Umwelt

Streit um Tenside

Mit Shampoo die Haare zu waschen, erscheint so alltäglich, dass wir kaum darüber nachdenken, was da eigentlich wäscht. Doch bei den Schaumbildnern, den Tensiden, sollte man schon genauer hinsehen. // Manfred Loosen und Leo Frühschütz

Tut Haare waschen gut?

Jana (5) sitzt in der Badewanne und bekommt von ihrer Mutter die Haare gewaschen. „Aua!“, schreit das Mädchen. „Mama, das brennt!“ Ihr ist der Schaum in die Augen gelaufen. Da hilft nur eins: Die Augen fest zumachen und einen Waschlappen davor drücken. Und für das nächste Haarewaschen kauft Mama ein Shampoo, das nicht brennt.

Was Janas Augen reizt, sind Tenside. Sie sorgen dafür, dass Shampoos, Duschgele, Reinigungs- und Spülmittel überhaupt waschen und sauber machen. Mit ihrer Hilfe lösen sich die Fett- und Schmutzteilchen vom Haar. Wasser alleine schafft das nicht.

Fachleute der Klinik für Dermatologie und Allergologie an der Ruhr-Universität Bochum bringen es auf den Punkt: „Wenn man seine Kopfhaut nicht spürt, wenn da nichts spannt, juckt oder brennt, dann ist die Kopfhaut in der Regel gesund.“ Sie raten zu einem sanften Haarwaschmittel, wobei Allergiker genau auf die pflanzlichen Zusatzstoffe achten sollten. Normalerweise reicht es, alle zwei, drei Tage die Haare richtig zu waschen, in der Zwischenzeit reicht auch pures Wasser.

Es gibt viele verschiedene Tenside: milde und aggressive, viel und wenig Schaum produzierende, teure und billige. Sie alle sind synthetische Stoffe, deren Herstellung chemisch aufwändig ist. Es gibt einige Naturkosmetikfirmen, die Tenside deshalb ablehnen und keine Shampoos oder Duschgele im Programm haben. Die meisten jedoch verwenden die waschaktiven Substanzen, wenn diese bestimmte Anforderungen erfüllen: Sie sollen aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sein, müssen die Kopfhaut schonend reinigen und im Abwasser vollständig biologisch abbaubar sein. Außerdem sollen sie kräftig schäumen. Die Verbraucher wollen das so erklären die Unternehmen. Und da wird es schwierig.

Denn schön aufschäumende Shampoos arbeiten oft mit problematischen Tensiden. Dazu gehören die Polyethylenglykole (PEG) und ihre Abkömmlinge. „Produkte, die PEGs enthalten, werten wir in der Regel ab, weil sie die Haut durchlässig für Fremdstoffe machen können“, sagt Kerstin Scheidecker von Ökotest. Außerdem stammt ein Teil der Rohstoffe für diese Tenside aus der Erdölchemie. Erkennbar sind sie in der INCI-Deklaration auf der Verpackung an den Silben „PEG“ oder „eth“ im Namen, zum Beispiel „Sodium Laureth Sulfate“. Auch das Tensid Sodiumlaurylsulfat wertet Ökotest in Anti-Schuppen-Shampoos ab. Denn es ist stark hautreizend.

Vor sechs Jahren fanden sich in zahlreichen Naturkosmetik-Shampoos noch PEG-Tenside oder Laurylsulfat. Heutesetzen nur noch wenige Anbieter diese Tenside ein. Sie begründen dies damit, dass die verträglicheren Alternativen nicht so schäumen, wie die Verbraucher dies wünschen.

Nachwachsende Rohstoffe

Doch die meisten Naturkosmetik-Hersteller und ihre Kunden geben sich mit etwas weniger Schaum zufrieden. Ihre Shampoos waschen mit so genannten Kokos- und Zuckertensiden. Diese werden

ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Sie sind mild und sehr hautverträglich, auch wenn chemische Bezeichnungen wie Sodium Cocoyl Glutamate oder Coco Glucoside sich nicht so anhören. Diese sanften Tenside sind allerdings deutlich teurer als Laurylsulfat. Manche kosten 18 mal mehr. Da die Tenside auch mengenmäßig zu den wichtigsten Zutaten im Shampoo gehören, macht sich das im Preis bemerkbar. Doch dafür brennen Janas Augen nicht. Erkennbar sind Shampoos mit milden Tensiden am Logo „Kontrollierte Naturkosmetik“ des BDIH (Bundesverband deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel e. V.), der Verband lässt nur solche Tenside zu.

Ein Problem, das noch gelöst werden muss, ist die Herkunft der pflanzlichen Rohstoffe für Tenside. Die wichtigsten sind Fettsäuren aus Palm- und Kokosöl sowie Zucker aus Mais- oder Kartoffelstärke. Sie werden von spezialisierten Chemieunternehmen zu Tensiden verarbeitet. Weil ihre benötigten Mengen zu klein sind, können die Naturkosmetik-Hersteller keine Ansprüche an die Herkunft dieser Rohstoffe stellen. Dabei gibt es zwei kritische Bereiche: Für Palmölplantagen werden vor allem in Indonesien Urwälder gerodet. Die Umweltorganisation WWF hat in den letzten Jahren Druck auf Chemie- und Lebensmittelfirmen gemacht. Das Ergebnis ist ein „Runder“ Tisch für nachhaltiges Palmöl, an dem Produzenten, Verarbeiter und Umweltverbände gemeinsam Kriterien für nachhaltige Palmöl-Erzeugung erarbeiten. Wichtigster Lieferant für Kokosöl sind die Philippinen. Dort werden die Bauern jedoch von Grundbesitzern und den Ölmühlen ausgebeutet. Hier haben vor allem kirchliche Organisationen Aufklärung betrieben und den Dialog mit den Chemiekonzernen gesucht. Bisher ohne großen Erfolg. Naturkosmetik- und Ökowaschmittelhersteller forschen an Tensiden aus ökologisch angebauten Rohstoffen. Richtig gut schäumende Tenside sind dabei noch nicht entwickelt worden.

