Kosmetik

Tierversuche in der Kosmetik: Was ihr wissen solltet

Noch immer gibt es Tierversuche in der EU – auch für manche Zutaten, die Naturkosmetik nutzt. Was dahinter steckt.

Seit 2009 dürfen in der EU keine Kosmetika mehr verkauft werden, deren Inhaltsstoffe an Tieren getestet wurden. Seit 2013 gilt dieses Verbot auch, wenn die Tierversuche außerhalb der EU stattfanden. Die Regelung war einer der großen Erfolge im Kampf gegen Tierversuche – aber nur ein halber, wie das nachfolgende Beispiel zeigt.

So leiden Tiere für Shampoo und Duschgel

Disodium Cocoyl Glutamat ist ein mildes Kokostensid, das sich in vielen Naturkosmetik-Duschgelen und Shampoos findet. Im März 2018 wurden in einem Versuchslabor 100 schwangere Ratten getötet. Zuvor hatten sie 14 Tage lang über eine Magensonde verschiedene Dosierungen dieses Kokostensids zu sich nehmen müssen. Nun schnitten die Laboranten die Tiere auf, untersuchten Eierstöcke und Gebärmutter und sezierten die Embryos. Das Ergebnis: Keine negativen Effekte auf die vorgeburtliche Entwicklung.

Dokumentiert ist dieser Test in einer öffentlich zugänglichen Datenbank der Europäischen Chemikalienagentur ECHA. Bei dieser Behörde müssen die Hersteller chemischer Stoffe laut der EU-Chemikalienverordnung REACH ihre alten und neuen Substanzen registrieren lassen und Daten zur Giftigkeit und Gefährlichkeit vorlegen.

Dafür fordert die EU Tierversuche

Reichen der ECHA die vorhandenen Daten zur Bewertung nicht aus, verlangt sie neue Studien – auch mit Tierversuchen. Die Ergebnisse werden veröffentlicht – allerdings ohne den Namen des Herstellers, der sie durchführen ließ. Die ECHA ist der Auffassung, dass das Chemikalienrecht dem Kosmetikrecht übergeordnet sei und verlangt solche Tierversuche auch für Stoffe, die ausschließlich in Kosmetika eingesetzt werden.

Wissenschaftler des Zentrums für Alternativen zum Tierversuch (CAAT) haben die ECHA-Datenbank ausgewertet. Sie fanden 419 Dossiers von Chemikalien, die nur für Kosmetika verwendet werden. Für 63 dieser Dossiers wurden noch Tierversuche durchgeführt, obwohl die Kosmetikverordnung diese schon verboten hatte.

Die EU untergräbt ihre eigenen Verbote

Christina Ledermann, Bundesverband Menschen für Tierrechte

Hinzu kommt eine lange Liste von 2800 Stoffen, die nicht nur in Kosmetik eingesetzt werden. Wie viele Tierversuche hierfür durchgeführt wurden, haben die CAAT-Experten nicht ermittelt. „Es ist ein Skandal und ein Vertrauensbruch, dass die EU ihre eigenen Verbote untergräbt“, kommentierte Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte, die Ergebnisse der Studie. Sie befürchtet, dass die Zahl der Tierversuche zunehmen wird. Denn die EU will Chemikalien sicherer und nachhaltiger machen – und das bedeutet in der bisherigen Logik mehr Tests an Tieren.

Können Siegel „tierversuchsfrei“ garantieren?

Die Naturkosmetik-Firmen haben von Anfang an weder Tierversuche durchgeführt noch welche in Auftrag gegeben. Rosencreme in Kaninchenaugen zu schmieren, widersprach ihren moralischen Maßstäben. Als Anfang des Jahrtausends das BDIH-Logo für kontrollierte Naturkosmetik entstand, legten die beteiligten Hersteller fest, dass keine Inhaltsstoffe eingesetzt werden, deren Sicherheit nach dem 1. Januar 1998 an Tieren getestet wurde. Das Ecocert-Siegel für Naturkosmetik verweist auf die EU-Kosmetikverordnung. Das Natrue-Siegel setzt deren Regeln als selbstverständlich voraus und erwähnt Tierversuche nicht gesondert.

Wie das anfänglich genannte Beispiel zeigt, sind auch diese Siegel keine Garantie dafür, dass bestimmte Inhaltsstoffe für die ECHA aktuell an Tieren getestet werden. Selbst Hersteller, die von der Tierrechtsorganisation Peta zertifiziert wurden oder ihre Produkte mit dem hüpfenden Häschen des Humane Cosmetic Standards auszeichnen, verwenden Disodium Cocoyl Glutamat in ihren Duschgelen. Und in den ECHA-Dossiers finden sich auch Tierversuche zu Substanzen wie Cocoyl Caprylate (einer Alternative für synthetische Silikonöle), zu Teebaumöl oder dem ätherischen Öl von Ylang Ylang.

Tierschützer machen Druck auf die EU

Um das Verbot von Tierversuchen für Kosmetikprodukte durchzusetzen, haben zahlreiche Tierrechtsorganisationen eine europäische Bürgerinitiative gestartet, die bis Ende August 2022 lief. Über 1,4 Millionen Menschen haben sie unterschrieben – deutlich mehr als die erforderliche Million. Nun muss sich die EU-Kommission mit den Forderungen der Tierschützer befassen. Dazu zählen unter anderem eine Umgestaltung von REACH und ein Fahrplan für die schrittweise Abschaffung aller Tierversuche in der EU.

2,53 Millionen tote Tiere

In Deutschland starben im Jahr 2020 laut amtlicher Statistik 2,53 Millionen Versuchstiere, darunter 1,85 Millionen Mäuse und 193.000 Ratten, aber auch andere Tiere wie Fische, Kaninchen, Hunde, Katzen, Schweine und Affen.

Die Sicherheitsüberprüfung von Chemikalien ist – auch mit der EU-Chemikalienverordnung REACH – „nur“ für sieben Prozent der toten Tiere verantwortlich. 174.000 Tiere starben, um die Qualität vor allem medizinischer Produkte zu testen. 244.000 Versuchstiere starben in der angewandten Forschung, etwa um neue Wirkstoffe für Medikamente zu entwickeln.

Den mit zwei Drittel größten Teil der Versuchstiere macht die medizinische Grundlagenforschung aus. Dazu zählen auch Tierversuche mit Pflanzenextrakten, die in der Naturkosmetik eingesetzt werden, etwa Tigergras oder Eibisch, zwei beliebten Anti-Aging-Zutaten. Sie unterstützen die Wundheilung der Haut – und auch daraus lässt sich vielleicht noch ein neues Medikament machen.

Veröffentlicht am

Ein Artikel aus dem Naturkosmetik-Magazin

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