Interview

Vadim Otto Ursus: „Bio-Produkte schmecken besser"

Der Spitzenkoch spricht im Interview über nachhaltiges und regionales Kochen, Zeit für die Familie und die Zukunft der gehobenen Küche.

Vadim Otto Ursus steht für eine neue Ära der Gastronomie: weniger rau und stressig, dafür achtsamer, regionaler und bio. In seinem Restaurant „Otto“ in Berlin gibt es kein Olivenöl und keine Zitronen, sondern Spezialitäten aus Brandenburg. Am Tag des Interviews steht gerade die Eröffnung seines zweiten Restaurants „Trio“ an. Im Hintergrund hört man emsig Töpfe und Geschirr klappern ...

Wie fühlst du dich am Tag deiner Restaurant-Eröffnung?
Ganz gut eigentlich, wir hatten letzte Woche einen Probelauf, aber ich bin natürlich trotzdem ein bisschen aufgeregt und kann noch gar nicht richtig glauben, dass es jetzt endlich so weit ist!

Worin liegt der Unterschied zum Restaurant „Otto“?
Im „Trio“ sind die Gerichte einfacher: Wir erfinden keine Geschmackskombinationen neu, sondern es gibt bekannte Speisen und eine bodenständige Wirtshausküche. Außerdem ist das Restaurant drei- bis viermal so groß wie das „Otto“ und ich betreibe es nicht allein, sondern mit zwei guten Freunden.

Hattest du schon immer eine Leidenschaft fürs Kochen?
Ich habe schon als Kind gerne gebacken und gekocht. Nach der Schule absolvierte ich dann ein Praktikum in einem Restaurant bei mir in der Nachbarschaft und dort wurde mir am ersten Tag schon klar, dass ich hier eine Ausbildung machen will. Sehr gut gefallen hat mir die Mischung aus handwerklich und kreativ, die ein schnelles, klares Ergebnis erzeugt – für das man ein direktes Feedback bekommt.

Zur Person

Vadim Otto Ursus ist 30 Jahre alt und in Berlin aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung zum Koch arbeitete er in den besten Restaurants der Welt. Unter anderem im „Noma“ (Kopenhagen) und im „Maaemo“ (Oslo). Vor rund drei Jahren kehrte er in seine Heimat zurück und eröffnete ein eigenes Restaurant: Im „Otto“ bekommt man zum Beispiel Bio-Butter vom Öko-Dorf Brodowin, Wildschweintartar mit fermentierten Tomaten oder Rohmilcheis mit eingelegten Holunderbeeren. Im März eröffnete Ursus ein zweites Restaurant, das „Trio“ in Berlin Mitte.

Du hast in den besten Restaurants der Welt gekocht und dann in deiner Heimat Berlin ein eigenes Restaurant eröffnet. Wie kam´s dazu?
Als ich meine Ausbildung fertig hatte, wollte ich raus in die Welt und habe in Restaurants an verschiedenen Orten gearbeitet, immer nur mit einem Koffer in der Hand: Ich habe meist relativ spontan entschieden, ein halbes Jahr hierhin oder dorthin zu gehen – je nachdem, wo sich etwas aufgetan hat. Vieles von dem, was ich in den Sternerestaurants gelernt habe, fand ich sehr spannend, aber ich habe mich gegen den rauen Umgangston und den schnellen Lifestyle entschieden und mich auf die Suche danach begeben, was ich als richtig empfinde. Zurück in Berlin hat sich dann der Zufall ergeben, dass mir ein guter Freund sein Restaurant angeboten hat – mit 16 Sitzplätzen und einem kleinen Tresen. Das war der optimale Ort für mich, um zu starten.

Gelingt dir im „Otto“ ein angenehmeres Arbeitsklima?
Ich würde behaupten, für den Großteil der Mitarbeiter:innen klappt das gut. Unser Umgangston ist nie rau und das ist das Allerwichtigste. Stressig und schnell ist es schon relativ konstant. Aber ich bin vor eineinhalb Jahren Vater geworden und dass es möglich ist, die meisten Abende der Woche zuhause zu verbringen, ist toll und sehr selten in der Gastronomie. Ich würde bei Weitem nicht behaupten, dass ich genug Zeit zuhause verbringe, aber den Umständen entsprechend viel.

