Tierhaltung

Hitzestress im Stall: So können Tiere durch den Sommer kommen

Heiße Sommer machen nicht nur Menschen zu schaffen. Auch Kühe, Hühner und Schweine leiden darunter. Für die Landwirtinnen und Landwirte ist das nicht nur ein Tierwohl-Problem. 

Hitze kann Tieren richtig gefährlich werden. So sollen im kenianischen Amboseli-Nationalpark 2022 mehr als 6000 Wildtiere, darunter Elefanten, Giraffen, Gnus und Zebras, verendet sein. Wasserstellen waren in dem ostafrikanischen Tierreservat über Monate versiegt, die Savanne vertrocknet, Schatten selten. Das ist die traurige Bilanz der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren, berichtete der internationale Tierschutz-Fonds.

„Seit Beginn der 1980er-Jahre hat sich die Anzahl der Stunden im Stall, die über 25 Grad lagen, mehr als verdoppelt.“

Günther Schauberger, Veterinärmedizinische Universität Wien

Doch nicht nur Wildtiere in Kenia leiden unter der Klimakrise. Auch landwirtschaftliche Nutztiere sind betroffen. Wie hierzulande im vergangenen Jahr, als die Temperaturen im Sommer auf Rekordhöhe stiegen. „Seit Beginn der 1980er-Jahre hat sich die Anzahl der Stunden im Stall, die über 25 Grad lagen, mehr als verdoppelt“, sagt Günther Schauberger, Umweltmeteorologe an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. Und in Zukunft werden heiße Perioden ohne Regen immer häufiger auftreten, wenn wir nicht gegensteuern, sagen Experten voraus. Für Rind, Schwein und Huhn kann das zum Problem werden. Sie können sich nicht einfach in einem Pool abkühlen wie Menschen, sondern sind darauf angewiesen, dass Landwirtin und Landwirt bei Bedarf für Abkühlung sorgen.

Warum Ställe zur Problemzone werden

Diese ist umso wichtiger, da Nutztiere regelrechte Hochleistungssportler sind. Ihre Produktion von Fleisch, Milch oder Eiern erzeugt zusätzlich erhebliche Wärmemengen. Das macht den Stall zur Problemzone: Je mehr Tiere dort gedrängt stehen, desto schneller wird es heiß und stickig, was die Tiere schwächt. Besonders belastend wird es, wenn auch noch die Luftfeuchte hoch ist. Zudem entsteht bei hohen Temperaturen aus Kot und Urin Ammoniak. Das Gas reizt die Atemwege und macht die Tiere anfällig für Infektionskrankheiten. Zum Stallklima hat der Gesetzgeber allerdings Vorschriften formuliert. Es darf bestimmte Grenzwerte etwa für Ammoniak nicht überschreiten.

Das ist die wichtigste Maßnahme bei Hitze

Ansonsten gibt es in der Tierschutzverordnung jedoch nur vage Hinweise darauf, wie Landwirt:innen Hitzestress im Stall und auf der Weide vermeiden können. Klar ist, dass Nutztiere genau wie Menschen mehr trinken müssen, um überschüssige Wärme aus dem Körper zu leiten. „Bei Hitze ist es unabdingbar, den Tieren ausreichend Wasser und Tränken zur Verfügung zu stellen, sodass auch rangniedere Tiere jederzeit Zugang erhalten“, sagt Susanne Rihm, Pressesprecherin beim Anbauverband Bioland.

Können Nutztiere schwitzen?

Da Nutztiere nicht oder kaum schwitzen können, steigt mit zunehmender Hitze ihre Atemfrequenz, sie „hecheln“. Bei Geflügel ist das etwa ab Temperaturen von 25 Grad der Fall. Zudem spreizen sie die Flügel ab, um Wärme abzugeben. Den Tieren vergeht der Appetit. Das ist eine Art Selbstschutz, denn beim Hungern entsteht weniger Wärme. Bei längeren Hitzephasen legen Hühner in der Folge weniger sowie kleinere Eier und setzen weniger Brustfleisch an.

