Interview

Vom Investmentbanker zum Bio-Landwirt: Benedikt Bösel

Im Interview erzählt Benedikt Bösel, wie er mit innovativer Landwirtschaft das Klima schützen will – und warum er der Finanzbranche den Rücken gekehrt hat.

Der Familienbetrieb Gut&Bösel liegt mitten in Brandenburg, an einem der trockensten Orte Deutschlands. Dort macht Benedikt Bösel seinen Acker zum Forschungslabor. Wie der Öko-Landwirt damit den Boden und das Klima retten will, das verrät er uns im Gespräch.

Du hast zehn Jahre in der Finanzbranche gearbeitet. Was bietet dir dein neuer Beruf als Landwirt?
Ich bin auf dem Hof groß geworden, von daher fühlt sich Landwirt sein gar nicht als „neuer Beruf“ an. Ich war eher ein Fremdling in der Finanzbranche. Ende 2016 bin ich dann in meine Heimat zurückgekehrt, um den Hof meiner Eltern zu übernehmen. Damals konnte ich noch nicht erahnen, dass ich damit meine Berufung finden würde.

Aus der Finanzbranche hast du damals die Idee Smart Farming mitgebracht. Was bedeutet das?
Unser Standort in Brandenburg ist dominiert durch sehr sandige Böden und extrem wenig Niederschlag. Damals hatte ich die Überzeugung, dass die technologische Innovation das ist, was uns in der Landwirtschaft helfen wird. Zum Beispiel autonom fahrende Maschinen, Roboter oder auch Drohnen, die über den Feldern wachen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das für uns nicht funktioniert.

Wieso hat es nicht funktioniert?
An einem heißen Tag im Frühjahr 2018 stand ich auf dem Acker und alles um mich herum war braun. Kein Insekt war zu sehen, die Pflanzen hingen trocken zu Boden und als ich auf die Erde trat, wirbelte Staub auf. In diesem Moment wurde mir klar, dass die Technologie allein nicht die Lösung ist. Ich verstand, dass ich meine Aufmerksamkeit auf die Gesundheit des Bodens und des Ökosystems lenken muss, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein.

Zur Person

Benedikt Bösel ist 38 Jahre alt und hat Business Finance in Großbritannien sowie Agrarökonomie in Berlin studiert. Nach dem Studium arbeitete er zunächst in der Finanzbranche, um 2016 schließlich den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb in Alt Madlitz in Brandenburg zu übernehmen. Bösel wurde 2022 beim Ceres Award zum Landwirt des Jahres gekürt. Ausgezeichnet wurde er für sein innovatives Betriebskonzept, bei dem multifunktionale Landnutzung und Bodengesundheit im Mittelpunkt stehen. Im Frühjahr 2023 veröffentlichte er sein erstes Buch mit dem Titel „Rebellen der Erde“ beim Scorpio-Verlag.

Gut&Bösel

Du hast dich nach langer Recherche für biologische und regenerative Landwirtschaft entschieden. Was ist damit gemeint?
Landwirtschaft muss immer auch Naturschutz sein. Unser Anspruch ist, dass wir über die Landnutzung den Boden und die Biodiversität aufbauen, Nährstoffkreisläufe regional schließen, Tiere wie Mitgeschöpfe behandeln und Landwirt:innen gut davon leben können. Regenerative Landwirtschaft hat das Potenzial, Naturschutz mit der Produktion von nährstoffreichen Lebensmitteln zu verbinden. Das Klima wird zunehmend trockener sowie unvorhersehbarer. Und das Einzige, was damit zurechtkommt, ist ein gesundes, diverses Ökosystem.

Wie setzt du das konkret um?
Wir führen getrennte Ökosysteme wieder zusammen, sodass sich Pflanzen und Tiere gegenseitig stärken können. Dabei kombinieren wir unterschiedliche Methoden wie Kompostierung, ganzheitliches Weidemanagement und syntropischen Agroforst.

Was ist syntropischer Agroforst?
Syntropisch bedeutet, dass etwas gemeinsam funktioniert. Bezogen auf die Landwirtschaft bedeutet es, dass wir Forst, Ackerbau und Viehzucht auf der gleichen Fläche zusammenbringen und die vielfältigen Wechselbeziehungen nutzen. Wir kombinieren unterschiedliche Obstbäume, Beerensträucher und Krautpflanzen auf dem Getreidefeld und lassen dazwischen Rinder grasen. So entstehen intakte Ökosysteme, die autark produzieren können. Wir brauchen dabei weder Bewässerung noch Dünger. Nebenbei erreichen wir Erosionsschutz, bauen den Humus im Boden auf und steigern die Biodiversität.

