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Wasser wird knapp

Katastrophale Überschwemmungen und sinkende Grundwasserpegel: So gefährdet die Klimakrise unseren Wasserreichtum.

Für die meisten ist hierzulande Wasser etwas, das immer verfügbar ist. Einfach den Hahn aufdrehen, schon fließt es. Ganz selbstverständlich. Doch schon heute geht Kommunen das Wasser aus. Einige Gemeinden in Ostwestfalen verboten 2020 ihren Bürgern, Pools zu füllen und den Rasen zu sprengen. Mancherorts brach gar die Trinkwasserversorgung zusammen: Im niedersächsischen Lauenau etwa war der Wasserspeicher leer gelaufen. Hier versorgte die Feuerwehr die Einwohner mit sogenanntem Brauchwasser, beispielsweise für die Toilettenspülung. Trinkwasser musste im Supermarkt gekauft werden. Und Ulrichstein, die höchstgelegene Stadt Hessens, hat schon länger mit Wasserknappheit zu kämpfen. Tankwagen liefern dort im Sommer Wasser, das aus dem Brunnen einer Nachbargemeinde gepumpt wird. Wasser: ein kostbares und rares Gut. In einer Risikoanalyse von 2019 warnt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: „Lange Dürreperioden können zu Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser führen.“

Woher stammt unser Trinkwasser?

127 Liter Trinkwasser verbraucht jeder Bundesbürger im Schnitt am Tag für Waschen, Duschen und Trinken. Ein Drittel dieses Trinkwassers stammt aus Seen, Flüssen und Talsperren. Zwei Drittel speisen sich aus dem Grundwasser. In vielen Regionen der Republik liegen jedoch die Grundwasserpegel – selbst nach andauernden Starkregen – unter ihrem üblichen Niveau. In Teilen Sachsens befanden sie sich im Juni dieses Jahres durchschnittlich 36 Zentimeter unter Normalwert. Auch viele Bäche und Flüsse haben den Wasserverlust der letzten Jahre nicht wieder aufgeholt. Im thüringischen Eichsfeld hat es der Landkreis deshalb auch diesen Sommer untersagt, für Pools oder zum Rasensprengen Wasser aus Bächen und Flüssen zu pumpen. Allenfalls in Handgefäßen durfte geschöpft werden.

Was Trinkwasserversorgern Sorgen macht

Von Zuständen wie in den vergangenen Dürrejahren blieben wir diesen Sommer weitgehend verschont. Im zurückliegenden Winter gab es Schnee. Auch das Frühjahr war, wie es sein sollte: regnerisch. Der Boden konnte sich etwas erholen, wie ein Blick auf den Dürre-Monitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt. Zumindest die obere Bodenschicht, die für Ackerpflanzen wichtig ist, profitierte von der niederschlagsreichen, hitzefreien Zeit. Die Landwirtschaft kann erstmal aufatmen. Trinkwasserversorger aber bleiben wachsam. Kaum, dass der Sommer an der 30-Grad-Marke gekratzt hat, riefen sie die Bevölkerung auf, mit Wasser aus der Leitung schonend umzugehen und nichts zu verschwenden. Kein Grund zur Panik, aber zur Besorgnis – so beschreibt Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung die Lage. Der Hydrobiologe forscht seit Jahrzehnten zu Wasser in Deutschland. Die Entwicklungen der letzten Jahre überraschen ihn überhaupt nicht. Es sei genau das eingetreten, was angesichts der Erderwärmung zu erwarten gewesen sei, sagt Borchardt und schätzt: „Die Dürre- und Hitzeperioden, die wir jetzt noch als extrem empfinden, werden in 30 bis 40 Jahren normal sein.“

Neumarkter Lammsbräu: „Öko-Anbau schützt das Wasser“

Johannes Ehrnsperger ist Chef der Bio-Brauerei Neumarkter Lammsbräu in der Oberpfalz

Die wichtigste Zutat von Bier ist Wasser. Die Bio-Brauerei Lammsbräu verbraucht für ihre Biere und Erfrischungsgetränke rund 110.000 Kubikmeter im Jahr. Ihre Quelle liegt in den tiefen Gesteinsschichten des Neumarkter Jura. „Gut geschützt“, wie Brauerei-Chef Johannes Ehrnsperger auf Nachfrage berichtet. Für ihn ist Wasser aber mehr als nur ein Rohstoff. „Es ist die Grundlage allen Lebens“, so Ehrnsperger. Sein Vater, der Öko-Pionier und frühere Brauerei-Inhaber Franz Ehrnsperger, setzte sich für sauberes Wasser ein und initiierte die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser. Getränkehersteller, die wie Lammsbräu das Siegel dieser Gemeinschaft tragen, haben sich neben einem strengen Reinheitsgebot dem aktiven Wasserschutz verschrieben. Als zentrales Mittel gilt der Öko-Landbau. Lammsbräu hat regionale Erzeugergemeinschaften gegründet, die für die Brauerei Gerste und Weizen in Bio-Qualität anbauen. „Jeder Quadratmeter ökologisch bewirtschaftete Fläche schützt unser wichtigstes Lebensmittel vor Pestiziden, Nitraten und Co.“, sagt Johannes Ehrnsperger. Lammsbraeu.de

Warum Starkregen und Überschwemmungen zunehmen

Diesen Sommer machte uns ein anderes Wetterextrem zu schaffen: Starkregen. Binnen Stunden standen vielerorts ganze Landstriche und Ortschaften unter Wasser. Auch hier spielt die Klimakrise die Hauptrolle. Hinter Starkregen steckt laut Hydrobiologe Borchardt eine simple physikalische Erklärung: „Eine wärmere Atmosphäre nimmt mehr verdunstetes Wasser auf.“ Entsprechend stürzt der Regen sintflutartig vom Himmel, Bäche treten über die Ufer, Kanalisation läuft über. Das alles geschieht in kürzester Zeit. Übers Jahr gesehen fällt zwar laut Borchardt genauso viel Wasser aus den Wolken, aber es verteilt sich anders. „Die Extreme nehmen zu“, sagt der Wissenschaftler. Bitter: Vom Starkregen profitieren nicht einmal die Grundwasserspeicher. Denn „das meiste Wasser fließt auf dem schnellsten Weg oberflächlich ab“, so Borchardt. Ganz zu schweigen von den katastrophalen Überschwemmungen, dort wo der Regen geballt ankommt.