So reagieren Schweine bei Hitzestress

Bei Schweinen sieht es ähnlich aus. Auch sie fressen an heißen Tagen weniger und setzen entsprechend weniger an. Bei anhaltendem Hitzestress können die Tiere sogar an Durchfall erkranken. Bei dermaßen geschwächten Tieren sinkt die Stimmung, sie werden aggressiv und es kommt zu Kannibalismus. Die Tiere beißen sich gegenseitig die Ohren und Schwänze ab.

Das ist dann nicht nur ein Tierwohl-Problem. Es hat auch Auswirkungen auf die Erlöse der Landwirt:innen. Günther Schauberger hat berechnet, dass ohne Anpassungen der Landwirtschaft an die Klimakrise Schweinehalter:innen im Jahr 2030 pro Schwein vier Euro Verlust entstehen. „Bei den geringen Gewinnmargen in der Fleischproduktion steigt der ökonomische Druck durch Hitzestress also deutlich an“, sagt Schauberger.

Wenn Schweine die Möglichkeit haben, kühlen sie sich durch Suhlen im Schlamm. Die meisten Schweine in Deutschland verbringen ihr kurzes Dasein jedoch dicht gedrängt in geschlossenen Ställen ohne Möglichkeiten, sich frei zu bewegen.

Welche Konzepte haben Bio-Tierhalter gegen heiße Sommer

Nicht so beim baden-württembergischen Demeter-Hof Steigmiller. Hier leben die Schweine im offenen Stall, können sich in den Schatten zurückziehen und suhlen. „Im Sommer wird die Suhle mit Wasser befüllt“, sagt Landwirt Max Steigmiller. „Die Tiere nutzen das ausgiebig.“ Und wenn es einmal gewittert, regne es auch in den halboffenen Laufstall. Das bringt weitere Abkühlung. Seine Hühner hält der Bauer in mobilen Ställen: „Die sind top, was die Belüftung angeht. Man kann unten kältere Luft einlassen und durch den ‚Kamineffekt’ wird die warme Luft oben am First, also am höchsten Punkt, regelrecht abgesaugt.“ Zudem werde der Stall immer quer zur Hauptwindrichtung geparkt. So kann bei geöffneten Schotten Frischluft durchziehen.

Ab 30 Grad im Stall ist in jedem Fall Gefahr im Verzug. Dann können Nutztiere einen Hitzschlag erleiden. Im bislang heißesten Sommer in Europa, im Jahr 2003, sind allein in Frankreich vier Millionen Masthühner verendet. „Bisher waren die Episoden mit Hitzestress aber im deutschsprachigen Raum nicht so gravierend, dass Tiere gestorben wären“, sagt Schauberger.

Das hilft Hühnern, Schweinen und Rinder bei hohen Temperaturen

Um solchen Katastrophen weiterhin vorzubeugen, gibt es für Landwirte verschiedene Möglichkeiten Hühner, Schweine oder Rinder vor Hitze zu schützen. Das können etwa Luftaufbereitungssysteme sein, die den Stall kühlen. Oder Ventilatoren, die für zusätzliche Luftbewegung sorgen. Sogenannte „Sprinkleranlagen“ vernebeln Wasser. Und es gibt Duschen für Nutztiere. Im Rinderstall werden diese Anlagen als „Kuhduschen“ bezeichnet. „Landwirte können auch händisch mit dem Gartenschlauch durch den Stall gehen und die Böden nass machen“, sagt Thomas Blaha, Veterinärmediziner der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Zudem können Landwirte schon beim Stallbau vorsorgen, etwa indem eine helle Dacheindeckung erfolgt oder Photovoltaik-Anlagen aufgesetzt werden. Beides vermindert die Strahlenwärme. Eine Begrünung auf der Südseite des Stalls hilft ebenso wie ein hoher First und offene Seitenwände. Bio-Bauer Max Steigmiller hat für seine Jungbullen das Stalldach begrünt. Hier wachsen Sukkulenten, also sehr hitzetolerante Pflanzen, die man nicht großartig pflegen muss. „Die Pflanzen kühlen den Stall um drei Grad Celsius herunter“, sagt Steigmiller. Das hat eine auf seinem Hof durchgeführte Studie der Hochschule Nürtingen belegt.

