Umwelt

Hightech auf dem Acker

SMART-FRAMING GPS-gesteuerte Landmaschinen, Drohnen und Cloud revolutionieren die Landwirtschaft. Was bedeutet das für Mensch und Biene?

SMART-FARMING GPS-gesteuerte Landmaschinen, Drohnen und Cloud revolutionieren die Landwirtschaft. Was bedeutet das für Mensch und Biene? Horst Hamm

Künftig summen wieder Bienen über Äckern, aber auch Drohnen und Roboter. „Die Zukunft unserer Landwirtschaft ist Bio, sie kann allerdings Spuren von konventionellem Feldbau enthalten“, sagt Walter Haefeker. Diese Zuversicht stützt der Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes auf aktuelle Entwicklungen und neueste Technologien, auf die Digitalisierung von Ackerbau und Tierzucht.

Um zu verstehen, was er damit meint, muss man sich die Arbeit am Laser Zentrum Hannover (LZH) anschauen. Seit über zehn Jahren untersuchen Wissenschaftler der Abteilung „Food und Farming“, wie Roboter Unkräuter erkennen und mit Hilfe von Laserstrahlen deren Wachstum beenden oder zumindest beeinträchtigen. Mit wie viel Energie muss das Ackerwildkraut getroffen werden? Welche Wellenlänge ist am besten? Wie oft muss der Einsatz wiederholt werden? „Die wesentlichen Fragen haben wir mittlerweile geklärt“, bestätigt Abteilungsleiterin Merve Wollweber. „Derzeit untersuchen wir, wie die Technik im Feld und auf dem Acker etabliert werden kann.“

In wenigen Jahren soll sie marktreif sein. Laser können dann auf große Landmaschinen oder auf Agrarroboter montiert werden, die mit einer Geschwindigkeit von wenigen Kilometern pro Stunde übers Feld fahren. Einmal aufgestellt, arbeiten solche Roboter den ganzen Tag autonom. Photovoltaik-Module können dazu beitragen, dass sie auch noch energiesparend und klimafreundlich ihren Dienst verrichten. Die möglichen Einsparungen liegen auf der Hand: Bei der Arbeitszeit, beim Sprit und nicht zuletzt bei den Herbiziden, für die ein konventioneller Pflanzenbaubetrieb je nach Kultur zwischen 50 und 250 Euro pro Hektar und Jahr ausgibt. Wie viel ein Landwirt für die Laser-Technik letztendlich bezahlen muss, konnte Wollweber noch nicht genau sagen. Nur in einem ist sie sich sicher: „Die Zeit spricht für die Technik.“ Denn unabhängig von ihrer konkreten Anwendung werden Laser mit jedem Jahr leistungsfähiger und damit kostengünstiger.

Ganz so optimistisch ist Walter Haefeker in dieser hinsicht noch nicht: „Entscheidend wird sein, dass bei Entwicklungen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, die Rechte am geistigen Eigentum auch ein Allgemeingut bleiben.“ Dann können beispielsweise mittelständische Landmaschinenbauer ungehindert durch Patente preisgünstig Agrarroboter entwickeln und auf den Markt bringen. Die Uni Wageningen in Holland schätze, dass derartige Geräte 5 000 Euro kosten werden.

Insektizide verschwinden perspektivisch von der Liste der Ackergifte

Wie aber kann verhindert werden, dass Agrarkonzerne wie Bayer, Syngenta und BASF oder Internetriesen wie Google und Amazon bei der Digitalisierung der Landwirtschaft die Hoheit über die Entwicklung bekommen? Der Imker-Präsident spricht sich dazu für Open Source, also offene Schnittstellen und Systeme, aus. Er sieht die Risiken der aktuellen Entwicklung, etwa in möglichen Kooperationen der Agrar- und Internetriesen, die mit geschlossenen Systemen neue Abhängigkeiten schaffen, aber auch „eine enorme Chance für die Umwelt und die Bienen.“

Dabei geht es längst nicht nur um Laser gegen Unkräuter. Das LZH beispielsweise ist bereits dabei, die Lasertechnik auf Blattläuse und Weiße Fliegen auszuweiten. Bilddatenbanken, mit deren Hilfe ein Roboter die Schädlinge erkennen kann, gibt es bereits. Jetzt muss auch hier untersucht werden, mit welcher Intensität der Laser vorgehen kann, ohne die Pflanze zu schädigen, oder wie er an Insekten auf der Blattunterseite herankommt und an solche, die am Stengel saugen. Sind solche Fragen geklärt, verschwinden Insektizide perspektivisch von der Liste der Ackergifte.

