Interview

Rommel Arnado: „Mit Bio-Landbau Frieden schaffen“

Major Rommel Arnado ist Bürgermeister auf den Philippinen. Mit seinem Programm „Arms to Farms“ hat er dort Unvorstellbares geschafft. Öko-Landbau hat dabei eine wichtige Rolle gespielt.

Rommel Arnado lebt in Kauswagan. Die Gemeinde liegt im Norden der Insel Mindanao (Philippinen) und war lange Jahre Krieg und Terrorismus ausgesetzt. Bis Rommel Arnado dort Bürgermeister wurde.

Als Sie 2010 Bürgermeister von Kauswagan wurden, standen Sie vor einer riesigen Herausforderung. Welche war das?
Ich war ein absolutes politisches Greenhorn. Die Menschen in Kauswagan lebten in permanenter Angst und rannten sprichwörtlich oft um ihr Leben. Es gab Null Vertrauen in die lokale Regierung. Die zentrale Herausforderung war, wieder Frieden und Ordnung herzustellen und den Wiederaufbau zu organisieren.

Warum „rannten die Menschen um ihr Leben“?
In Kauswagan mit den dazugehörigen 13 Dörfern leben 24 000 Menschen mit muslimischem oder christlichem Glauben. Unsere Region war damals das Epizentrum eines kriegerischen Konfliktes zwischen den separatistischen Guerillakriegern der Moro Islamic Liberation Front und Regierungstruppen. Der Präsident hatte einen verheerenden Krieg geführt und Kauswagan war das Epizentrum der Gewalt und Zerstörung.

Was war die Ursache für die Gewalt und Zerstörung?
Wir dachten zunächst, dass die Ursache des Konfliktes religiöse und kulturelle Spannungen waren. Der Hauptgrund war aber die verzweifelte Lage der Bevölkerung aufgrund großer Armut. Das totale Versagen von Politik und Verwaltung führte sogar zu einer Hungerkatastrophe und die wiederum zum Krieg.

In Ihrem Plan für Frieden und Wiederaufbau spielte der Öko-Landbau eine zentrale Rolle. Warum?
Ich musste wieder Vertrauen in die Politik herstellen und den Menschen Würde zurückgeben. Ich wollte, dass Kauswagan nicht nur eine Region des Friedens, sondern auch ein Zentrum für gesunde und sichere Nahrungsmittelproduktion wird. Unsere Vision beruht auf zwei Säulen: Frieden schaffen und nachhaltige Entwicklung. Dies war der Ausgangspunkt für das „Arms to Farms“-Programm. Uns war klar, dass biologische Landwirtschaft der Schlüssel gegen Hunger und für Ernährungssicherheit ist. Dank des Bio-Landbaus konnten wir die Einkommen der bäuerlichen Familien um 40 Prozent steigern.

Zur Person

Rommel Arnado ist seit 13 Jahren Bürgermeister der philippinischen Stadt und Region Kauswagan. Als Christ hat er kreativ und erfolgreich dem biblischen Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“ eine neue Bedeutung gegeben. Sein „Arms to Farms“-Programm hat ihn weltweit bekannt gemacht. Arnado bekam bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Galing Pook Award, der herausragende Kommunalverwaltungen würdigt. Zudem wurde er zum neuen Präsidenten der ALGOA, einer internationalen Organisation für Öko-Landbau, gewählt.

Was genau beinhaltet das Programm „Arms to Farms“?
Wir boten den Rebellen an, ihre Waffen gegen Land und Ausbildung in Bio-Landbau zu tauschen. Das haben zunächst vier Kommandeure und 100 Guerillakämpfer akzeptiert. Dann wurden es 600 und schlussendlich legten ein paar Tausend Guerillakämpfer die Waffen nieder. Es gelang uns, mit Bio-Landbau Frieden zu schaffen.