Das hilft Vögeln und Insekten

  • Trinkstellen im Garten: An heißen Tagen haben auch Vögel und Insekten Durst. Der NABU Niedersachsen empfiehlt, den Tieren Trinkgelegenheit anzubieten. Dazu eignen sich flache Schüsseln oder Blumentopf-Untersetzer.
  • Wichtig: Vogeltränken so aufstellen, dass Spatz, Meise & Co. vor Feinden sicher sind. Die Tränken täglich ausspülen und mit frischem Wasser füllen.
  • Tränken für Insekten sollten mit Steinen und Moos befüllt werden, damit die Tieren sicher ans Wasser rankommen.
  • Weitere Tipps: www.niedersachsen.nabu.de

Warum es Bio-Tieren bei Hitze besser geht

Tieren auf Bio-Bauernhöfen geht es bei Hitze generell besser, sagt der Tierschutzexperte Blaha: „Insbesondere durch die geringere Besatzdichte und die meistens vorhandenen Auslaufmöglichkeiten können die Tiere eher in kühlere Bereiche ausweichen.“ Richtlinien in der ökologischen Tierhaltung sehen für geschlossene Ställe zudem strengere Vorgaben in Sachen natürlicher Belüftung vor – und es gibt mehr offene Ställe.

Rinderställe sind im Gegensatz zu Schweinemastbetrieben heutzutage auch im konventionellen Bereich meist offene Ställe. Tatsächlich kann es in einem solchen Stall bei Hitze angenehmer sein als auf der Weide. „Je nach Schattensituation und Temperaturverlauf sollte der Weidegang auf die kühleren Morgen- und Abendstunden begrenzt werden oder Nachtweide angeboten werden“, sagt Bioland-Pressesprecherin Susanne Rihm.

So reagieren Rinder bei Hitzestress

Obwohl Rinder Schweißdrüsen besitzen und darum Wärme über schwitzen und hecheln abführen können, sind sie sehr hitzeempfindlich. Ihre Wohlfühltemperatur liegt bei etwa acht Grad. Sie kommen aber auch gut mit Temperaturen bis 20 Grad klar. Ist es allerdings dauerhaft wärmer als 20 Grad, geht auch bei ihnen die Leistung zurück. Zudem sinkt die Fruchtbarkeit durch Hitzestress. Um all das zu vermeiden, brauchen Weiderinder darum stets gefüllte Tränken und Schatten. Bei Steigmiller haben die Ammenkühe Zugang zur Weide und können sich unter Obstbäumen oder am Waldrand unter Laubbäumen ausruhen. Andere Betriebe setzen ganz auf Agroforst, wie der Bioland-Betrieb „Bannmühle“. Dort grasen seltene Glanrinder auf Streuobstwiesen. Der Vorteil von Agroforst: Im Schutz der Bäume verdunstet weniger Wasser, die Weiden bleiben länger feucht.

Wenn die Weiden vertrocknen

In heißen Sommern gibt es weniger Grünfutter, da das Gras auf der Wiese verbrennt. Das ist vor allem für Bio-Bäuerinnen und -Bauern ein Problem:

Bio-Rinder müssen im Sommerhalbjahr auf die Weide. Das ist so vorgeschrieben. Sind die Weiden vertrocknet, muss zugefüttert werden, da die Tiere ansonsten hungern. Damit in solchen Fällen nicht konventionelles Futter im Trog landet, haben Bio-Verbände entsprechende Vorkehrungen formuliert.

So hat etwa Bioland in den Verbandsrichtlinien festgelegt, dass ein Landwirt Raufuttermittel, also Silage, Heu und Stroh, in Höhe von 10 Prozent des Jahresbedarfs zu jeder Zeit vorrätig haben sollte. Außerdem sind Bioland-Mitglieder verpflichtet, einen Notfallplan aufzustellen. Dazu könnte ein Betrieb etwa eigene Reserveflächen vorhalten oder die Zahl der Tiere verringern, indem weniger Jungtiere gekauft werden.

Leiden Rinder über längere Zeit unter Hitzestress, wird auch das Immunsystem angegriffen. Parasitäre Krankheiten verbreiten sich zudem schneller, da Viren, Bakterien oder Würmer bei Wärme und Feuchte besonders gut gedeihen. So war etwa der Ausbruch der Blauzungenkrankheit bei Rindern im Jahr 2006 eine Folge von heißen Sommern. Damals wurde das Virus über blutsaugende Stechmücken namens Bartmücken von Rind zu Rind übertragen. Viele Tiere mussten notgeschlachtet werden.