Zur Lasertechnik selbst gibt es ebenfalls Alternativen: Andere Unternehmen haben Roboter entwickelt, die Unkräuter mechanisch und mit Hilfe eines Rammstabes beseitigen, vergleichbar der Handarbeit im ökologischen Landbau. Wieder andere setzen darauf, auf dem Acker Unkraut- und Schädlingsnester zu erkennen und gezielt mit Gift zu beseitigen. Das hat dann zwar nichts mit Bio-Landbau zu tun, ermöglicht aber, die Giftmenge auf einen Bruchteil zu reduzieren.

IT-Lösungen gibt es auch fürs gezielte Düngen: Mit Hilfe von GPS und modernster Satellitennavigation können Landwirte sich exakt am Nährstoffbedarf ihrer Böden orientieren. Die Fachhochschule Osnabrück entwickelte dazu bereits vor Jahren einen elektronisch gesteuerten Universaldüngerstreuer, der Kuhmist oder Schweinedung so gezielt auf dem Acker ausbringt, dass eine Überdüngung ausgeschlossen ist.

Wie hilfreich GPS-gesteuerte Lenksysteme für Ackerbaubetriebe in der Praxis tatsächlich sind, zeigt das Beispiel der Familie Großmann-Neuhäusler. Ihr Betrieb baut auf rund 500 Hektar um Pasenbach nördlich von
München nach den Kriterien des ökologischen Landbaus Dinkel, Weizen, Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten, Rote
Bete, Sellerie, Gurken und Kohl an. „Die präzise Steuerung hilft, dass unsere Trecker autonom und schnurgerade die Spur halten und es keine Anschlussüberlappungen gibt“, beschreibt der für die Maschinentechnik verantwortliche Georg Großmann-Neuhäusler die Vorteile. Bis auf drei Zentimeter genau kann eine Maschine zwischen den Reihen Unkraut entfernen. „In der Reihe und jeweils drei Zentimeter links und rechts davon müssen wir aber immer noch von Hand hacken.“

Landwirt der Zukunft nicht ohne Computersteuerung denkbar

Weil der Familienbetrieb viele Saisonarbeiter braucht, wäre der Landwirt froh, wenn die Unkrautbeseitigung komplett vom Computer gesteuert werden könnte. Möglich ist das derzeit noch nicht. Ob sich die Technik für kleinere Höfe rechnet, bezweifelt er: 5 000 Euro koste es bereits, einen Trecker so vorzurüsten, dass er überhaupt automatisch gelenkt werden kann. Das hat noch nichts mit einem Präzisionsmodul fürs Hacken zu tun. Das schlägt dann nochmals mit bis zu 15 000 Euro zu Buche. „Diese Kosten kann ein kleiner Betrieb nicht auf die Fläche umlegen.“ Ohnehin könne ein Landwirt nie vollkommen ersetzt werden, weil kein Computer entscheiden kann, ob der Boden zu nass oder zu trocken für die Arbeit auf dem Feld ist und wie tief gehackt werden muss.

Noch sieht die Digitalisierung im Landbau oftmals so aus, dass die Bauern versuchen, ihren bekannten Maschinenpark effizienter einzusetzen und damit den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu reduzieren. Das ist jedoch weit von dem Potenzial entfernt, das die neuen Techniken ermöglichen und die zunehmend auch die Tierhaltung bestimmen (s. S. 22). Der Landwirt der Zukunft ist ohne Computersteuerung wohl nicht mehr denkbar. „In der Vergangenheit wurde unsere Kulturlandschaft an dumme, große Maschinen angepasst“, fasst Walter Haefeker die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zusammen. Hecken und Bäume sind verschwunden, damit in einer leergeräumten Landschaft mit großen Maschinen großflächig Monokulturen bestellt werden konnten. „Mit kleinen und intelligenten Robotern ist die gegenteilige Entwicklung möglich. Und weil diese Geräte klein sind, werden sie vergleichsweise billig sein.“ Damit entstehe ein zweites Optimum: Derart kostengünstige Maschinen müssen nicht schnell sein, um ihre Investition wieder einzuspielen. Sie können in aller Ruhe auf dem Acker Raupen, Läuse und Unkräuter beseitigen und dazu beitragen, die Vielfalt unserer Landschaft sogar dort wieder herzustellen, wo sie verschwunden ist.

