Interview

Bernadette Heerwagen: „Die Natur ist die Chefin“

Schauspielerin Bernadette Heerwagen erzählt von ihrem Hof im Allgäu. Und von Lust und Frust bei der Selbstversorgung. 

Von Oktober bis Dezember steht Bernadette Heerwagen alljährlich als Kommissarin für die Reihe „München Mord“ vor der Kamera. Im Sommer hat sie frei und arbeitet auf ihrem Selbstversorgerhof. Während wir telefonieren, schnattern im Hintergrund die Enten. Nach dem Gespräch will sie raus aufs Feld zum Karotten säen.

Warum sind Sie vor zehn Jahren von Berlin aufs Land gezogen?

Mein Mann (der Schauspieler Ole Puppe – Anm. der Redaktion) und ich wollten Kinder. Sie sollten wie wir früher auf dem Land aufwachsen.

Was sprach für den Hof im Allgäu?

Er liegt außerhalb eines kleinen Dorfes mit 35 Häusern in 800 Metern Höhe, hat ausreichend Land, Baumbestand und sogar einen Hektar Weidefläche, auf dem die Kühe vom Nachbarn grasen. Der Hof ist von 1860, wurde aber leider in den 1960er Jahren umgebaut. Wir haben ihn ein Jahr lang entkernt und mit Holzfaserdämmung und Lehmputz ökologisch wieder aufgebaut. Zum Teil leben wir immer noch auf einer Baustelle. Es ist alles ein Learning by Doing.

Gab es von Anfang an den Plan, als Selbstversorger zu leben?

Das war unser Traum, aber ich habe mich anfangs ziemlich doof angestellt (lacht). Im ersten Jahr habe ich noch die Steckzwiebeln verbuddelt, weil ich nicht wusste, dass man sie auf die Erde aufsteckt. Die Wühlmäuse haben sich gefreut ... Als ich dann mit unserer ersten Tochter schwanger war, wälzte ich Bücher über Permakultur. Dass wir Öko-Landbau machen wollen, war klar. Denn ich war schon in Berlin immer im Bio-Laden einkaufen. Mit Ausbruch der Pandemie haben wir die Selbstversorgung konsequent verfolgt. Wir wussten ja nicht, wann wieder Dreharbeiten möglich sind.

Bernadette Heerwagen

Bernadette Heerwagen wurde in Bonn geboren und ist in Niederbayern aufgewachsen. Sie nahm Schauspiel- und Gesangsunterricht in München. Für den Heimatfilm „Der Schandfleck“ wurde sie 2000 mit dem Bayerischen Fernsehpreis und der Romy ausgezeichnet. 2005 erhielt sie einen Grimme-Preis für „Grüße aus Kaschmir“, 2008 für „An die Grenze“. Seit 2014 steht sie als Kommissarin Angelika Flierl für die Samstagabend-Reihe „München Mord“ vor der Kamera. Das ZDF zeigte gerade zwei Filme der Reihe „Annie“ mit ihr in der Hauptrolle.

Was waren die ersten Schritte?

Wir haben Obstbäume und Beerensträucher gepflanzt und kleine Projekte gestartet, um ein Öko-System zu schaffen, das in sich funktioniert und den Hof lebendiger macht.

Wie schafft man ein Öko-System?

Als erstes haben wir für Wildvögel eine essbare Hecke gepflanzt mit Felsenbirne, Aronia- und Gojibeeren. Dann haben wir eine Totholzhecke angelegt, damit sich Tiere dort einnisten können. Und wir haben ein großes Loch gebuddelt, in dem sich neben dem Wasser aus unserer Quelle das Regenwasser sammelt. Dieser Teich ist jetzt Lebensraum für Frösche, Libellen und Lurche.

Was kommt vom eigenen Acker?

Mittlerweile bewirtschaften wir sieben Felder von vier mal zehn Metern: Auf einem steht gerade Weizen für unsere Hühner, auf dem nächsten wachsen Kartoffeln unterschiedlicher Couleur. Ins Erdbeerfeld habe ich Knoblauch gepflanzt, weil er vor Pilzbefall schützt. Auch Karotten und Zwiebeln ergänzen sich gut. Dann stehen hier gerade noch Bohnen und Erbsen. Spargel, Zucchini, Tomaten und Gurken haben wir auch schon erfolgreich angebaut.

Und gab es auch Misserfolge?

