Interview

Elisabeth Fresen: „Wir können keine neue Welt kaufen“

Elisabeth Fresen erzählt, was sie an ihrem Beruf der Bäuerin so liebt und warum politisches Engagement in Krisenzeiten wichtig ist.

Zeit ist im Alltag von Elisabeth Fresen eine knappe Ressource. Sie betreibt einen Bio-Bauernhof, vertritt bäuerliche Betriebe und berät die Bundesregierung in Fragen der Landwirtschaft. Da sie Übung darin hat, mit Engpässen umzugehen, findet unser Gespräch kurzfristig statt, irgendwann zwischen Schlachttermin und Sitzung in Berlin.

Sie haben mal gesagt, dass Bäuerin der schönsten Beruf der Welt sei. Stehen Sie angesichts der vielen Krisen noch zu dieser Aussage?

Auf jeden Fall. Landwirtin zu sein, ist ein so vielfältiger Beruf. Ich mag den Wechsel zwischen der Arbeit draußen mit den Tieren, mit dem lebenden Boden, die Arbeit mit Maschinen und den Kontakt zu Kund:innen. Die Arbeit von Bäuerinnen und Bauern wird stark von äußeren Rahmenbedingungen geprägt. Dazu kommt, dass die Bezahlung dafür sehr schlecht ist. Das ist eine Kehrseite meines Berufes. Ich habe mich trotzdem dazu entschieden.

Wie machen sich Energiekrise, knappe Rohstoffe und Inflation in Ihrer Arbeit bemerkbar?

Für mich ist das schwierig zu beurteilen, weil ich den Hof mit Beginn der Pandemie übernommen habe. Ich war irgendwie immer in der Krise. Im Augenblick nehme ich die Marktentwicklung als sehr schwankend wahr. Die gesamte Lebensmittelbranche befindet sich gerade in einer schwierigen Situation, da die großen Krisen wie Artensterben und Klimawandel alles andere überlagern. Umso dankbarer bin ich, dass unsere Kund:innen weiterhin gut bei uns einkaufen.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie von anderen Betrieben?

Ich höre von massiven Umsatzeinbrüchen bei vielen meiner Kolleg:innen. Viele Betriebe sind schon wirtschaftlich schlecht in die Krise gegangen, weil politischer Rahmen und die Märkte Qualitätsproduktion kaum honorieren. Das Wachstum der Betriebe wird gefördert. In diesem System haben es bäuerliche Betriebe schwer. Jetzt kommen noch extrem hohe Energiekosten und Rohstoffknappheit dazu. Selbst bio-zertifiziertes Futter ist entweder nicht verfügbar oder sehr teuer. Uns Bäuer:innen fehlt die Macht zur Preisgestaltung. Das Höfesterben wird also weitergehen.

Zur Person

Elisabeth Fresen hat 2020 die Betriebsleitung des Bio-Hofs Stoffers Hoff übernommen. Dort hält sie Mutterkühe, Zweinutzungshühner, arbeitet für Natur- und Klimaschutz, baut Feldfrüchte an und pflegt Obstbäume – nach Bioland-Standards. Fresen engagiert sich politisch, etwa in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), wo sie Co-Vorsitzende ist. Seit 2019 ist sie Mitglied in der Zukunftskommission Landwirtschaft, die die Bundesregierung und seit 2022 speziell das Bundeslandwirtschaftsministerium berät.

Sie beraten auch das Bundeslandwirtschaftsministerium.

Richtig, die Zukunftskommission Landwirtschaft wurde 2019 vom Bundestag berufen. Ich war anfangs skeptisch, ob wir ein gutes Papier zustande bringen würden, denn wir haben ganz unterschiedliche Perspektiven. Es sind Vertreter:innen aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft dabei, Wissenschaftler:innen und Verbände aus Industrie, Umwelt-, Tier- und Verbraucher:innenschutz. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir etwas Gutes vorgelegt haben. Julia Klöckner von der CDU hat dann auf Zeit gespielt und nichts von unserem Papier umgesetzt. Ihr Nachfolger im Landwirtschaftsministerium Cem Özdemir von den Grünen bislang aber auch nicht.

Wie lauten die Kernpunkte Ihres Papiers?

