Leben

Mikroplastik: Gefahr aus dem Duschgel

Mikroplastik in Tube und Tiegel schadet Muscheln, Fischen und damit auch uns. Das ist unnötig, denn es geht auch ohne.

Plastikmüll im Meer ist schon lange ein Thema. Meist geht es dabei um große, gut sichtbare Dinge: Tüten, Flaschen oder gar herrenlose Fischernetze. In den vergangenen Jahren befassten sich Wissenschaftler zunehmend mit sogenanntem Mikroplastik. Diese Teilchen sind so klein, dass man sie kaum sieht. Viele lassen sich nur unter dem Mikroskop finden – und sind trotzdem gefährlich. „Sie wirken wie Magneten auf Schadstoffe“, warnt die Umweltchemikerin Gesine Witt.

Die Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) hat Mikroplastik in den Sedimenten am Boden von Nord- und Ostsee gesammelt und untersucht. Dabei fand sie einen „brisanten Giftcocktail“ mit krebserregenden Umweltchemikalien wie PCB oder PAK. „Die kleinen Plastikteilchen sind um das Drei- bis Vierfache stärker belastet als das ohnehin schon kontaminierte Sediment.“ Doch die Teilchen bleiben nicht im Sediment. Sie können von Muscheln oder Wattwürmern aufgenommen werden und gelangen über Krebse und Fische schließlich auch auf unsere Teller. Geschieht uns recht, könnte man sagen, schließlich sind die Plastikteilchen menschengemacht.

Wie entsteht Mikroplastik?

Wichtigste Quelle ist der große, sichtbare Plastikmüll, der auf dem Meer schwimmt und von Wind, Wetter und UV-Licht mit der Zeit zu immer winzigeren Teilchen zersetzt wird. Auch Reifenabrieb oder winzige Plastikfasern, die aus Fleece-Jacken ausgewaschen werden, tragen zur Belastung bei. Zudem gelangt Mikroplastik als Inhaltsstoff von Kosmetika ins Abwasser und von dort in die Flüsse und Seen. Denn in den Kläranlagen bleibt nur ein Teil der winzigen Teilchen im Klärschlamm hängen. Der Rest flutscht durch. Und was sich nicht am Boden der Gewässer ablagert, fließt mit der Zeit in das Meer.

In einer Studie aus dem Jahr 2015 schätzt das Umweltbundesamt, dass in Deutschland jährlich 500 Tonnen Mikroplastik in kosmetischen Mitteln verwendet werden. Das ist nicht viel, verglichen mit den anderen Quellen. Aber es ist eine Menge, die sich leicht vermeiden ließe. Eingesetzt werden die Plastikteilchen nicht nur dort, wo rubbelnd gereinigt wird – wie in Peelings oder Duschgelen. Plastik findet sich auch in Lippenstiften, Mascara oder Gesichtscremes.

Auch in konventionellen Waschmitteln ist häufig Mikroplastik enthalten. Mehr Infos hier:

Waschmittel ohne Mikroplastik

In Deutschland gibt es kein Verbot für Polyethylen

Aufgeschreckt von den ersten Meldungen über Mikroplastik kündigten die großen Kosmetikkonzerne an, die Kunststoffe aus ihren Produkten zu verbannen. Mit dem Versprechen, dies bis 2020 zu schaffen, erreichten sie, dass die Bundesregierung auf ein gesetzliches Verbot von Mikroplastik in Kosmetik verzichtete. Andere Länder wie USA, Kanada oder Großbritannien hingegen haben bereits Verbote auf den Weg gebracht.

Eine große Studie der Verbraucher-Plattform Codecheck zusammen mit dem Umweltverband BUND zeigte, dass der freiwillige Ausstieg bisher nicht stattfindet. Sie vergleicht über 100.000 Kosmetikprodukte der Jahre 2014 und 2016 miteinander. „Der bekannteste Mikroplastikstoff Polyethylen ist nach wie vor in jedem dritten Gesichtspeeling enthalten“, sagt Franziska Grammes von Codecheck.

Strittig: Was zählt zu Mikroplastik?

„Mikroplastik befindet sich auch in Produkten, in denen es bisher kaum vermutet wurde. Polyquaternium-7 steckt beispielsweise in jedem vierten untersuchten Duschgel und Nylon-12 in jedem zehnten Make-up.“ Die Kosmetikhersteller würden oft nur Polyethylen als Mikroplastik definieren und gelöste Kunststoffe wie Nylon oder Acrylate nicht berücksichtigen.

„Die Ergebnisse bestätigen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie wirkungslos ist und die Hersteller nur noch mehr Zeit gewinnen wollen“, bilanziert Nadja Ziebarth, Meeresschutzexpertin beim BUND. Sie fordert deshalb ein EU-weites gesetzliches Verbot von Mikroplastik. Doch das Bundesumweltministerium lehnt das weiterhin ab. Eine gesetzliche Regelung sei keine Garantie dafür, dass ein Ausstieg besonders schnell vonstatten gehe, heißt es dort zur Begründung.

Der Branchenverband IKW weist die Ergebnisse des BUND zurück: Die Menge an festen Kunststoffpartikeln in abzuspülenden kosmetischen Produkten habe sich zwischen den Jahren 2012 und 2015 um 70 Prozent reduziert, so der IKW und beruft sich auf eine aktuelle Umfrage unter den europäischen Kosmetikherstellern. Dabei lässt er allerdings die gelösten Kunststoffe außen vor.

Ist Mikroplastik in Naturkosmetik enthalten?

Hersteller von Naturkosmetik kommen schon immer ohne Mikroplastik aus. In Peelings setzen sie auf mineralische und pflanzliche Materialien, um die alten Hautzellen wegzurubbeln – von effektiv bis kuschelsanft. Getrocknete und gemahlene Olivenkerne zum Beispiel ergeben feste Putzkörperchen für die robuste Körperhaut. Etwas weicher sind Weizenkleie oder Reismehl. Winzig kleine Perlen aus Carnauba- oder Jojobawachs sind so sanft, dass sie sich beim Reiben auflösen und mit ihren Fetten gleichzeitig die Haut pflegen. Auch dort wo Plastik als Verdicker oder Filmbildner verwendet wird, setzen Naturkosmetik-Hersteller pflanzliche Alternativen ein.

Die Chemieprofessorin Gesine Witt empfiehlt, auf plastikhaltige Kosmetikprodukte zu verzichten. „Bewaffnen Sie sich mit einer Lupe und schauen Sie auf das Kleingedruckte“, rät sie Verbrauchern. Alternativ dazu genügt es auch, nach einem der Siegel für zertifizierte Naturkosmetik zu suchen, das stets „ohne Plastik“ garantiert.

Mehr zum Thema Mikroplastik in Kosmetik

www.bund.net/mikroplastik
Häufige Plastikzutaten listet der BUND in seinem Einkaufsratgeber auf.

www.codecheck.info/app
Nach Mikroplastik kann man auch mit dem Smartphone suchen – etwa mit Hilfe der Codecheck-App.

https://fishingforlitter.org/, www.healthyseas.org, www.theoceancleanup.com
Diese Organisationen fischen Plastik wieder aus dem Meer und freuen sich über Unterstützung.

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