Die Klimakrise mit ihren Wetterextremen beschert uns ungewöhnlich langanhaltende Trockenheit, Starkregen und Überschwemmungen. Da ist es umso wichtiger, dass Böden in der Lage sind, Wasser aufzunehmen und zu speichern. Wie gut das gelingt, hängt im Wesentlichen von der Bodenbeschaffenheit ab. Je nach Klima, Grundgestein, Topografie und Bewirtschaftung sind Böden eher sandig, schluffig, tonig oder lehmig. Es gibt leichte und schwere, saure und basische, fruchtbare und unfruchtbare, wassergesättigte und ausgetrocknete Böden.
Warum gute Schwammböden aussehen wie Popcorn
Die Agrarwissenschaftlerin Dr. Andrea Beste erforscht seit dreißig Jahren, wie wir Böden so verbessern können, dass Mensch und Natur gleichermaßen profitieren. Sie sagt: „Die konventionelle Landwirtschaft hat die Bedeutung gesunder Böden lange vernachlässigt.“ Böden seien zu reinen Verankerungsplattformen für Pflanzen degradiert worden, welche mit Mineraldünger gefüttert und mit Gift gegen Beikräuter und Schädlinge verteidigt werden. Gerade beim Thema Wasserspeicherung räche sich das, so Beste. Dabei sei es fast überall in Europa möglich, auch degradierte Böden wieder zu sogenannten Schwammböden aufzubauen. Diese lassen Regenwasser langsam versickern und bereiten es gleichzeitig biologisch auf. Wie nah ein Boden an diesem schwammigen Idealzustand ist, lässt sich leicht erkennen: „Ein Schwammboden sieht aus wie Popcorn, das mit Honig verklebt ist. Er hat sehr viele Hohlräume und verschiedene, unregelmäßige Partikel“, beschreibt die Bodenexpertin. Erinnere ein Boden hingegen an eine kompakte Tafel Schokolade, könne er kaum Wasser aufnehmen.
Was Milliarden Lebewesen in gesunden Böden machen
Doch wie entsteht klebriger, löchriger Popcorn-Boden? Die wichtigste Voraussetzung für einen Schwammboden ist ein intaktes Bodenleben, auch Bodenbiom genannt. Damit sind die Milliarden Lebewesen gemeint, von denen wir die meisten mit bloßem Auge gar nicht erkennen können. Neben Asseln, Regen- und Fadenwürmern, Tausendfüßlern und Springschwänzen tummeln sich in gesunden Böden vor allem Algen, Pilze und Bakterien. Deren bevorzugter Lebensraum sind Wurzeln – und zwar am liebsten möglichst viele verschiedene. Beste erklärt, bei der Ernährung der Bodenlebewesen habe die Symbiose mit Wurzeln einen besonderen Stellenwert. Auf konventionell bewirtschafteten Feldern, die mit Mineraldünger versorgt werden, müssten Pflanzen kaum mit Bodenlebewesen zusammenarbeiten, um an Nährstoffe zu kommen. Das Bodenleben werde arbeitslos und verkümmere. Zusätzlich töten einige Pestizide die Mikroorganismen. Das Ergebnis sind Böden, die weder Nährstoffe noch Wasser speichern – und so Dürre und Starkregen nichts entgegenzusetzen haben. Bio-Böden schneiden deutlich besser ab als konventionell bewirtschaftete: Ökologische, biodiverse, mit Fruchtfolgen bewirtschaftete Böden speichern doppelt so viel Wasser, sagt die Kommission Bodenschutz am Umweltbundesamt.
Wie Rinder mit Mob-Crazing Böden verbessern
Fast ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen Deutschlands – rund 4,7 Millionen Hektar – sind Wiesen und Weiden. Auch diese kann man so nutzen, dass ihre Böden mehr Wasser speichern. Bio-Landwirt Ruven Hener vom Gut Temmen in der Uckermark schickt seine Rinder seit einigen Jahren zum Mob-Grazing auf die Weiden. Dabei grasen die Herden mit hoher Tierdichte, Tier an Tier, kurze Zeit auf einem begrenzten Stück Weide. Sie sollen mehr als die Hälfte der Pflanzen niedertrampeln. Vermischt mit Dung schützt die dadurch entstehende Mulchschicht den Boden vor Austrocknung und Erosion und kann eine wertvolle Senke für Kohlenstoff sein. Hener erklärt: „Wir stecken alle sechs bis 24 Stunden ein neues Stück Weide ab. Wenn die Tiere auf die nächste Parzelle getrieben werden, bleiben Pflanzenreste und Dung zurück. Das nährt und schont den Boden und erhöht somit seine Wasserspeicherfähigkeit.“
Seinen Weideversuch lässt Hener wissenschaftlich begleiten. Seit 2022 erhebt ein Team der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und der Klimapraxis, Gesellschaft zur Förderung einer regenerativen Agrikultur, regelmäßig Bodendaten wie Feuchtigkeit, Temperatur und Beschaffenheit. „Die Vergleiche mit herkömmlich beweideten Flächen zeigen deutliche Unterschiede: Wir sehen auf Mob-Grazing-Flächen eine raschere Versickerung bei Starkregen. Außerdem sind die Böden weicher und lockerer, was uns die Zaunarbeiten erleichtert“, berichtet Hener.