Dein Restaurant ist bekannt für eine nachhaltige Küche. Was bedeutet das für dich?
Zum einen, dass die Mitarbeiter nicht ausbrennen und vernünftige Arbeitskonditionen vorfinden. Zum anderen mit Landwirten und Produzenten zusammenzuarbeiten, die ihre Felder nachhaltig bewirtschaften, keine
Monokulturen haben und sich um den Boden kümmern. Das heißt auch, dass sie einen vernünftigen Preis für ihre Ware bekommen, sodass sie auch in Zukunft weiter Bio-Landwirtschaft betreiben können.

Warum ist dir ökologische Landwirtschaft so wichtig?
Zum einen schmecken die Bio-Produkte besser und ich bin größtenteils so aufgewachsen. Außerdem ist es nicht vertretbar, große Felder mit Pestiziden zu spritzen – für die größten Maiskolben, die nicht gesund sind und nicht gut schmecken. Das ergibt keinen Sinn. Und letztlich habe ich auch eine Verantwortung als Gastronom, denn ich habe Einfluss darauf, was meine Gäste essen. Etwa 90 bis 95 Prozent aller Produkte in meinen Restaurants sind deshalb Bio.

„90 bis 95 Prozent aller Produkte in meinen Restaurants sind bio.“

Vadim Otto Ursus

Wie stehst du zu Fleischverzehr?
Wir arbeiten hauptsächlich mit Wild und männlichen Kälbern von Milchbauern, denn diese haben keine Verwendung auf den Höfen. Dann geht’s auch darum, dass man Tiere und Pflanzen ganzheitlich verwendet und nicht nur die Perle – zum Beispiel das Filet – rauspickt. Wir verarbeiten auch die Innereien von den Tieren und kochen Brühen aus den Knochen.

Im „Otto“ setzt du stark auf Regionalität. Wie streng seid ihr dort?

Im „Otto“ gibt es zum Beispiel kein Olivenöl und keine Zitronen und wir beziehen fast nur Lebensmittel aus Berlin und Brandenburg, manchmal Mecklenburg-Vorpommern. Im neuen Restaurant sind wir ein bisschen lockerer, aber alle Frischware kommt aus der direkten Umgebung. Mir ist es wichtig, dass man nicht Sachen aus der ganzen Welt einfliegt.

Wie gelingt dir hochwertige Qualität zu akzeptablen Preisen?

Akzeptable Preise sind natürlich für jeden anders, aber wir versuchen vieles zu vereinfachen: Die Gerichte werden zum Beispiel häufig auf einer Platte am Tisch serviert und jeder Gast nimmt sich davon etwas auf den eigenen Teller. Außerdem wird im „Otto“ abends doppelt besetzt und man sitzt relativ eng beisammen – was für manche toll ist und für andere eher befremdlich. Und wir haben keine Luxusprodukte, sondern wir machen aus einfachen, ökologisch produzierten Produkten etwas Besonderes.

Das berühmte Restaurant „Noma“ schließt seine Türen. Ist die Zeit der gehobenen Küche vorbei?
Es ist der Wahnsinn, wie viele Leute in einer Spitzenküche beschäftigt sind, häufig gibt es mehr Personal als Gäste. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass das aktuell nicht mehr rentabel ist. Die Preise sind sowieso schon sehr hoch und irgendwann ist eine Grenze erreicht. Außerdem ist Luxus aktuell nicht mehr so stark gefragt und viele Leute sehnen sich nach Bodenständigerem. Ich denke, dass es in Zukunft wieder mehr regionsspezifische Mittelklasse-Restaurants geben wird.

Welches Gericht kochst du privat am liebsten?

Zu Hause koche ich am liebsten chinesisch. Und ich würde auch behaupten, dass ich das privat am liebsten esse. Scharfe Szechuan-Eintöpfe inspirieren auch die Gerichte im Otto. Pur, aber stark im Geschmack.

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