Einen Vorschlag zur schnelleren Umsetzung hat Walter Haefeker bereits am Runden Tisch zum Thema Artenvielfalt gemacht: Agrarroboter mit einem maximalen Leergewicht von 150 Kilo und einer Geschwindigkeit von höchstens fünf Kilometern pro Stunde sollten genehmigungsfrei betrieben werden dürfen. Damit wäre das Problem gelöst, dass es für autonom fahrende Landmaschinen in Deutschland derzeit keinen klaren Rechtsrahmen gibt. „Wir geben damit kleinen, preiswerten Systemen und mittelständischen Herstellern einen Vorsprung, weil sie ohne Zeitverzug und Regulierungskosten den Markt erreichen.“ Das wäre der schnellste und einfachste Weg, mindestens 90 Prozent des Herbizideinsatzes überflüssig zu machen. Gute Aussichten für Mensch, Natur und Bienen.

Open Source in der Landwirtschaft

Wer übernimmt die Kontrolle?

Die Bundesregierung finanziert verschiedene Forschungsvorhaben. Würden die Ergebnisse nach dem Grundsatz „öffentliche Gelder für öffentliche Güter“ der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, kämen Innovationen allen zugute. Open Source würde offene Systeme und allgemeine Teilhabe ermöglichen, damit kostengünstige und energiesparende Technologien entwickelt werden können. Die Alternative: Wenige Unternehmen bestimmen, wie die Digitalisierung auf dem Acker aussieht und stellen Landwirten die erforderlichen Roboter über einen Servicevertrag zur Verfügung. Die Preise für dieses Geschäftsmodell legen sie selbst fest und bekommen zusätzlich noch die Daten, die von ihren Geräten erfasst werden. Damit erhielten sie die Kontrolle über die globale Lebensmittelversorgung.

„Die Empathie des Bauern ist nicht ersetzbar“

Welche digitalen Technologien gibt es in der Tierhaltung?

Bereits ausgereift ist die elektronische Einzeltiererkennung in der Rinder- und Schweinehaltung über Ohrmarken und Lesetechniken. Bei Hühnern oder Gänsen ist das möglich, es wird aber in der Praxis noch nicht gemacht. Am häuftigsten sind derzeit Milchviehställe mit Automatisierung ausgestattet. Neben Aktivität und Kauverhalten mit Sensoren am Kopf können Temperatur und pH-Wert der Kühe über Sensoren im Pansen gemessen werden. Damit managen Tierhalter ihre Herde und dokumentieren von jedem Tier, wie es sich verhält, wie viel es frisst und welche Leistung es erbringt. Die Daten helfen, die Fütterung anzupassen oder zu erkennen, wann ein Tier krank ist. Wir nennen das „Precision Livestock Farming“.

Welche Landwirte nutzen solche Systeme?

Mir liegen keine belastbaren Zahlen vor, aber ich schätze, dass Bio-Milchviehhalter die Potenziale der Digitalisierung genauso nutzen wie ihre konventionellen Kollegen.

Können sich das kleine Betriebe leisten?

Ab einer bestimmten Größenordnung wird die digitale Vollausstattung heutzutage als Managementhilfe benötigt und ist dann auch finanzierbar. Und wenn ein Landwirt mit nur zehn oder 20 Kühen sehr stark ausgelastet ist, dann helfen auch ihm Aktivitätssensoren, etwa bei der Brunftvorhersage oder vor dem Kalben.

Sehen Sie die Gefahr, dass Wissen und Kulturtechniken verloren gehen?

Dagegen schützt gutes Basiswissen, das Landwirte in ihrer Ausbildung und bei uns an den Universitäten bekommen. Die Empathie des Bauern für seine Tiere und das Wissen über biologische Zusammenhänge sind nicht ersetzbar. Wenn aber Roboter das Ausmisten und Füttern übernehmen, dann hat ein Landwirt Zeit für einen qualifizierten Stallrundgang.

Prof. Dr. Eva Gallmann promovierte zum Thema Stallklima und Emissionen in der Schweinehaltung. Sie ist außerplanmäßige Professorin und hat eine Vertretungsprofessur am Institut für Agrartechnik der Universität
Hohenheim inne. ©
Foto: Universität Hohenheim/Jan Winkler

Mehr zum Thema

www.dw.com/de
Mit dem Suchbegriff „Feldroboter - Algorithmen“ gelangt man zu einem Video der Deutschen Welle, in dem Pros und Contras zum Thema besprochen werden.

www.bpb.de/opensource
Das Dossier der Bundeszentrale für Politische Bildung bietet einen umfassenden Überblick zum Thema Freie Software.

Unter www.berufsimker.net findet sich das Papier des Imker-Verbands zu Chancen und Risiken der Digitalisierung: https://bit.ly/2EaFIPf

www.bitkom.org/Themen/Digitale-Transformation-Branchen/Landwirtschaft/index.jsp bietet einen Überblick aus Perspektive des Digitalverbandes – inklusive Interview mit Robert Habeck

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