Nationale Wasserstrategie: Wer bekommt Wasser, wenn es knapp ist?
- Das Bundeskabinett hat im März 2023 die Nationale Wasserstrategie verabschiedet, um sicherzustellen, dass bezahlbares Trinkwasser langfristig überall und jederzeit verfügbar ist.
- Eine Wassernutzungshierarchie soll bei Knappheit festlegen, wer vorrangig Wasser nutzen darf.
- Die Strategie setzt auf Grün und weniger Flächenversiegelung, auf wasserspeichernde Ökosysteme und mehr Öko-Landbau.
- Firmen, die wasserschädliche Produkte oder Wirkstoffe herstellen, sollen für Abwasseraufbereitung mehr zahlen.
- Die Kritik etwa vom Verein Campact lautet, dass die Strategie den Getränkeherstellern zu viele Rechte einräumt, statt der öffentlichen Trinkwasserversorgung konsequent Vorrang zu geben.
- Infos zum Hintergrund zur Nationalen Wasserstrategie vom Bundesministerium gibt es auf www.bmuv.de.
Keyline-Design: Mit Bäumen einen Wasserkreislauf wiederherstellen
Auch Philipp Gerhardt weiß um die Bedeutung humoser Böden. Der Diplom-Forstwirt plant regenerative Landschaften und setzt dabei vor allem auf Gräben und Bäume. Er bemängelt, dass der überwiegende Teil unserer Landschaft durch Ackerbau zu Freiflächen wurde. Meteorologisch betrachtet seien diese Flächen glatt. „Das beschleunigt den Wind und hemmt Verdunstung, Kühlung und Wolkenbildung mit verheerenden Auswirkungen auf unser Klima.“ Mithilfe von Gräben entlang von Keylines oder Schlüssellinien gestaltet er Landwirtschaft im hügeligen Gelände so, dass möglichst viel Wasser auf der Fläche gehalten und optimal verteilt wird. Dazu pflanzt er Bäume, die Sickerwasser aufnehmen. Das beugt Dürre und Hochwasser gleichermaßen vor. Denn Bäume können über ihre Kronen am Tag mehrere hundert Liter Wasser verdunsten, was Kühlung bringt. Und über strukturreichen Landschaften bilden sich mehr Quellwolken, die Regen bringen und die Sonnenstrahlen zurück ins Weltall reflektieren, bevor sie die Erde weiter aufheizen.
Nachdem Bio-Landwirtin Tina Sickmüller 2022 zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Kartoffeln bewässern musste, war ihr klar: Sie muss etwas unternehmen. Entlang der Schlüssellinien ihrer Felder hat sie Sammelgräben angelegt und dahinter Reihen aus Nussbäumen und Pappeln gepflanzt. Es ist ein Versuch. Aber Gerhardt ist überzeugt: „Mit gepflanzten Bäumen können wir einen wichtigen Wasserkreislauf in unserer Landschaft wiederherstellen.“
Interview mit Manfred Mödinger
„Bio-Wasseruhr belegt: Öko-Landbau schützt das Wasser“
Was ist die Bio-Wasseruhr?
Die Bio-Wasseruhr zeigt die jährliche Wassermenge an, die der Öko-Landbau in Deutschland durch den Verzicht auf Ackergifte und die Förderung gesunder Böden schützt. Damit stellen wir anhand konkreter Zahlen dar, was Bio für unsere Wasserversorgung leistet.
Wie wird die durch Bio geschützte Wassermenge ermittelt?
Für die Berechnung berücksichtigen wir die jährliche Niederschlagsmenge, die ökologisch bewirtschaftete Fläche und die durchschnittliche Infiltrationsrate von Regenwasser in den Boden. Letztere misst, wie viel Wasser ein Boden in einer bestimmten Zeitspanne aufnehmen kann. Für das Jahr 2021 haben wir so ermittelt, dass der Öko-Landbau rund 2,3 Milliarden Kubikmeter Wasser geschützt hat.
Kann man schlussfolgern, welche Kosten Bio bei der Wasserversorgung einspart?
Die Kosten, um Nitrate, Pestizide sowie deren Abbauprodukte aus dem Wasser zu entfernen, belaufen sich im Mittel auf 65 Cent pro Kubikmeter Wasser. Fällt Regen auf giftfreie, humusreiche Bio-Flächen, entstehen diese Kosten nicht, die sonst mit der Wasserrechnung bezahlt werden müssen. Umgerechnet wird die Allgemeinheit je ökologisch bewirtschaftetem Hektar um rund 837 Euro entlastet.
