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Volker Mehl: „Kartoffelsuppe ist Hingabe“

INTERVIEW „Ich muss etwas auf den Tisch bringen.“ Wer so denkt, verpasst eine Menge, ist Ayurveda-Koch Volker Mehl überzeugt. Denn Kochen ist viel mehr.

Volker Mehl ist Ayurveda-Koch und steht für eine Küche, die mit Emotionen, Lust und Geschmack zu tun hat. Wir haben ihn in seinem Atelier in einem alten Industriegebäude in Wuppertal getroffen. Hier gibt er Kochkurse und kreiert jeden Donnerstag ayurvedische Gerichte. Vorbeikommen kann jeder – und essen.

München, Berlin … Sie haben in großen Städten gekocht. Gelandet sind Sie letztendlich in Wuppertal. Warum?

Ich bin der Liebe wegen in Wuppertal hängen geblieben. Im Nachhinein war es ein Glückstreffer.

Warum ist Wuppertal ein Glückstreffer?

Ich brauche etwas Kleineres. München und Berlin waren mir zu groß und zu schnell. Ich bin am Wald aufgewachsen, Grün war für mich immer wichtig. Außerdem kosten in Wuppertal die Mieten einen Bruchteil von dem in München oder Berlin. Einen Raum wie diesen würde es dort kaum noch geben, weil schon lange Loft-Wohnungen drin untergebracht wären. Oder ich könnte ihn mir bei Weitem nicht leisten. Und Wuppertal ist cool, weil es überhaupt nicht hip ist. Die Leute freuen sich, dass einer hier so etwas macht.

Was genau bieten Sie in Ihrem Koch-atelier an? Was ist Ihnen wichtig?

Im Prinzip geht es darum, dass ich den Menschen, die zu Kochkursen oder Seminaren zu mir kommen, ein Grundverständnis für die Natur vermitteln möchte. Ayurveda muss gar nichts mit Indien zu tun haben. Beim ayurvedischen Kochen nimmt man einfach das, was es gerade so gibt im Garten. Im Grunde hat schon meine Oma Ayurveda gemacht. Sie hatte alles im Garten. Regional, saisonal, bio, das war für sie normal. Und das ist der Hauptansatz vom Ayurveda.

Ayurveda heißt übersetzt „Wissen vom Leben“ oder „Weisheit des Lebens“. Wofür steht es?

Im Prinzip ist Ayurveda die längste laufende Feldstudie der Menschheit. Das ist seit sechs-, siebentausend Jahren von mehreren Hundert Millionen Menschen erprobt. Es ist keine Ideologie, die sich einer ausgedacht hat. Man hat nur die Natur beobachtet, sieht sich als Teil vom großen Ganzen und hat dann daraus schlaue Rückschlüsse gezogen. Wir aber fragen immer nach Doppelblindstudien, wollen alles beweisen.

Sie sagen: Ayurvedisch Kochen und Essen macht glücklich.

Ja, weil Essen und Ernährung dort noch eine andere Ebene haben. Wir stecken noch immer in der Phase fest: Kalorien, Vitalstoffe, Ballaststoffe. Wir legen Lebensmittel unters Mikroskop und schauen nach den Inhaltsstoffen.

Was macht man beim Ayurveda anders?

Wie viele Kalorien ein Apfel oder eine Karotte hat, das spielt im Ayurveda keine Rolle. Es geht darum, dass man reinbeißt und schmeckt: Ist das süß, ist das sauer, ist das scharf, ist das befeuchtend, ist das austrocknend? Das ist der Hauptansatz im Ayurveda. Die energetische Ebene ist wichtig. Im Ayurveda hast du diesen ganzheitlichen und auch den emotionalen Aspekt. Jedes Lebensmittel hinterlässt im Menschen eine Spur. Das gibt es ja auch umgangssprachlich. Man sagt: „Das ist süß wie die Liebe“, aber nicht sauer oder salzig. Die Liebe hat etwas Süßes. Und süß ist im Ayurveda der wichtigste Geschmack. Das hat eine nährende Ebene, weil bereits Muttermilch süß ist. Der erste Geschmack, den man auf der Welt kennenlernt, ist süß. Deshalb hat man ja auch in Phasen, in denen man schlecht drauf ist, selten Bock auf Sauerkrautsaft oder Karottensteaks. Da braucht man eher etwas Warmes, Süßes, Nährendes.

Was läuft bei uns falsch?

Essen ist vor allem Emotion und nicht primär Vernunft. Ich erlebe das gerade in Berlin, wo ich seit drei Jahren regelmäßig im Immanuel-Krankenhaus Kochkurse für Patienten der Ayurveda-Ambulanz gebe. Da kommen viele Menschen, die machen rational eigentlich alles richtig: Die essen viel Rohkost, essen ihr Müsli, und und und. Aber sie wundern sich, dass es ihnen nicht wirklich gut geht. Zeigt man die andere Ebene von Ernährung auf, mit noch ein paar Ideen vom Ayurveda, lösen sich viele Dinge auf. Das Thema „emotionales Kochen“ ist Erfolg versprechender als das reine vernunftmäßige Kochen. Wenn jemand allerdings nicht bereit ist, eine Viertelstunde Zeit zu investieren, um eine Suppe zu kochen, dann muss man sich mit den Leuten auch nicht weiter darüber unterhalten.

Was bedeutet „emotional kochen“?

Wichtig ist zum Beispiel beim Ayurveda, dass die Energie des Kochs aufs Essen übergeht. Kochen und Ernährung sind viel mehr als das Warmmachen von Essen und ein lästiges Übel, was einen vom Fernsehgucken abhält. Kochen ist der Akt als solches. Die Energie, die von vorne kommt – vom Koch – ist genauso wichtig wie die Energie, die von unten vom Herd kommt. Das ist auch der Grund, warum es bei der Mama am besten schmeckt. Die Liebe, die Mama reinbringt, ist einmalig und hat nichts mit aufwendig zu tun. Das ist Hingabe. Das kann auch eine einfache Kartoffelsuppe sein.

Doch die wenigsten nehmen sich Zeit fürs Kochen?

Nur ganz wenige sagen im Alltag „Ah, ich freue mich, nach Hause zu kommen und etwas zu kochen. Viele sagen: „Ich muss was auf den Tisch bringen. Die Bedürfnisse haben sich verschoben, und auch die Prioritäten. Und da bleibt für das Thema Kochen nicht so wahnsinnig viel Zeit.

Sind die vielen Convenience-Produkte und die Werbung schuld?

Mit den Convenience-Produkten ist alles natürlich viel einfacher: Das lästige Übel Kochen ist überflüssig. Man muss es nur warm machen. Was da verloren gegangen ist, ist ein Hauptaspekt im Ayurveda: dass Zeit für Kochen als solches schon etwas Meditatives ist.

Hilft Kochen beim Gesundwerden?

Es ist manchmal wirklich relativ absurd: Die Menschen stehen intensiv im Job und sind immer super angespannt. Und statt sich vernünftig zu ernähren, investieren sie lieber wahnsinnig viel Zeit und Geld für den zweiwöchigen Yoga-Retreat, den Schweige-Workshop, für den sie ans andere Ende der Welt fliegen. Wenn sie dann wieder zurückkommen, geht der Stress von vorne los. Anstatt dass man sagt: „Okay, die zehn, 15 Minuten Kochen, das kann schon ein meditativer Ansatz sein.“

Die Kartoffelsuppe Ihrer Mutter war der Beginn Ihrer Kochkarriere. Eine Kochausbildung haben Sie nie gemacht.

Mutter und Oma haben jeden Tag gekocht, und ich habe immer dabeigestanden und mitgefummelt. Seit 20 Jahren bin ich Vegetarier, da fiel eine klassische Kochausbildung aus, ohne Fleisch geht da gar nichts.

Zur Person: Volker Mehl

... wurde 1976 in Mannheim geboren und wuchs in der Nähe von Darmstadt eher beschaulich auf dem Land auf. Bei Mutter und Oma hat er früh in der Küche mitgekocht. Nach einem Semester Theologie – sein Vater war Küster – und einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann hat er 2006 eine Ausbildung zum Ayurveda- Gesundheitsberater gemacht. Seitdem kocht er in erster Linie ayurvedisch, gibt regelmäßig Kochkurse und bietet Workshops in ganz Deutschland an. Im November 2015 wird mit „Ayurveda geht überall“ sein fünftes Buch auf den Markt kommen.

www.volker-mehl.de

Oma Mehls Kartoffelsuppe

Für 4 Personen

Zutaten

40g Butter
40g Mehl
1 rote Zwiebel, abgezogen und fein gewürfelt
1 EL Kümmel
1 EL getrockneter Majoran
1 Liter Gemüsebrühe
1/4 Zitrone
3 Lorbeerblätter
500g Kartoffeln, geschält und in Würfel geschnitten
200g geputzte, ganze Buschbohnen
4 EL trockener Rotwein
1 Bund frische gehackte Petersilie
Salz und Pfeffer aus der Mühle (Sonntags hatte die Oma früher dann noch etwas guten Speck rein)

Zubereitung

Wie sich das gehört, hat die Oma früher mit einer schönen Mehlschwitze angefangen. Die Butter in einem Topf zerlassen, Mehl einrühren, Zwiebel, Kümmel, zugeben und anbräunen lassen. Majoran zugeben, Brühe langsam zugießen und mit einem Schneebesen kräftig unterrühren, damit es keine Klumpen gibt.

Lorbeer, Zitrone zugeben und die Suppe aufkochen lassen, Hitze reduzieren, Kartoffeln, Bohnen zugeben und in ca.15-20 Minuten noch leicht bissfest gar kochen.

Kurz vor Schluss mit Rotwein, Salz, Pfeffer abschmecken und mit der Petersilie bestreuen.

Je länger die Suppe ziehen kann umso besser schmeckt sie. Sensationell war dann immer noch ein frisches Stück Pflaumenkuchen dazu.

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