Wir müssen die Landwirtschaft umbauen, hin zu einer klimafreundlichen Lebensmittelproduktion, die die Umwelt schont, Tiere gut behandelt und Verbraucher:innen sowie Landwirt:innen gerecht wird. Das betrachten wir als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Geld kostet. Aber wir stecken heute schon Milliarden in die Landwirtschaft – allerdings in eine Form, die von der Gesellschaft nicht gewollt und schlecht für uns Bäuer:innen ist. Würden wir jährlich etwa sieben bis elf Milliarden Euro in den von uns empfohlenen Umbau investieren, dann wäre das wesentlich günstiger, weil die riesigen Folgekosten der industriellen Produktion in den nächsten Jahrzehnten ausblieben.

Welche Folgekosten sind das?

Zum Beispiel beim Ackerbau. Wenn wir heute auf künstlich hergestellte Düngemittel verzichten, produzieren wir weniger klimaschädlichen Gase und müssen morgen keine Schäden durch Extremwetter beheben. Ein anderes Beispiel betrifft Futtermittel: Würden wir weniger Tiere halten, müssten wir weniger Soja aus dem ehemaligen Regenwald importieren. Die Nitratbelastung ginge zurück und wir müssten morgen nicht unser Grundwasser reinigen. Bei all dem geht es immer noch darum, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die Logik dahinter ist einfach: Sorgsam mit unseren Dingen umzugehen ist günstiger, als sie kaputt gehen zu lassen und neu zu kaufen. Das fatale im Fall von Klimawandel und Artensterben: Wir können keine neue Welt kaufen, es gibt nämlich keinen Planeten B.

„Ich will in der Kommission keine Zeit totschlagen.“

Elisabeth Fresen, Bio-Bäuerin und Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft

Warum handelt Özdemir nicht?

Die Grünen sagen, es läge an der FDP. Wobei ich glaube, dass die beiden großen Regierungsparteien die Liberalen häufig als Ausrede für ihre Passivität benutzen. Vermutlich ist das nur ein Teil der Wahrheit. Umso ratloser macht mich die Situation, denn es besteht Konsens darüber, dass wir handeln müssen. Nochmal: Es liegen gute Lösungsvorschläge auf dem Tisch.

Ist die Zukunftskommission also gescheitert?

Ich würde sagen: noch nicht. Ich glaube aber, dass es für die Kommission schwierig ist, neue Impulse zu setzen. Aus meiner Sicht muss jetzt mehr Druck von der Straße kommen, denn die Themen Klimawandel und Artensterben gehen uns alle an, nicht nur Bäuerinnen und Bauern. Deshalb habe ich auch an der „Wir haben es satt“-Demo Ende Januar in Berlin teilgenommen.

Klingt kompliziert, gegen eine Regierung zu demonstrieren, die man selbst berät.

Gar nicht, denn ich habe meinen Standpunkt klargemacht: Ich will in der Kommission keine Zeit totschlagen, ich will etwas erreichen. Diese Einstellung teilen übrigens die meisten Kommissionsmitglieder.

Ist das Catering im Ministerium inzwischen nachhaltiger?

Auch so ein Punkt: Das Bundeslandwirtschaftsministerium sollte mal anfangen, bei der Ausstattung öffentlicher Kantinen ein bisschen Tempo zu machen und wenigstens im eigenen Haus 30 Prozent Bio einzukaufen. Davon habe ich noch nicht viel mitbekommen.

Ganz schön viele Baustellen. Wie schaffen Sie es, trotzdem so optimistisch zu bleiben?

Das hat viele Gründe. Die Arbeit auf dem Hof hilft mir, den Kopf wieder frei zu bekommen. Draußen an der frischen Luft sein, Landschaft gestalten, mit Menschen aus der Region arbeiten – das trägt schon dazu bei, dass ich positiv in die Zukunft blicke. Aber auch die Arbeit in der AbL spendet Kraft. Dort bin ich politisch zu Hause und engagiere mich mit zahlreichen Bäuerinnen und Bauern, die genauso denken und handeln wie ich. Insgesamt eine gute Mischung aus kleinen und großen Dingen, die mich optimistisch stimmen.

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