Fitnesstracker gegen Hitze? Ein Blick in die Zukunft

Hitzestress bei Nutztieren beschäftigt nicht nur Landwirte, sondern auch die Wissenschaft. So wird zum Beispiel diskutiert, ob man hitzetolerantere Rassen aus anderen Ländern einführen sollte. Kolleginnen und Kollegen von Schauberger sind zudem auf der Suche nach Blut-Markern, wie man Hitzestress bei Rindern schneller entdecken kann. Da sich dieser oft erst zeitverzögert durch weniger Milchleistung bemerkbar macht. Mit solchen „Fitnesstrackern“ könnte ein Landwirt dann schneller reagieren oder diese Sensoren gleich mit automatisierten Lüftungssystemen koppeln, Stichwort: „Precision Lifestock Farming“.

Günther Schauberger hat mit seinem Team ausgerechnet, was die sinnvollste Maßnahme für geschlossene Ställe ist, um Tiere in Zukunft zu schützen. Dabei stehen die Luftaufbereitungssysteme als Spitzenreiter da. „Hitzestress kann in geschlossenen Ställen dadurch um 60 bis 90 Prozent gesenkt werden“, sagt Schauberger. „Eine Investition in so eine Anlage lohnt sich darum für einen Betrieb zur Reduktion des Hitzestresses immer.“

Interview: „Hunde und Katzen können nicht schwitzen“

Veterinärmediziner und Vorstand bei der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT).

Welche Haustiere leiden besonders unter Hitze?
Haustiere wie Hund, Katze oder Meerschweinchen können nicht schwitzen. Deshalb hecheln Hunde. Dabei kommt es zum Temperaturaustausch im Bereich der Nasenschleimhaut. Je kürzer allerdings die Nase, desto weniger Möglichkeiten hat ein Hund, Körperwärme abzugeben. Möpse zum Beispiel brauchen deshalb besondere Aufmerksamkeit.

Wie kann man Tieren bei Hitze helfen?
Haustiere haben generell keine anderen Bedürfnisse als Menschen. Sie müssen auf jeden Fall immer und überall Trinkgelegenheiten haben. Tiere brauchen zudem stets eine Möglichkeit, sich einen schattigen Platz zu suchen. Man sollte sie also nicht in einem Zimmer lassen, in dem es keinen Schatten gibt. Das gilt für alle Haustiere, egal ob Hund, Katze, Hase oder Wellensittich. Zudem sollten tagsüber die Rollos heruntergelassen und nachts die Fenster geöffnet werden.

Darf man bei Hitze Gassigehen?
Am besten Sie gehen morgens und abends ein längeres Stück und mittags nur kurz. Eine Überhitzung erkennt man an starkem Hecheln und an Unruhe. Dann sollte man schnell einen Schattenplatz aufsuchen und den Hund mit feuchten, nicht zu kalten Tüchern kühlen. Bei Symptomen wie Taumeln oder Erbrechen muss man sofort zum Tierarzt.

Nager sind sehr hitzeempfindlich. Hasen in der Wildbahn zum Beispiel suchen bei hohen Temperaturen Abkühlung in Erdlöchern. Wie ist das mit Hasen oder Meerschweinchen im Außenstall?
Hier gilt das Gleiche wie für alle anderen Tiere: Ausreichend Schatten und Trinkmöglichkeiten. Sicherheitshalber kann man die Tiere in Hitzephasen auch in die Wohnung holen.

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Claudia Brebach

Längst gibt es umweltverträgliche technische Möglichkeiten auch für konventionelle Landwirte, bei der Bewässerung ihrer Felder Wasser zu sparen. Das könnten sie ihren und anderen Tieren zu Gute kommen lassen, ohne Verbrauch und Kosten zu steigern. Aber wahrscheinlich muss wieder ein Gesetz her, um alle  Landwirte zum Umdenken bei der buchstäblichen Verschleuderung von Ressourcen zu zwingen, anstatt gesunden Menschenverstand walten zu lassen.

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