Saubere Haare ohne Tenside

Wer seine Haare tensidfrei waschen will, hat eine Möglichkeit: Lavaerde. Trotz des Namens hat sie mit Vulkangestein nichts zu tun. Das Wort kommt aus dem Lateinischen: lavare – waschen. Wascherde ist gemahlener Ton – meist aus dem Atlasgebirge in Marokko. Dort wird sie Rhassoul oder Ghassoul genannt. Lavaerde reinigt nach einem physikalischen Prinzip: Mischt man das Erdpulver mit Wasser, quillt es auf und entwickelt eine gelartige Konsistenz. Ihre feinen Partikel saugen Schmutz und überschüssiges Fett wie ein Löschblatt auf und können dann ganz einfach abgespült werden. Wascherde gibt es von mehreren Naturkosmetik-Anbietern sowohl pur als auch leicht duftend mit beigemischten ätherischen Ölen. Wer das Pulver nicht selbst anrühren will, kann zu fertigen Waschcremes aus Lavaerde greifen.

Logona

Martina Gebhardt Naturkosmetik

Kompromissbereit
auf Kundenwunsch

Konsequentes „Nein“
zu Tensiden

Die fast 30 Jahre alte Naturkosmetikfirma Logona hat sowohl tensidfreie Lavaerde als auch Shampoos im Programm. „Die allermeisten Menschen sind einfach schäumende Haarwaschmittel gewöhnt“, sagt Marketingchefin Bettina Bockhorst, „und mit unseren milden Tensiden können wir es in jedem Fall verantworten, Shampoos anzubieten.“ Auf allen knapp 20 Logona-Shampoos prangt das BDIH-Logo für „Kontrollierte Naturkosmetik“. Das bedeutet, Emulgatoren und Tenside sind aus zugelassenen Naturstoffen gewonnen worden, synthetische Duft- oder Farbstoffe, Silikone, Paraffine oder andere Erdölprodukte kommen nicht zum Einsatz. „Wir beschreiten einen Mittelweg“, erklärt Bettina Bockhorst. „Wir wollen, dass die Kunden mit unseren Produkten zufrieden sind und sicher sein können, ihrem Körper und der Umwelt nicht zu schaden.“ BDIH-Tenside machen die Haut nicht durchlässiger für Schadstoffe und das Umweltbundesamt bestätigt, dass sanfte Tenside in Kläranlagen keine Probleme bereiten. Logona bietet spezielle Waschmittel für diverse Haarprobleme. Die Wirkung kommt dabei ausschließlich von pflanzlichen Wirkstoffen. Weizenkleie und Calendula helfen gegen spliss-

anfälliges Haar. Wacholderöl, Rosmarin- und Brennnessel-Extrakt beruhigen die trockene Kopfhaut, die zu Schuppen neigt. Für mehr Volumen im Haar sorgen Bier und Honig. Je nach Farbton lassen Kamille, Henna oder Nussschalen die Haarfarbe leuchten. Die Beispiele zeigen, dass ein Shampoo doch etwas mehr kann als Wascherde. Es macht die Haare nicht nur sauber, sondern pflegt sie auch.

Martina Gebhardt, Geschäftsführerin der nach ihr benannten Naturkosmetik-Firma, will weder Haarwaschmittel noch Duschgel produzieren. Dafür müsste sie chemisch hergestellte Tenside verwenden und das lehnt sie ab. Sie setzt stattdessen auf die Innovationskraft ihrer Forschungsabteilung: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Alternativen zu den üblichen Shampoos zu finden.“ Einen Zeitpunkt, wann sie ein tensidfreies Shampoo auf den Markt bringen wird, will sie aber nicht nennen.Sie benutzt für ihre eigenen Haare Shampoo von Mitbewerbern der Naturkosmetikbranche oder wäscht sich den Kopf mit Lava- bzw. Wascherde. Martina

Gebhardt: „Das hilft ganz wunderbar gegen Schuppen.“ Der Grund ist wahrscheinlich, dass Lavaerde zu 55 Prozent aus Kieselsäure besteht und diese die Haut stärkt. Ihre Vorliebe für Lavaerde unterscheidet Martina Gebhardt von den meisten Deutschen: Für die steht Schaum für Sauberkeit, viel Schaum für viel Sauberkeit. Tabu sind für Martina Gebhardt nicht nur Tenside, sondern auch Rohstoffe, für die Tiere getötet werden müssen.

Ein Beispiel ist der rote Farbstoff Carmin, der von gerösteten Cochenille-Läusen stammt. Ihre Einstellung zur Natur hat Martina Gebhardt zum Teil von den Indianern übernommen: 1994 hat sie sich eine Farm in Utah/USA gekauft. Dort baut sie auf 2.600 Meter Höhe viele Kräuter für ihre Naturkosmetik an. Bei Anbau, Produktion und Abfüllung richtet sie sich nach den Mondphasen. Deshalb tragen immer mehr Produkte von Martina Gebhardt Naturkosmetik das Demeter-Zeichen.

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