Die Pestizid-Studie hatte es wirklich in sich: Mit ihr wurde erstmals umfassend nachgewiesen, dass sich überall in Deutschland Pestizide in der Atemluft befinden, auch wenn der nächste Acker kilometerweit entfernt ist. Entsprechend aufgeregt reagierten die Hersteller dieser Ackergifte nach dem Erscheinen der Studie Ende September. Ihr Lobbyverband IVA kritisierte sie als „alarmistisch und wissenschaftlich nicht valide“. Die in der Studie nachgewiesenen Mengen seien so minimal, dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich seien. Peter Müller, Chef von Bayer Crop Science Deutschland, argumentierte, dass mit modernen Analysemethoden sogar winzige Spuren von Pflanzenschutzmitteln in der Arktis und Antarktis nachweisbar seien. Die in der Studie festgestellten Mengen seien weit geringer als die Rückstände, die ein Mensch nach den offiziellen Grenzwerten täglich mit dem Essen zu sich nehmen dürfe.
Warum das Einatmen von Pestiziden gefährlich sein könnte
Der Auftraggeber der Studie, das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, reagierte auf die Vorwürfe: Die Aufnahme von Pestiziden über die Lunge sei weitgehend unerforscht. Sie mit der Aufnahme über die Nahrung zu vergleichen, sei fachlich falsch. Auch sei kaum etwas darüber bekannt, wie es sich auswirkt, wenn nicht nur ein Wirkstoff, sondern ein ganzer Cocktail an Pestiziden eingeatmet werde. Ebensowenig sei untersucht, wie sich die „permanente Belastung der Luft mit einer Vielzahl an Pestizid-Wirkstoffen auf Ökosysteme“ auswirke. Diese Wissenslücken gibt es aus Sicht des Bündnisses, weil der Transport von Pestiziden über die Luft und über weite Strecken hinweg im europäischen Zulassungsverfahren für Pestizide bisher vernachlässigt wurde. Bis die offenen Fragen geklärt seien, müssten die Pestizide, die sich am meisten verbreiten, aus Vorsorgegründen sofort vom Markt genommen werden, fordert das Bündnis.
Wer hinter der Studie „Pestizid-Belastung der Luft“ steht
Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft ist ein Zusammenschluss aus Bio-Unternehmer*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Akteur*innen haben sich zum Ziel gesetzt, die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen zu schützen, zu erhalten und – wo sie bereits beschädigt sind – wieder aufzubauen. Dazu regt das Bündnis wissenschaftliche Untersuchungen an, informiert Politik und Zivilgesellschaft und sucht den Dialog mit den Menschen.
Das Umweltinstitut München ist eine deutsche Umweltschutzorganisation, die sich nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl als unabhängige Messstelle für Radioaktivität gründete. Inzwischen beschäftigt sich der durch Spenden finanzierte, gemeinnützige Verein auch mit den Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf Mensch und Natur. Das Umweltinstitut führt eigene Messungen, Studien sowie Kampagnen und Protestaktionen durch.
Mit der „Aktion Ackergifte? Nein danke!“ wollen das Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München ein generelles Verbot der Ausbringung von Agrochemikalien erreichen.
Mehr Informationen findet ihr unter ackergifte-nein-danke.de
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