Verhütung

Natürliche Familienplanung: So geht's

Verhüten oder Kinderwunsch: Mit den Methoden der natürlichen Familienplanung lernen Frauen ihre fruchtbaren Tage bestimmen.

Lea M. ist 25. In den nächsten Jahren möchte sie sich voll auf ihren Beruf konzentrieren. Eigene Kinder kommen in ihrer Zukunftsplanung frühestens mit Anfang 30 vor. Und obwohl sie in einer festen Beziehung ist, hat sie gerade die Pille abgesetzt. Lea erklärt: „Es fühlt sich für mich einfach nicht richtig an, meinem Körper mit der Pille ständig eine Schwangerschaft vorzutäuschen.“ Solche und ähnliche Geschichten hört die Kieler Gynäkologin Dr. Dorothee Struck häufig von ihren Patientinnen.

Alternative Methoden zur Verhütung: Warum?

Neben dem Thema Scheinschwangerschaft seien es meist konkrete Nebenwirkungen der Pille, die Frauen motivieren, sich mit alternativen Verhütungsmethoden zu beschäftigen. Beispiele dafür sind Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen, Schmierblutungen oder Libidoverlust. Auch ein zunehmendes Umweltbewusstsein ist für immer mehr Frauen ein Grund, bei der Verhütung auf Hormone zu verzichten. Denn diese geraten über Abwässer in die Umwelt und können Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen. Und während manche Frauen einfach sich selbst und ihren individuellen Zyklus besser kennenlernen wollen, treibt andere ein bisher unerfüllter Kinderwunsch in Dr. Strucks Praxis.

Sie alle ermutigt die Ärztin, sich intensiver mit ihrem eigenen Körper und ihrer Fruchtbarkeit auseinanderzusetzen – mit den Methoden der Natürlichen Familienplanung (NFP).

Was versteht man unter natürlicher Familienplanung?

NFP befähigt Frauen zu ermitteln, wann ihre fruchtbaren Tage sind. Entscheidend dafür ist der Zeitpunkt des Eisprungs, wenn die Eizelle den Eierstock verlässt und zur Gebärmutter wandert. Wird die Zelle in dieser Zeit befruchtet, kann es zu einer Schwangerschaft kommen. Um zu überprüfen, in welcher Zyklusphase frau sich befindet, sind täglich mindestens zwei Parameter zu messen und zu dokumentieren.

Dr. Struck erläutert: „Ausschlaggebend sind die Körpertemperatur gleich nach dem Aufwachen, die Beschaffenheit des Zervixschleims und/oder die Lage und Festigkeit des Muttermunds.“

Die symptothermale Methode misst Schwankungen der Körpertemperatur

Die sogenannte Basaltemperatur kann oral, vaginal oder rektal gemessen werden, wobei der Messort innerhalb eines Zyklus nicht gewechselt werden sollte. Wichtig ist, dass noch vor dem Aufstehen und möglichst immer zur gleichen Zeit gemessen wird.

Mit der Billings-Methode die Veränderung des Zervixschleims beobachten

Um die Beschaffenheit des Schleims zu bewerten, wird dieser mit zwei Fingern am Muttermund abgenommen. Dabei lässt sich gleich abtasten, ob der Muttermund weich, hochsitzend und offen oder hart, tiefsitzend und verschlossen ist.

Für wen ist NFP nicht geeignet?

Die Methoden der natürlichen Familienplanung solltet ihr nicht im Alleingang anwenden, wenn ihr sehr lange und unregelmäßige Zyklen habt, wenn ihr zum Beispiel im Schichtdienst arbeitet oder aus anderen Gründen einen sehr unregelmäßigen Alltag habt oder wenn für euch eine Schwangerschaft ein Risiko darstellen könnte. Wir empfehlen: Holt euch Beratung!

Checkliste: Unfruchtbare und fruchtbare Tage erkennen

Die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft besteht bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr ein bis zwei Tage vor sowie am Tag des Eisprungs selbst. Spermien können in der Gebärmutter durchschnittlich zwei bis fünf lang überleben. Obwohl eine Eizelle nach dem Eisprung nur 24 Stunden lang befruchtungsfähig ist, zählen daher auch die Tage vorher zu den fruchtbaren Tagen.

