vergangene Sommer war in Europa voller Dürren. Was hat das mit den Polarregionen zu tun?

Zwischen der kalten Arktis und den warmen Tropen strömt ein Windband, das die kalten von den warmen Luftmassen trennt. Wird die Arktis wärmer, verringert sich der Temperaturunterschied. Das verlangsamt die Strömung. Wetterlagen bleiben praktisch stehen. Es regnet dann viel zu lange oder ist dauerhaft zu heiß und trocken.

Können wir etwas gegen diesen Prozess tun?

Es gibt keinen Staubsauger, der CO2 aus der Atmosphäre holt. Wir sollten nicht noch mehr hineinbringen. Das könnte den Anstieg des Meeresspiegels verlangsamen.

„Nicht vergessen: Wir brauchen den Planeten – er braucht uns nicht!“

Laut Weltklimabericht wird es in der Arktis mindestens ein Jahr lang kein Meereis geben.

Ja, weil das Meer zu warm ist, als dass sich neues Eis auf dem Wasser bilden könnte. Die Frage ist doch, wie oft wir uns noch solche Phänomene wie Kein-Meereis, Meeresspiegelanstieg, Dürren und Starkregen leisten wollen. Soll das ein Dauerzustand werden? Nicht vergessen: Wir brauchen den Planeten – er braucht uns nicht!

Was fordern Sie von der Politik?

Ich wünsche mir, dass man endlich anpackt. Wissen ist genug da!

Haben Sie Konsequenzen für Ihr persönliches Verhalten gezogen?

Erdbeeren im Winter oder Fleisch sind ein Luxus und nichts, was ich brauche. Wenn ich zuhause bin, versuche ich, regional und saisonal zu essen.

Wie ernähren Sie sich, wenn Sie monatelang auf Expedition sind?

Es gibt eben nur, was da ist. Sich darauf zu beschränken, ist kein Problem. Das Leben auf dem Schiff ist durch feste Essenszeiten strukturiert. Alle versuchen, ihre Arbeit um die Mahlzeiten herum zu stricken. Besonders im Winter, wenn es den ganzen Tag dunkel ist und man eigentlich nur schlafen will, ist so eine feste Struktur sehr wichtig.

Wie schaffen es die vielen Forschenden auf dem Schiff miteinander auszukommen?

Es sind jedes Mal etwa 100 Menschen aus der ganzen Welt, die an Bord der Polarstern leben und arbeiten. Was uns alle antreibt, ist das gemeinsame Ziel. Wir haben vor Ort Messungen zu machen und wollen Forschungsfragen gemeinsam beantworten. Dabei ist es egal, wo jemand herkommt, welche Religion, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe jemand hat. Dafür schätze ich diese Fahrten sehr.

Was können wir von der Gemeinschaft auf der Polarstern lernen?

Ich frage mich oft: Wenn wir es doch schaffen in der Polarforschung, wieso funktioniert es nicht in der Klimapolitik? Wieso kann man nicht an einem Strang ziehen, um den Planeten zu retten?

Sie wirken trotzdem positiv und motiviert. Was lässt Sie hoffen?

Das wachsende öffentliche Interesse an Polarforschung. Nach meinen Vorträgen kommen immer mehr Menschen auf mich zu. Dann merke ich, wofür ich arbeite. Das treibt mich an.<

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