Wer darf Wasser nutzen, wenn es knapp wird?

Wasser ist eine gefragte Ressource und die rund 6000 Trinkwasserversorger in Deutschland sind nicht die einzigen, die darauf zugreifen. Nur rund ein Fünftel des Wasserverbrauchs entfällt auf Haushalte und die öffentliche Versorgung. Mehr als die Häfte der insgesamt circa 24 Milliarden Kubikmeter im Jahr schleusen Energiekonzerne durch die Kühltürme ihrer Kraftwerke. Den Rest schlucken Bergbau, Gewerbe und Landwirtschaft. Für die Beregnung von Feldern verbrauchen die deutschen Bauern derzeit nur 1,3 Prozent des genutzten Wassers. Ihr Bedarf werde aber wegen zunehmender Dürren steigen, ist sich Experte Borchardt sicher. Er rechnet damit, dass im Ackerbau künftig mehr bewässert werden muss und damit „ein neuer großer Nutzer die Bühne betreten“ wird. Doch wer darf vorrangig Wasser nutzen, wenn die kostbare Ressource knapp wird? Wem wird der Hahn zuerst zugedreht? Angesichts der prognostizierten Klimaerwärmung sind Nutzungskonflikte immer wahrscheinlicher.

„Wasser wird zur Standortfrage“, sagt Dietrich Borchardt. In Brandenburg zeichnet sich ein solcher Fall bereits ab: Der Elektroautobauer Tesla hat für das Werk, das er dort errichtet, einen enormen Wasserbedarf angemeldet. Die Landesregierung in Potsdam will deshalb ein bislang unerschlossenes Vorkommen anzapfen. Der Wasserverband, der die Menschen der Region mit Trinkwasser versorgt, fürchtet, dass nicht mehr genug für alle da ist, wenn die Autofabrik ihre Produktion aufnimmt.

Ressource Wasser: Neues Grundwasser entsteht im Winter

  • Von Frühjahr bis Herbst sickert kaum Wasser in die grundwasserführenden Schichten. Denn der Großteil des Wassers wird von Pflanzen aufgesaugt und verdunstet. Eine Buche verdunstet 300 bis 500 Liter Wasser am Tag.
  • Im Winter, wenn die Vegetation ruht, kann sich das Wasser den Weg in die Tiefe bahnen. Nur dann kann unter den gegenwärtigen klimatischen Bedingungen neues Grundwasser entstehen.

Wie „Schwammstädte“ unser Wasser schützen

Der Druck auf die kostbare Ressource wächst. Umso dringlicher ist es, das Wasser zu schützen. Damit haben sich rund 200 Fachleute aus Wasserwirtschaft, Verwaltung und Forschung beim Deutschen Wasserdialog befasst. Das Ergebnis ist eine „Nationale Wasserstrategie“, die das Bundesumweltministerium im Juni vorgestellt hat. Das Ministerium empfiehlt darin, Kriterien zu entwickeln, nach denen entschieden werden kann, wer im Krisenfall Wasser nutzen darf und wer zurückstecken muss. Es regt eine gewässerschonende, klimagerechte Landnutzung an, sowie den Umbau städtischer Betonwüsten zu „Schwammstädten“. Diese sollen durch unversiegelte Flächen Regenwasser aufnehmen und speichern, statt es nur zu kanalisieren und abzuleiten: für ein besseres Klima und gesündere Bäume in der Stadt und weniger Überschwemmungen.

St. Leonhards Quellen: „Wasser bewegt sich im Kreislauf“

Martin Abfalter ist Geschäftsführer der St. Leonhards Quellen. Die Firma füllt Mineral- und Quellwässer artesischen Ursprungs ab.

st-leonhards-quellen.de

Die St. Leonhards Quellen füllen jedes Jahr bis zu 45 Millionen Liter Wasser ab. Firmeninhaber Martin Abfalter erzählt, dass es sich um seit Jahrhunderten bekannte Vorkommen handelt. „Sie haben sich in großer Tiefe unter dem Grundwasserspiegel angesammelt“, sagt er. Die zwei Quellorte von St. Leonhards befinden sich in Bad Leonhardspfunzen und Ruhpolding. „Es sind artesische Quellen“, so Abfalter weiter. Artesisches Wasser muss nicht nach oben gepumpt werden, sondern tritt aus eigener Kraft hervor. Trotz Klimawandel werde dieses Wasser nicht knapp, wie Abfalter berichtet. Zudem bleibe es aufgrund seiner tiefen Lage von schädlichen Einflüssen, etwa Düngemitteln, Arzneimittelrückständen oder Mikroplastik, verschont. Zum Schutz anderer Vorkommen vor Pestiziden und Kunstdünger hat St. Leonhards in den vergangenen zehn Jahren nach eigenen Angaben rund 800.000 Quadratmeter Grünfläche erworben und auf Öko-Landbau umgestellt. „Wasser bewegt sich im Kreislauf. Als Unternehmen fühlen wir uns für die wertvolle Ressource verantwortlich“, sagt Martin Abfalter. St-Leonhards-Quellen.de

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