Wie rentiert sich das?
Obwohl die Nutzfläche für Getreide kleiner ist, können wir den landwirtschaftlichen Ertrag halten und manchmal sogar erhöhen, weil Agroforst den Acker resistent macht gegen Extremwetterlagen. Neben der Getreidewirtschaft verkaufen wir auch unser Holz aus dem Forst und vermarkten unsere Rinder, die das ganze Jahr draußen sind. Sie bekommen täglich eine neue frische Weide, verbringen ihr ganzes Leben in der Herde und sehen durch den Weideschuss nie einen Transporter.

„Wir sind wie eine Art Reallabor“

Benedikt Bösel

Bei Gut & Bösel wird auch geforscht. Was passiert da?
Wir sind wie eine Art Reallabor, in der Landwirtschaft aber auch in der Forstwirtschaft. Zum Beispiel bei der Frage des Waldumbaus: Wir wollen herausfinden, wie der Wald widerstandsfähiger gegen Extremwetterlagen wird. Dabei arbeiten wir mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, dem Julius Kühn-Institut sowie mit unserem Mentor Ernst Götsch zusammen. Die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit eines gesunden Waldes, wächst mit der Artenvielfalt. Deshalb wollen wir in unserem Forst die Kiefernmonokultur umbauen und pflanzen mit verschiedenen Methoden über 30 neue Baum- und 30 Strauchsorten. Deren Wachstum und Auswirkung auf Boden, Biodiversität, Wasseraufnahme und -speicherung beobachten wir.

Gibt es dazu schon erste Forschungsergebnisse?
Auf einer der Parzellen wollte Ernst Götsch unbedingt mit einem Kahlschlag arbeiten, davon waren aber unsere Kollegen aus der Wissenschaft erst mal gar nicht überzeugt, dennoch setzten wir es dann um. Heute sieht es so aus, dass die neu gepflanzten Sorten auf der Kahlschlag-Fläche um ein Vielfaches schneller und in größerer Zahl wachsen. Götsch erklärt das damit, dass die älteren Kiefern das Wachstum der jüngeren Bäume und Sträuche unterbinden.

Was erforscht ihr noch?
Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass die Bäume, die wir 2019 als ältere Bäume aus der Baumschule eingekauft und gepflanzt haben, überhaupt keine Chance gegen die Trockenheit haben. Heute pflanzen wir unsere neuen Agroforstsysteme ausschließlich mit Samen. Die Bäume, die so entstehen, sind perfekt für die Region und das Klima vorbereitet. Als es im letzten Sommer monatelang nicht geregnet hat und die Bodentemperatur teilweise auf bis zu 75 Grad stieg, waren sie auch ohne Bewässerung quietschfidel.

Was kann man im eigenen Garten für einen gesunden Boden tun?
Mulchen!
Wenn man gerupftes Unkraut oder abgeschnittene Blätter auf die Erde legt, bietet das Schutz vor Hitze und führt dem Boden Nährstoffe zu.

Tipp der Redaktion:
Benedikt Bösel ist ab sofort in der neuen Serie FARM REBELLION auf Disney+ zu sehen. Hier könnt ihr euch Gut&Bösel ansehen und einen Einblick in Benedikt Bösels Arbeit gewinnen. Die Serie dreht sich rund um Regenerative Landwirtschaft und den Klimaschutz. Hier geht´s zum offiziellen Trailer.

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Kommentare

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peter grötzner

der weideschuß bei 75° hat auch den vorteil von dann schon fast fertiggegartem fleisch.(wenn es ne´weile liegengelassen wird).
Zum glück bin ich veggie.
peter

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Evelyn Lüders

Zu meinem vorherigen Kommentar ein Anhang von Peta:
https://www.peta.de/themen/weideschlachtung/

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Evelyn Lüders

Da ich vegan lebe, bereitet mir der Weideschuss trotz allem Bauchschmerzen. Er wird ja inmitten der anderen Rinder ausgeführt, die sicherlich instinktiv den Tod mitbekommen. Besser vegan leben, und die Tiere aller Art als Seelenverwandte an unserer Seite anerkennen.

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