Letztes Jahr ist so gut wie nichts gewachsen, weil es so kalt und nass war. Dann bestäuben die Bienen die Pflanzen nicht oder alles verschimmelt. Am Ende haben uns die Kohlweißlings-Raupen auch noch den Kohl weggefressen. Vor Kurzem gab es wieder ein Wahnsinnsunwetter, das uns die Äpfel und Birnen von den Bäumen gehagelt hat. Hier draußen lernt man, dass die Natur viel stärker ist als wir. Sie ist die Chefin.

„Ich wertschätze Nahrungsmittel noch viel mehr als früher.“

Auf dem Acker sind die Folgen des Klimawandels anders spürbar …

Bei Extremwetter hast du keine Ernte. Punkt. Es ist unfassbar, was unsere Landwirte da mitmachen. Jetzt, wo ich beurteilen kann, wie viel Arbeit im Öko-Landbau steckt, finde ich, dass die Preise für Bio-Lebensmittel eher noch zu niedrig sind. Ich wertschätze Nahrungsmittel noch viel mehr als früher.

Was gibt Ihnen den Antrieb, bei solchem Frust weiterzumachen?

Die Hoffnung, dass es anders und besser wird. Weil wir aus allem, was schief geht, ganz viel lernen. Ein Gewächshaus anzuschaffen, ist das nächste Ziel.

Haben Sie mal selbst geschlachtet?

Ich traue es mir nicht zu, aber mein Mann hat es sich im vorigen Jahr vom Metzger zeigen lassen, weil wir zu viele Hähne hatten. Er kann es mit Ruhe und Würde tun. Unsere sechsjährige Tochter wollte unbedingt dabei sein und hat sich alles genau erklären lassen. Seitdem ist sie fasziniert davon, wie ein Körper von innen aussieht. Die Achtjährige hat sich vor einiger Zeit entschieden, Vegetarierin zu sein. Schon deshalb essen wir nur noch sehr wenig Fleisch.

Was kaufen Sie zu?

Wir haben eine Heumilch-Sennerei im Ort, bei der die Tiere im Sommer draußen stehen und im Winter nur mit Heu gefüttert werden. Dort gibt es Milch und wunderbaren Käse. Wenn wir Ernteausfälle haben, kaufe ich Gemüse im Bio-Laden. Dort nehme ich auch die Schrot&Korn mit und lasse mich von den Rezepten inspirieren.

Wie leben Sie Nachhaltigkeit in anderen Bereichen?

Wir beziehen Öko-Strom und wollen mit einer Photovoltaik-Anlage bald autark sein. Ich hadere damit, dass ich in den Diesel steigen muss, um die Kinder zur Schule zu fahren. Sobald Solar-Elektroautos, die sich mit Solarzellen in der Karosserie selbst laden können, auf den Markt kommen, steige ich um.

Wie halten Sie es mit der Kleidung?

Ich kaufe ausschließlich Second Hand und bekomme Kleidung von Freundinnen geschenkt. Wenn wir unsere Kleiderschränke aussortieren, tauschen wir Sachen. Bei Events leihe ich mir etwas bei einer befreundeten Designerin.

Wie ist es für Sie, für Dreharbeiten in die Stadt zurückzukehren?

Leben könnte ich nicht mehr in der Stadt, da würde ich Herzrasen kriegen. Aber das Drehen ist ein bisschen wie Urlaub: Ich werde abgeholt, ge-schminkt, bekocht und wieder nach Hause gebracht. Und abends kann man sich sogar mal eine Pizza bestellen…(lacht) Einziger Wermutstropfen ist, dass uns Corona beim Drehen in puncto Nachhaltigkeit zurückgeworfen hat: Um Ansteckungen zu vermeiden, müssen wir jetzt einzeln im Auto anreisen. Und es wird leider sogar wieder Einweg-Geschirr benutzt.

Hat das Landleben Sie verändert?

Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch und übe mich darin, zu entschleunigen. Ich nehme mir oft zu viel vor, so dass es Stress wird. Neulich hat ein Freund gesagt: „Ihr werdet hier draußen sowieso nie fertig. Entspannt euch!“ Daran denke ich oft: Wenn ich sowieso nicht fertig werde, kann ich auch langsam machen. Dann kann ich mich auch einmal hinsetzen, den Blick schweifen lassen und den Moment genießen.<

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