Campact ist eine Kampagnen-Organisation, die vor allem für ihre Online-Petitionen bekannt ist. Die Arbeit des Vereins wird von 2,7 Millionen Newsletter-Lesenden und mehr als 250 000 Spender:innen unterstützt. Im digitalen Interview berichtet der Geschäftsführer Christoph Bautz, welchen Einfluss Protestaktionen auf die Politik haben und womit sein Verein aktuell zu kämpfen hat.
Wofür setzt sich Campact ein?
Zurzeit dominieren zwei große Themen bei uns: Dieses Jahrzehnt ist entscheidend, um die Klimakrise noch aufzuhalten. Deswegen versuchen wir an vielen Stellen, konsequenten Klimaschutz durchzusetzen: Wir wollen, dass nach dem Urteil aus Karlsruhe nicht massiv bei Klimainvestitionen gekürzt, sondern die Schuldenbremse abgeschafft wird. Das zweite Thema ist der Kampf gegen Rechts. Denn die Europawahl steht ebenso vor der Tür wie die Landtagswahlen im Osten der Republik.
Aktuell kündigen euch doppelt so viele Mitglieder wie vor fünf Jahren. Warum?
Für viele Menschen ist es finanziell enger geworden durch die Inflation, sodass sie weniger spenden können. Zum anderen wenden sich einige Leute von uns ab, weil wir klar Position beziehen gegen die AfD. Denn wir machen deutlich, welche Gefahren für die Demokratie von einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei ausgehen.
Ist die Klimakrise auch ein Grund für die vielen Kündigungen?
Ja, weil viele Menschen den Eindruck haben, dass soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz gegeneinanderstehen. Bei Campact denken wir beides zusammen, indem wir für ein Klimageld eintreten: Dabei bekommen Leute, die CO2 einsparen, Geld zurück, während Personen, die hohe CO2-Emissionen haben, draufzahlen müssen. Und wir wollen Klimaschutz positiv kommunizieren: Unsere Städte werden lebenswerter, wenn wir aufs Auto verzichten. Investieren wir in den öffentlichen Nahverkehr, sind auch auf dem Land viele besser angebunden.
Zur Person
Christoph Bautz wurde 1972 in Darmstadt geboren und studierte Biologie sowie Politikwissenschaft. Bereits während seines Studiums war Bautz beim Naturschutzbund Deutschland aktiv. Ende der 90er-Jahre baute er die Geschäftsstelle der Nichtregierungsorganisation Attac Deutschland mit auf. Im Anschluss daran stellte er als Mitbegründer den Verein Campact auf die Beine, wo er seit 2004 als Geschäftsführer tätig ist. 2010 wurde Bautz mit dem Umweltmedienpreis der Deutschen Umwelthilfe ausgezeichnet.
Wie wählt ihr eure Themen aus?
Wir schauen, wo große gesellschaftliche Debatten stattfinden und binden unsere Newsletter-Abonnentinnen ein: Durch Befragungen finden wir heraus, bei welchen Themen unsere Mitglieder aktiv sein wollen. Denn nur wenn wir viele sind, werden wir wirkmächtig.
Wie erzeugt ihr Aufmerksamkeit für ein Thema?
Unser Startpunkt sind Online-Petitionen, wie zum Beispiel unser Appell gegen Glyphosat, den mehr als 300 000 Menschen unterschrieben haben. Auf die Petitionen machen wir hauptsächlich über unseren Newsletter und Social Media aufmerksam.
Wie werdet ihr noch aktiv?
Gegen Glyphosat haben wir nicht nur online, sondern flächendeckend Unterschriften gesammelt, zum Beispiel vor Bio-Läden. Und wir sind Mitorganisator großer Demonstrationen wie zum Beispiel der Demo „Wir haben es satt“. Bei alledem arbeiten wir stark zusammen mit anderen Akteuren. In diesem Fall mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die sowohl Verbraucher:innen als auch Bäuerinnen und Bauern zusammenbringt, um gemeinsam für eine Sache einzustehen.
Bringt ihr Petitionen auch vor den Petitionsausschuss des Bundestages?
Nein. Wir überreichen Petitionen lieber gezielt an die Politiker:innen, die darüber auch zu entscheiden haben. Nur so bauen wir kurzfristig politischen Druck auf. Außerdem bringen Petitionen allein häufig keine Veränderung. Deshalb rufen wir die Leute auch dazu auf, mit uns auf die Straße zu gehen. Das ist über Bundestagspetitionen nicht möglich, aber über unsere Website und den Newsletter funktioniert das gut.
Welche konkreten Erfolge konnte Campact schon verbuchen?
Wir haben zum Beispiel mit einer breiten Protestbewegung dafür gesorgt, dass Genmais MON810 verboten wurde. Auch die starke Bewegung gegen Atomkraft, die wir mit vorangetrieben haben, hat in Deutschland etwas bewirkt – im Gegensatz zum europäischen Ausland. Ein weiteres Thema, für das wir mobilisierten, ist TTIP, also das Freihandelsabkommen mit den USA, das mit einer breiten Bewegung verhindert werden konnte.
Hat die Arbeit von Campact eine messbare Wirkung auf die Politik?
Ohne dass 1,4 Millionen Leute auf die Straße gegangen wären, hätten wir nie den Kohleausstieg und einen Durchbruch bei den erneuerbaren Energien bekommen. Daran sieht man, dass unser Protest politisch wirksam ist. Dafür braucht es verschiedene Akteure wie Fridays for Future oder auch Menschen, die zivilen Ungehorsam machen. Campact übernimmt häufig die Rolle, dieses Zusammenspiel der Aktionen zu organisieren. Wenn es gelingt, mit einem Thema abends in der Tagesschau zu landen, schafft das Aufmerksamkeit und diese wiederum politischen Druck. Wenn wir Petitionen zusätzlich an Politiker:innen überreichen, kommt der Druck direkt bei den Entscheidungsträger:innen an.
„Wir brauchen bis 2030 mindestens 30 % Öko-Landbau.“
Was sind eure Forderungen rund um ökologische Landwirtschaft?
Wir müssen die Tierbestände bis 2030 um die Hälfte reduzieren. Das heißt, die Regierung muss Geld in die Hand nehmen und Landwirt:innen helfen, umzusatteln, auch auf eine andere Produktion zu setzen. Außerdem müssen wir 1,2 Millionen Hektar ehemalige Moorflächen wieder vernässen. Denn ohne Wasser zersetzt sich der Torf im Boden und das ist eine der größten CO2-Quellen, die wir gerade im Land haben. Auch das Vorhaben der Regierung muss unbedingt umgesetzt werden: Wir brauchen bis 2030 mindestens 30 % Öko-Landbau.
Wie setzt du dich fürs Klima ein?
Ich habe landwirtschaftliche Flächen erworben und lege dort gemeinsam mit Freunden Agroforst-Felder an. Das heißt, wir pflanzen Bäume auf Feldern, um das Mikroklima positiv zu beeinflussen. Und gleichzeitig gibt mir das Klettern auf Obstbäume, um sie zu schneiden, Kraft für die politische Arbeit.
Wie wichtig sind dir Bio-Produkte?
Bei mir kommen zu 100 % Bio-Lebensmittel auf den Tisch. Außerdem ist mir saisonale, regionale und möglichst vegane Ernährung sehr wichtig.
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