Kolumne

Die Spiele und die Lügen

Wie glaubwürdig sind eigentlich Politiker, die immer wieder Blödsinn reden, fragt sich Fred Grimm. Beispiel: Bundesjugendspiele.

Bundesjugendspiele. Hach, die Erinnerungen … Keine Angst, ich verschone Sie mit Rückblicken, es geht ums Heute, genauer: um die Zukunft des Landes. Denn die ist offenbar bedroht, weil nicht mal mehr die Kinder sich noch anstrengen müssten. Unlängst behauptete CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die Bundesjugendspiele sollten abgeschafft werden. Angeblich „weil keiner mehr eine Ehrenurkunde bekommen darf. Was ist los in diesem Land?“ Auch Linnemanns Vorgesetzter Friedrich Merz und dessen CSU-Pendant Markus Söder wüten gern gegen die „Abschaffung“. Eigentlich gab es in letzter Zeit kaum einen Politiker aus dem rückwärtsgewandten Spektrum, der beim Thema Bundesjugendspiele nicht das Mantra im Munde führte, das FDP-Finanzminister Christian Lindner ebenso erwartbar wie karrieregefährdend formuliert hatte: „Wir sollten am Leistungsprinzip festhalten.“

An der Aufgeregtheit, mit der hier das nächste Streitthema für den vermeintlichen Niedergang des Landes platziert wird – nach Atomkraft, Mettwurst und dem Verbrennermotor –, sind zwei Punkte interessant: Zum einen ist an der „Abschaffung“ schlicht nichts dran. Zum anderen stellt sich die Frage, ob Linnemann & Co. das nicht besser wissen (schlecht) oder lügen (noch schlechter).

Wie wäre es mit einer exakteren Leistungsmessung für Politiker?

Fred Grimm

Kurz zu den Fakten. Ein Beispiel: Ab diesem Jahr springen 1. bis 4. Klassen beim Weitsprung in markierte Zonen. Es wird nicht mehr zentimetergenau gemessen, aber sehr wohl registriert, wie weit. Schließlich gibt es weiterhin Urkunden: eine für die Besten, eine für die Guten und eine für die Teilnahme. Spätestens ab der 7. Klasse werden die Weiten wieder akribisch registriert. So viel zur „Abschaffung des Leistungsprinzips“. Bei den ganz Kleinen heißen Wett„kämpfe“ jetzt Wettbewerbe, dabei wird sogar noch mehr und vielfältigerer Sport getrieben als vorher. Zum Teil sogar im Team, was die FDP-Probleme mit der Neuregelung erklären mag. Der Deutsche Olympische Sportbund und auch der Leichtathletikverband begrüßen die Reform ausdrücklich. Beide Organisationen gelten nicht unbedingt als leistungsfeindlich.

Doch die Lügengeschichte hält sich hartnäckig. Wie glaubwürdig bestimmte Politiker sind, die nicht mal in der Lage sind, nachzulesen, was wirklich geplant ist, wäre die eine Frage. Die andere, die sich aufdrängt, lautet: Wenn die schon bei solchen Themen ihre geballte Ahnungslosigkeit so fröhlich zur Schau stellen, wie sieht es dann in anderen Bereichen aus, wo sie nicht minder meinungsfreudig daherreden? Beim Klimaschutz zum Beispiel, bei der Agrarpolitik oder Mobilität? Dass man bei den Bundesjugendspielen die zentimetergenaue Messung für 8-Jährige abschafft und so Zeit gewinnt, damit die Kinder öfter springen dürfen, ist eine nachvollziehbare Idee. Eine exaktere Leistungsmessung für Politiker, die offenbar immer wieder Blödsinn erzählen dürfen, ohne korrigiert zu werden, wäre es erst recht.

Fred Grimm

Der Hamburger Fred Grimm schreibt seit 2009 auf der letzten Seite von Schrot&Korn seine Kolumne über die Wege und Umwege hin zu einer besseren Welt. Er freut sich über die rege Resonanz der Leserinnen und Leser und darüber, dass er als Stadtmensch auf ein Auto verzichten kann.

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Kommentare

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Barbara Klietz

Immer wieder Dankeschön für die wundervollen Beiträge von Fred Grimm!!!
Visinär, fein- und scharfsinnig und einfach klug verschönern sie mir den Tag und lassen mich hoffen…

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