Knappe Rohstoffe und hohe Energiekosten machen Lebensmittel teurer. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher versuchen zu sparen. Das merken auch Bio-Läden.
Frau Jäckel, wie läuft's in den Bio-Läden?
Der Naturkostfachhandel weist aktuell stärkere Umsatzrückgänge auf. Die Kunden kaufen zwar weiterhin Bio, greifen aber verstärkt zu den günstigeren Eigenmarken der Händler.
Wie stark gefährden Inflation und Ukraine-Krieg die Bio-Branche?
Die Unternehmen haben auf diese äußeren Entwicklungen keinen direkten Einfluss. Die Folge ist, dass gesunde, mittelständische und regional verwurzelte Firmen in Bedrängnis kommen können. Wir sollten uns gerade jetzt für Unternehmen einsetzen, die eine Versorgung mit gesunden und klimafreundlichen Lebensmitteln sicherstellen.
Zum Beispiel für Bio-Läden.
Es ist wichtig, die Bio-Läden zu unterstützen, denn sie stehen für Vielfalt im Lebensmittelhandel. Mit ihnen verhält es sich wie mit Buchläden: Wenn man sie erhalten möchte, sollte man dort einkaufen. Man kann sich auch fragen, welchem Unternehmen man sein Geld lieber geben mag: dem Discounter, der sich mit einem kleinen Teil Bio im Sortiment zum großen Klimaretter aufschwingt, aber immer noch 90 Prozent seines Umsatzes mit Ware macht, die Bauern und Planeten ausbeutet? Oder dem Bio-Händler, der sich mit seinem 100-Prozent-Bio-Sortiment für eine nachhaltige Land- und Lebensmittelwirtschaft und den Schutz von Umwelt und Klima stark macht?
Nachgefragt
Liebe Leserinnen, liebe Leser, uns interessiert: Warum kauft ihr im Bio-Laden ein? Hat die Inflation euer Einkaufsverhalten verändert? Schreibt uns an: leserbrief@schrotundkorn.de
Was erwarten Sie von der Politik?
Die Klimakrise macht auch jetzt keine Pause, die Ernährungswende muss im Interesse der Zukunftssicherung weiterhin hohe Priorität haben. Deshalb sollte die Politik den Konsum gesunder, nachhaltiger und umweltschonender Lebensmittel aktiv fördern. Ein erster Schritt wäre die Streichung der Mehrwertsteuer auf Bio-Produkte.
Die Preisentwicklung war zuletzt ziemlich kurios. Teilweise war Bio-Butter günstiger als konventionelle. Woran liegt’s?
Die Preisdifferenzen zwischen konventionellen und Bio-Lebensmitteln haben sich in den letzten Wochen deutlich verringert. Zum einen haben die konventionellen Anbieter ihre Preise bereits während der Pandemie und noch einmal nach Beginn des Ukraine-Kriegs teils ordentlich angehoben. Zum anderen sind die Kosten für konventionelle Lebensmittel auch deswegen so drastisch gestiegen, weil sie für chemisch-synthetische Pestizide und künstliche Dünger extrem gestiegen sind. Da diese bei der Herstellung von Bio-Lebensmitteln nicht zum Einsatz kommen, ist Bio zumindest von diesen Preissteigerungen unabhängig. Für Verbraucherinnen und Verbraucher lohnt sich der Preisvergleich.
Mit welchen zusätzlichen Kosten haben auch Bio-Betriebe zu kämpfen?
Die Bio-Betriebe sind derzeit, genauso wie konventionelle Betriebe von den enorm gestiegenen Preisen für Energie und Verpackungen herausgefordert. Das gilt für nahezu alle Verpackungsmaterialien.
Werden sich die Preise für konventionelle und Bio-Lebensmittel weiter angleichen?
Wir gehen davon aus, dass der Abstand in den kommenden Wochen weiter schmelzen wird. Die aktuelle Preisstabilität im Bio-Markt kann vor allem durch die vertrauensvollen und partnerschaftlichen Geschäftsbeziehungen zwischen Bio-Erzeugern, Bio-Herstellern und Bio-Händlern und die langfristigen Liefervereinbarungen gewährleistet werden. Der Bio-Markt ist grundsätzlich resilienter als der konventionelle Lebensmittelhandel, da er stärker auf regionalen und kleinbäuerlichen Strukturen aufbaut und somit weniger abhängig von globalen Entwicklungen ist.
Kommentare
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Eigentlich eine gute Idee: ein Gespräch führen mit der Geschäftsführerin des Bundesverbandes, der die vielen engagierten Händler:innen im Bio-Bereich vertritt. Sie darin um Argumente bitten, die wir Verbraucher:innen nutzen können, um andere weiterhin zu motivieren, jetzt nicht auf billige Alternativen auszuweichen. Leider wurde diese Chance komplett vergeben.
Ganz am Ende kommt die Erklärung, warum der Bio-Bereich, der eher regional und kleiner strukturiert ist, resilienter am Markt ist als die Multis. Das hätte schon an den Anfang gehört. Überhaupt hätte man die Unterschiede deutlicher herausarbeiten können. Stattdessen kommen Apelle auf der Basis von Argumenten, die ohnehin allen Verbraucher:innen im Bio-Bereich bewusst sind. Geschenkt.
Ganz schlimm finde ich jedoch, wenn eine Verbandsvertreterin rein emotionale, unsinnige und aus meiner Sicht nicht umsetzbare Forderungen an die Politik stellt: die "Streichung der Mehrwertsteuer auf Bio-Produkte". Für mich ist nicht erkennbar, auf welcher Rechtsgrundlage der Gesetzgeber eine solche Entscheidung umsetzen soll, ohne dass die Wettbewerber deswegen vor Gericht gehen? Wie stellt sich die Geschäftsführerin das vor? Und noch viel weniger klar wird, wie die tatsächliche Umsetzung und Kontrolle einer solchen Maßnahme aussehen soll, um Missbrauch zu verhindern. Wieviel "Bio" in einem Produkt ist ausreichend für die Streichung? Welches Siegel ist dafür erforderlich? Um nur mal 2 Fragen dazu zu nennen. Die Liste ließe sich mühelos fortsetzen. Von einer Verbandsvertreterin erwarte ich durchdachte Konzepte anstatt wohlfeiler plakativer Überschriften, die unbedarften Menschen Ideen in die Köpfe setzen, ohne jedoch echte Argumente zu sein.
Der Journalistin empfehle ich ihren Kollegen Fred Grimm als Vorbild. Dessen Artikel sind durchdacht und eine reine Lesefreude. Dieses Interview dagegen ist eine Zumutung für denkende Menschen und ist daher für die Tonne. Sehr bedauerlich angesichts des Anspruchs, den Schrot & Korn normalerweise an den Tag legt. Hier haben sich sowohl die Interviewerin als auch die Interviewte keinen Gefallen getan.