Werden Bio-Landwirte und -Landwirtinnen für diese Leistung belohnt?
Bio-Betriebe erhalten für die ökologische Bewirtschaftung ihrer Felder, Wiesen, Weiden und Gärten staatliche Zuschüsse. Wie hoch diese sind, variiert von Bundesland zu Bundesland. Oft wird diese Art der Subventionierung kritisiert. Die Bio-Wasseruhr zeigt aber, dass die staatliche Förderung des Öko-Landbaus wirkt. Denn sie belegt allein schon mit Blick auf unser wichtigstes Lebensmittel, wie sehr wir alle von Bio profitieren.
- www.ufz.de Dürremonitor Deutschland
- www.mob-grazing.de Das Netzwerk für Landwirtschaft, Wissenschaft und Politik
- https://baumfeldwirtschaft.de Keyline-Designer bei der Arbeit
- Buchtipp: Ritzer, Uwe: Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand. Was jetzt passieren muss. Penguin
Verlag, 2023, 304 Seiten, 20 €
Kommentare
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Hallo Frau Hiester,
gerne möchte ich noch einen Gedanken zu Ihrem wertvollen Artikel im aktuellen Heft zur Rolle der insbesondere landwirtschaftlichen Böden gegen Dürre beitragen:
Der ansonsten gute Artikel lässt die Rolle der Bodenbearbeitung bzgl. Bodenfruchtbarkeit, Austrocknungs- und Erosionsschutz sowie Wasseraufnahmefähigkeit unerwähnt.
Anerkanntes Erfahrungswissen aus der Praxis und Wissenschaft ist, dass je geringer und die Bodenbearbeitung ist, je besser für den Boden, sein Mikrobiom, die Bodenfruchtbarkeit, die Biodiversität im Umfeld, die Wasseraufnahme- und haltefähigkeit. Ausser bei sehr verdichteten Böden, welche eine anfängliche Unterkrumenlockerung durch eine langsame Bearbeitung mit Tiefenzinken (4 auf 3m Breite) benötigen. Grundprinzipien der nachhaltigen Förderung der Böden sind die ganzjährige Bedeckung mit Pflanzen oder Pflanzenresten, die Mulchsaat und die Direktsaat und eben eine nahezu wegfallende Bodenbearbeitung. Kompost und Komposttees spielen für die Düngung auch eine ganz bedeutende Rolle. Dies zusammen mach die Böden in den zuvor genannten Aspekten fit zumachen und auch stärkt gegen Beikräuter zu stärken.
Der sich einstellende Ernteerfolg ist die Veränderung wert. Anbei füge ich Ihnen interessante Links zu weitergehenden Informationen zu dem Themenkomplex Bodenfruchtbarkeit und Funktion im Klimawandel bei.
Bodenfruchtbarkeit.bio:
https://www.bodenfruchtbarkeit.bio/bauerliches-praxiswissen/bodenentwicklung-ist-moeglich-oekologische-grundbodenbearbeitung-als-konzept. https://soilify.org, mit vielen Fachinformationen zum Thema Boden und Bodenfruchtbarkeit.
Alexander Klümper, langjähriger Anwender von Direktsaat:
https://www.startpage.com/do/dsearch?query=youtube+alexander+kl%C3%BCmper&cat=web&pl=ext-ff&language=deutsch&extVersion=1.3.0
https://www.youtube.com/c/AlexanderKlümper. Ferner gibt es eine sehr informative Online-Lehrplattform von Cefe International / Stefan Schwarzer / Schloss Tempelhof zur Funktion des Bodens und der Bodenpflege.
https://www.schloss-tempelhof.de/service/newsletter/news-herbst-2022/neu-online-lernplattform-fuer-regenerative-landwirtschaft-regagri4europe/
Des weiteren kann ich Ihnen die Veröffentlichungen oder den Kontakt mit Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, u.a. Akademie Schloss Kirchberg empfehlen, er hat sehr interessante
Beiträge zu Landschaftsbildender Landwirtschaft, welche auch viele die Bodenfruchtbarkeit und die Klimaresilienz von Ackerböden fördernde Maßnahmen beschreiben, erstellt.
Der Schlüssel zur maximalen Resilienz und Fruchtbarkeit von Böden liegt in der geringst möglichen Bearbeitung. Darüber hinaus senkt es die Betriebskosten erheblich. Herzliche Grüße
Carl-Egbert Stever
Hallo Herr Stever,
vielen Dank für Ihre Ergänzung. Sie haben Recht, eine möglichst geringe Bodenbearbeitung spielt in dem Kontext ebenfalls eine wichtige Rolle - und könnte sogar Stoff für einen weiteren Artikel mit dem Arbeitstitel "lasst den Boden in Ruhe" bieten. Dankeschön!
Herzliche Grüße
Ina Hiester