So erkennt ihr eure unfruchtbaren Tage:

  • niedrigere Körpertemperatur
  • Der Zervixschleim ist trocken, durchlässig, unelastisch. Er wird im Zyklusverlauf allmählich feuchter.
  • Der Muttermund ist nach der Menstruation geschlossen, hart, tief stehend und leicht zu ertasten. Im Zyklusverlauf verliert er seine Festigkeit, öffnet sich allmählich und wandert nach oben.

So erkennt ihr eure fruchtbaren Tage:

  • Eure Körpertemperatur steigt nach dem Eisprung um ca. 0,2 °C an.
  • Der Zervixschleim ist cremig, reichlich, glasig, spinnbar und fadenziehend.
  • Der Muttermund ist weich, hoch, offen und schwer zu ertasten.

Wie sicher ist Natürliche Familienplanung als Verhütungsmittel?

Die rich­tige Anwendung voraus­gesetzt, ist die NFP-Methode sehr sicher. Mit dem sogenannten Pearl-Index gibt man die Sicherheit von Verhütungsmitteln an. Er liegt bei der NFP zwischen 0,4 bis 1,8. Das heißt, von hundert Frauen, die die symptothermale Methode über ein Jahr anwendeten, wurden in Studien nur 0,4 bis 1,8 Frauen schwanger. Zum Vergleich: Bei der Pille beträgt der Pearl-Index 0,1 bis 0,9, beim Vaginalring 0,4 bis 0,65, bei Kondomen 2 bis 12 und bei der Kupferspirale 0,3 bis 0,8.

Wie sinnvoll sind NFP-Apps, Spezial-Thermometer und Zykluscomputer?

Das wachsende Interesse an natürlicher Familienplanung ohne Hormone macht sich längst wirtschaftlich bemerkbar. So gibt es immer mehr Apps, Spezial-Thermometer und Zykluscomputer, die Frauen beim Messen, Dokumentieren und Auswerten ihrer Fruchtbarkeitsindikatoren unterstützen sollen. Frau Dr. Struck sieht die Digitalisierung solch intimer Informationen jedoch kritisch: „Ich empfehle nur Apps und Geräte aus Ländern zu nutzen, in denen mindestens die europäische Datenschutz-Grundverordnung gilt.“

Ein einfaches Thermometer und ein Zyklusblatt seien in Sachen Datenschutz sicherer, günstiger und nachhaltiger. Denn Verhütungscomputer kosten oft Hunderte Euro und landen letztlich im Elektromüll. Dr. Struck sagt: „Bei digitalen Hilfsmitteln ist es wichtig, dass diese auf einem sinnvollen, wissenschaftlich fundierten Algorithmus basieren. Manche Apps nutzen nur reine Abzählmethoden, die dem individuellen, variablen weiblichen Zyklus keinesfalls gerecht werden.“

„Insgesamt vermitteln die vielen Angebote vor allem den Eindruck, NFP sei wahnsinnig kompliziert. Das ist es aber gar nicht.“

Dorothee Struck, Gynäkologin

Parallel zu Zyklus-Tools und -Gadgets nimmt auch die Anzahl an Angeboten für Beratung zu. Das mache bei ungewöhnlichen Zykluskurven oder bei unerfülltem Kinderwunsch durchaus Sinn. Doch „insgesamt vermitteln die vielen Angebote vor allem den Eindruck, NFP sei wahnsinnig kompliziert. Das ist es aber gar nicht“, weiß die Gynäkologin aus der Erfahrung in ihrer Praxis. Übrigens lässt sich NFP unter Beachtung einiger Sonderregeln auch in der Stillzeit oder während der Menopause anwenden.

Mehr über natürliche Familienplanung

  • Hier gibt es Infos, kostenloser Download von Zyklusblättern und eine deutschlandweite Suchfunktion für Beraterinnen. www.sensiplan.de
  • Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert rund um Verhütung, Kinderwunsch und Schwangerschaft. www.familienplanung.de
  • Buchtipp: Arbeitsgruppe NFP: Natürlich und sicher. Trias Verlag, 2021, 128 Seiten, 19,99 €
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