Und warum haben Sie auf den biologischen Landbau gesetzt?
Als ich in den USA lebte, wurde ich auf die biologische Landwirtschaft aufmerksam. Meine Frau und die Kinder kauften Bio-Lebensmittel und überzeugten mich von ihrem Nutzen und ihrer Sinnhaftigkeit. Gesunde Bio-Lebensmittel passten zu meinem Ziel, immer nur das Beste für meine Familie anzustreben. Als ich in Kauswagan in die Politik einstieg, wollte ich das „Beste“ auch für die Bevölkerung – und das sind biologische Lebensmittel.

Wie sieht es heute in Kauswagan aus? Wie hoch ist die Armutsrate?
Unsere Programme veränderten die sozio-ökonomische Situation total zum Besseren für die Bevölkerung. Die Armutsrate sank innerhalb von neun Jahren von fast 80 Prozent auf neun Prozent. Dies wurde unter anderem dadurch erreicht, dass alle Familien nun in der Lage sind, Lebensmittel zu produzieren. Wir erreichten mit unserem Ausbildungsprogramm nicht nur die ehemaligen Rebellen, sondern letztendlich alle Bewohnerinnen und Bewohner der Region. Wir etablierten in den Dörfern Gemeinschaftsgärten und Bio-Höfe. Seit fünf Jahren ist es für jeden Haushalt Pflicht, sich einem solchen anzuschließen oder sich aus einem eigenen Garten mit Lebensmitteln zu versorgen.

Wie bio ist Kauswagan heute?
Inzwischen ist bei uns der Einsatz von Kunstdünger und synthetischen Pestiziden illegal, weil sie keinen Sinn machen, aber vor allem auch, um zu gewährleisten, dass 100 Prozent unserer Landwirtschaft biologisch betrieben werden kann.

Sie arbeiten auch mit Misereor, Naturland und Demeter zusammen. Worauf liegt der Fokus?
Misereor engagiert sich stark in der Bekämpfung von Armut und möchte unsere Strategien und Erfahrungen im großen Maß verbreiten. Mit den Öko-Verbänden Naturland und Demeter International kooperieren wir vor allem im Hinblick auf die Verbesserung unseres biologischen Landbaus. Und wir entwickeln gemeinsam ein System der Zertifizierung.

„Die Armutsrate sank von fast 80 auf neun Prozent“

Rommel Arnado

Kann Ihre Erfolgsgeschichte als Inspiration für andere Regionen dienen?
Viele Städte und Regionen in unserem Land übernehmen bereits unsere Strategien. Auch sind wir weltweit im Austausch mit interessierten Ländern wie Kolumbien, Guatemala, China, Mongolei und Brasilien. Gerne geben wir unser Wissen und unsere Erfahrungen weiter, insbesondere in Kriegsregionen.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Wir arbeiten daran, dass Kauswagan ein nationales Zentrum für ökologisches und nachhaltiges Lernen wird. Dafür bauen wir gerade ein Institut für biologische Landwirtschaft auf, mit dem wir noch mehr dabei helfen können, dass sich viele Regionen auf den Weg zu 100 Prozent Bio-Landbau machen.

Sie planen für nächstes Jahr eine Vortragsreise in Deutschland. Haben Sie auch Empfehlungen für den globalen Norden im Gepäck?
Mein Ratschlag für Politikerinnen und Politiker ist, den Menschen zuzuhören und für die Sicherung der notwendigen Bedürfnisse zu sorgen. Historisch gesehen hat der globale Norden die natürlichen Ressourcen und die Menschen des Südens mit Kolonialismus extrem und brutal ausgebeutet. Das geschieht letztendlich leider auch heute noch.

Was sollte sich ändern?
Die meisten Länder im globalen Süden wollen sich ökologisch und nachhaltig entwickeln. Dafür muss die Unterstützung signifikant verstärkt werden. Auch Deutschland sollte die nachhaltige Entwicklung im globalen Süden sowie die Bekämpfung der Klimakatastrophe weltweit mehr unterstützen.

Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge