Umwelt

Palmöl: Eine tragische Geschichte

Quasi unverzichtbar für die Industrie, in fast allen Alltagsprodukten enthalten, doch ökologisch eine Katastrophe: Unser Hunger nach Palmöl zerstört den Regenwald, heizt das Klima an und mordet Orang-Utans. Gibt es eine Alternative?

Lippenstift, Waschmittel und Biosprit haben etwas gemeinsam: Überall ist Palmöl drin. Und nicht nur da: Auch Fertigsuppen, Eiscreme, Kekse und natürlich Margarine enthalten das Öl. Es ist ein Milliardengeschäft und der Inselstaat Indonesien taumelt seit Jahren im Ölrausch. Seit der Jahrtausendwende hat sich seine Produktion verfünffacht. Das US-Agrarministerium USDA schätzt die indonesische Produktion für das Wirtschaftsjahr 2014/15 auf 33 Millionen Tonnen – mehr als die Hälfte des weltweit gewonnenen Palmöls. Ein weiteres Drittel steuert das Nachbarland Malaysia bei. Während dort die Mengen seit Jahren stabil sind, will Indonesien seine Produktion bis 2025 auf 40 Millionen Tonnen steigern – und dafür weitere Wälder roden.

Warum das Thema Palmöl für Wald, Tiere und Menschen lebensgefährlich ist

Zwar hatte die indonesische Regierung 2011 einen Rodungsstopp für einen Großteil der Wälder verkündet. Doch im Korruptionsindex von Transparency International liegt Indonesien auf Platz 107. Und allein 2012 zerstörten indonesische Konzerne Regenwald auf 840.000 Hektar – eine Fläche zehn Mal größer als Berlin. Die Bäume fielen für Palmöl-Plantagen.

Pflanzen, Tiere, Menschen, die seit Jahrhunderten in und von diesen Wäldern leben, verlieren ihre Lebensgrundlage. Wenn die Betroffenen sich wehren, kann das dramatische Folgen haben: Jopi Peranginangin, ein indonesischer Palmöl-Aktivist, engagierte sich über zehn Jahre für die indigenen Völker, deren Existenz durch den rasanten Ausbau von Palmölplantagen in Indonesien bedroht ist. Zuletzt arbeitete er als Campaigner für Greenpeace Indonesien und die Organisation Sawit Watch. Jopi Peranginangin wurde am 23. Mai 2015 von hinten erstochen. Der Täter, ein Marinesoldat, ist in Haft. Motiv unbekannt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Für Jopi Peranginangins Freunde ist das Motiv jedoch klar: Kurz vor seiner Ermordung hatte er sein Buch über die Korruption im indonesischen Palmölgeschäft beendet, es sollte Ende Mai in Druck gehen. Das ist bis September nicht geschehen.

Auch die Organisation Robin Wood berichtet von Landraub. In den indonesischen Wäldern gebe es 33.000 Dörfer, die akut bedroht seien. Ihren Lebensraum verlieren auch seltene Tierarten wie Orang-Utan und Sumatra-Tiger, die in den Regenwäldern zuhause sind. Oft stehen die gerodeten Urwälder auf Torfböden. Diese speichern mehr Kohlendioxid (CO₂) als jedes andere Ökosystem. Durch die Rodung trocknen die Böden aus, zersetzen sich und geben das CO₂ ab. Durch das Abbrennen des Unterholzes wird zusätzlich Treibhausgas freigesetzt. Indonesien weist deshalb nach den USA und China den höchsten Ausstoß an CO₂ auf.

Wie Palmöl-Produzenten die eigenen Nachhaltigkeitsregeln umgehen

Am Milliardengeschäft mit Palmöl verdienen vor allem asiatische und amerikanische Agrarkonzerne wie Wilmar, Sinar Mas, Cargill und Golden Agri-Resources. Sie alle sitzen seit Jahren am Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO). Diese Organisation hat Standards für eine nachhaltige Herstellung von Palmöl verabschiedet. Inzwischen ist rund ein Fünftel der weltweiten Produktion RSPO-zertifiziert. Die großen Konzerne haben auch versprochen, dass sie kein Palmöl aus Regenwaldrodung mehr handeln wollen.

Doch regelmäßig machen RSPO-Mitglieder Schlagzeilen, weil sie – teils illegal – Regenwälder roden, darunter auch Tochterunternehmen der großen Konzerne. „Von den Versprechungen ist bisher wenig beim Wald und bei den Menschen angekommen“, sagt Gesche Jürgens, Wald-Campaignerin bei Greenpeace. Als 2013 auf der indonesischen Insel Sumatra große Regenwaldflächen brannten, wertete Greenpeace die Satellitenaufnahmen aus. 40 Prozent der Brände fanden auf Flächen statt, für die RSPO-Mitglieder Palmöl-Konzessionen besaßen. „Zertifizierte Zerstörung“ taufte Greenpeace seinen Bericht.

Deswegen ist Palmöl so begehrt

Um den Druck auf die Palmölverarbeiter zu erhöhen, rufen Regenwaldschützer die Verbraucher dazu auf, auf palmölfreie Produkte umzusteigen. 1,5 Millionen Tonnen Palmöl hat Deutschland 2014 importiert. Als Zutat in Lebensmitteln und Kosmetika sowie als Treibstoff gehört Palmöl zu unserem Alltag.

Bei Lebensmitteln müssen die Hersteller seit Anfang diesen Jahres das verwendete Öl in die Zutatenliste schreiben. Die Angabe „pflanzliche Fette“ genügt nicht mehr. Einige Hersteller haben ihre Rezepturen geändert und Palmöl etwa durch Sonnenblumen- oder Kokosöl ersetzt. Das ist einfach etwa bei Chips, die sich auch in anderem Öl frittieren lassen. Bei Keksen jedoch gibt Palmöl höhere Festigkeit und besseren Biss. Das ist sonst nicht so einfach zu schaffen. Nur mit Palmöl lässt sich Blätterteig gut ziehen – es sei denn, man nimmt Butter, doch die ist nicht vegan. Und dass Palmöl von zehn bis 35 Grad eine cremige Konsistenz hat, macht es geradezu ideal für Aufstriche.

Es ist schwierig, Palmöl komplett zu ersetzen, zum einen aus technologischen Gründen. Zum anderen wäre ein völliger Ausstieg auch nicht nachhaltig: „Die Ölpalme ist ja keine schlechte Pflanze“, sagt Gesche Jürgens von Greenpeace. „Sie liefert pro Hektar Fläche weitaus mehr Öl als Soja, Raps oder Sonnenblumen. Sie ist für viele Kleinbauern ein wichtiges wirtschaftliches Standbein und sie lässt sich nachhaltig anbauen.“ Zentral sei für Greenpeace, dass für die Produktion von Palmöl nicht länger Wälder und Torfmoore zerstört werden und die Rechte und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung gewahrt werden. „Auch Bio-Palmöl ist eine vernünftige Alternative“, sagt Gesche Jürgens.

Was Bio-Hersteller anders machen

Anfang der 90er-Jahre begannen auf Drängen von Bio-Herstellern zwei konventionelle Palmölproduzenten, die Firmen Daabon in Kolumbien und Agropalma in Brasilien, mit dem ökologischen Anbau von Ölpalmen. Das Land in Kolumbien wurde damals bereits landwirtschaftlich genutzt. Die Bio-Ölpalmen von Agropalma wuchsen auf Land, das bereits in den 80er-Jahren gerodet wurde. Anders gesagt: Für Bio-Palmöl wurde in den letzten dreißig Jahren kein Regenwald gerodet.

Bio-Ölpalmenplantagen sind deutlich kleiner als konventionelle Pflanzungen, gedüngt wird mit Kompost und der Boden ist durchgehend begrünt. Randstreifen mit natürlicher Vegetation dienen als Zuflucht für Tiere und fördern die Artenvielfalt.

Die beiden südamerikanischen Hersteller Daabon und Agropalma sind nach sozialen Standards zertifiziert, engagieren sich für ihre Mitarbeiter und arbeiten mit Kleinbauern zusammen. Sie gehören der 2013 gegründeten Palm Oil Innovation Group an. Zu deren Mitgliedern zählen auch Greenpeace und das Rainforest Action Network. Gemeinsam setzen sie sich für eine nachhaltige konventionelle Produktion ein, weil ihnen die Kriterien des RSPO entschieden zu lasch sind.

Warum Bio-Palmöl zu Unrecht ein schlechtes Image hat

2007 startete Dr. Bronner’s Magic Soap, der US-Marktführer für Bio-Seifen, ein bio-faires Palmöl-Projekt zusammen mit einer Bauerngemeinschaft in Ghana. Serendipalm verarbeitet derzeit die Ernte von 750 Kleinbauern und will weiter wachsen. Zertifiziert wird das Projekt vom Institut für Marktökologie IMO nach deren Fair-for-Life-Standard. Dieser ergänzt bestehende Fair-Trade-Systeme um wichtige Kriterien.

Zu den Abnehmern des Öls zählen Gepa und Rapunzel. Seit 2012 bezieht Rapunzel auch Fair-for-Life-zertifiziertes Bio-Palmöl aus Ecuador. Partner dort ist das von einem holländisch-ecuadorianischem Paar gegründete Unternehmen Natural Habitats. Die beiden haben dort eine Farm erworben, die sie als Modellbetrieb betreiben sowie eine Ölmühle. Sie arbeiten mit Bauern vor Ort zusammen, die sie für den Bio-Anbau gewonnen haben, berichtet Barbara Altmann, die bei Rapunzel die Rohstoffsicherung leitet. „Es ist ein reines Bio-Projekt mit bäuerlicher Struktur, das sich vorgenommen hat, den dort noch vorhandenen Sekundärwald zu schützen.“ 2014 begann Natural Habitats im westafrikanischen Sierra Leone mit dem Aufbau einer bio-fairen Palmölproduktion zusammen mit mehr als 1000 Kleinbauern.

Leider macht Bio-Palmöl bisher nur ein Promille des Weltmarktes aus – und leidet noch dazu unter dem schlechten Image von konventionellem Palmöl. Denn manche Regenwaldschützer und viele Verbraucher unterscheiden nicht zwischen konventionellem RSPO-Öl und Bio-Palmöl. „Wir hatten immer wieder Anfragen zu Palmöl in unseren Produkten“, berichtet Alexander von Bothmer, Marketingleiter bei Erntesegen und Natur Compagnie. „Wir haben versucht zu erklären, warum Bio-Palmöl eine nachhaltige und vertretbare Zutat ist. Wir sind damit nicht durchgedrungen.“ Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen schließlich das Bio-Palmöl in seinen Produkten ersetzt.

Wo Palmöl überall drinsteckt

Rund ein Viertel des weltweit produzierten Palmöls wird für Konsumartikel verwendet: für Kerzen, Kosmetik und als Rohstoff für Chemikalien. In diese Bereiche fließt auch das zusätzlich aus den Samen der Palmfrucht gewonnene Palmkernöl. Beide Ölsorten ersetzen dort Erdöl. In Kosmetik findet sich reines Palmöl vor allem in Seifen. Palm oil oder Sodium Palmate steht dann in der Zutatenliste, bei Naturkosmetik meist mit einem Sternchen dahinter, denn die Hersteller setzen Bio-Palmöl ein. Auch die Seifen in den Waschmitteln von Sonett und Sodasan sind komplett aus Bio-Ölen hergestellt.

Emulgatoren und Tenside jedoch werden von spezialisierten Firmen aus konventionellen Rohstoffen hergestellt – auch für Naturkosmetika. Bio-Öl eigens zu verarbeiten ist aufwendig und teuer. Zwar greifen Naturkosmetikhersteller verstärkt zu Tensiden auf Basis von Kokos oder anderen Pflanzenölen. Doch sie setzen auch Zutaten aus Palmöl und Palmkernöl ein. Für den Verbraucher ist es unmöglich festzustellen, ob das Glycerin in der Creme oder ein Tensid wie Lauryl Glucoside aus Palm(kern)öl oder aus Kokosöl hergestellt wurde. Nur wenn Begriffe wie Palm, Palmitate oder Coco in der Zutatenliste auftauchen, ist eine Zuordnung möglich.

Bei Palmöl-Produkten verweisen die Hersteller auf RSPO-Zertifikate ihrer Lieferanten. „Das kann aus unserer Sicht nur ein erster Schritt sein“, sagt Gesche Jürgens von Greenpeace. „Die Hersteller müssen zusätzliche Anforderungen an ihre Lieferanten stellen und sich bemühen, ihre Lieferkette transparent zu machen.“ Nur bei einem kleinen Teil des RSPO-zertifizierten Öls lässt sich bisher nachprüfen, von welcher Plantage es kommt.

Zerstörung der Wälder

In Zukunft könnte Palmöl vermehrt aus Afrika stammen. Dort sichern sich Palmölkonzerne und RSPO-Mitglieder riesige Flächen für neue Plantagen – oft mitten im Regenwald. Unterstützt von Robin Wood haben Filmemacher das Vorgehen des Konzerns Wilmar in Uganda dokumentiert. „Der Konzern wendet ähnliche Methoden an wie die, die ihn bereits in Südostasien groß gemacht haben“, sagt Robin Wood Tropenwald-Referentin Tina Lutz. „Unrechtmäßige Landnahme, Zerstörung wertvoller Wälder, umwelt- und gesundheitszerstörender Pestizideinsatz, unzumutbare Arbeitsbedingungen.“ Ähnliche Berichte gibt es von Wilmar und anderen Unternehmen aus dem Kongo oder Liberia. Für Tina Lutz ist deshalb klar: „Landraub ist bei RSPO-Mitgliedern an der Tagesordnung.“ Und mit dem Landraub kommen die Konflikte.

In Zahlen: Palmöl im Tank

  • Der Diesel an Deutschlands Tankstellen enthält fünf Prozent sogenannten „Bio“diesel. Er hat nichts mit Bio zu tun, sondern zeigt lediglich an, dass dieser Treibstoff aus Pflanzenölen hergestellt wurde.
  • In Deutschland wird „Bio“diesel vor allem aus Raps, aber auch aus Palmöl hergestellt. Im Jahr 2013 wurden dafür 338 000 Tonnen Palmöl importiert und verarbeitet. Das meldete der Biokraftstoffverband.
  • In der gesamten EU wurden im selben Jahr 1,9 Millionen Tonnen Palmöl für Agrarsprit importiert. Das entspricht einer Plantagenfläche von 700 000 Hektar, wie die Organisation Pro Regenwald ausgerechnet hat. Dreimal so groß wie das Saarland.
  • Verantwortlich für die Beimischung sind die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Sie haben sich darauf geeinigt, bis 2020 sieben Prozent ihres Treibstoffverbrauchs auf nachwachsende Rohstoffe umzustellen.
  • Super statt Diesel zu tanken ist keine wirkliche Alternative. Es enthält fünf oder zehn Prozent (E10) Ethanol, hergestellt aus Weizen, Mais oder Zuckerrohr.
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