Umwelt

Kleider-Recycling - noch ziemlich fadenscheinig

Mehr als dreißig Kleidungsstücke rangiert jeder Bundesbürger Jahr für Jahr aus. Die guterhaltenen landen in der Altkleidersammlung, freigegeben zum Auftragen im Ausland. Dort bringen sie die heimische Textilwirtschaft in die Bredouille, was bereits zu Importstopps geführt hat

Mehr als dreißig Kleidungsstücke rangiert jeder Bundesbürger Jahr für Jahr aus. Die guterhaltenen landen in der Altkleidersammlung, freigegeben zum Auftragen im Ausland. Dort bringen sie die heimische Textilwirtschaft in die Bredouille, was bereits zu Importstopps geführt hat. Andererseits steckt das Recycling noch in den Kinderschuhen. Bleibt also die Frage: Wohin mit den alten Klamotten?

Nur eine Nische ist die Lösung, der sich ein paar wenige Modeschöpfer verschrieben haben: Alt(modisch)e Textilien vom T-Shirt über Socke und Tischdecke bis zum Flokati-Teppich dienen ihnen als Roh-Stoffe. Aus denen wird dann der "letzte Schrei" kreiert.

Doch eigentlich kann man niemandem raten, Alttextilien zu verwerten, meint Ralf Ketelhut. Der Mitarbeiter des EPEA-Umweltinstituts (Environmental Protection Encouragement Agency) in Hamburg zählt die vielen Schadstoffe auf, die in heutiger Kleidung enthalten sein können: Pestizide, aromatische Amine, Schwermetalle, um nur die wichtigsten zu nennen. Textilrecycling bedeute fast schon "wilde Schadstoffdeponierung in Form eines neuen Produkts".

Hinzu kommt, daß die allererste Voraussetzung für ein sinnvolles Recycling fehlt: sortenreine Stoffe. Die Wiederverwertung ist bei der Herstellung von Textilien bislang nicht eingeplant - wenn man von dem immer noch bescheidenen Marktanteil der Naturtextil-Hersteller absieht. Und das Problem wird sich laut einer Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung sogar noch verschärfen: Mischfasern liegen im Trend, der Chemiecocktail scheint nur wenige zu stören.

Eigentlich sollte der Gesetzgeber sicherstellen, daß zumindest mittelfristig ein sinnvolles Recycling möglich wird. "Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz beginnt die konkrete Produktverantwortung der Hersteller", schrieb der Deutsche Bundestag im Jahr 1996. Textilhersteller und -händler seien nun verpflichtet, ihre Produkte ressourcenschonend zu gestalten, Verwertungs- und Entsorgungsmöglichkeiten zu berücksichtigen und eine stoffliche und energetische Verwertung der Alttextilien sicherzustellen.

Diese allgemeine Pflicht könnte nun konkretisiert werden, wie etwa bei der Entsorgung von Verpackungen, Batterien und Altautos. Jedoch sah die alte Bundesregierung beim Altkleider-Problem vorerst keinen Handlungsbedarf.

Mengen reichen nur zum Downcyceln

Erste Ansätze gibt es trotzdem. So plant die Firma Ecolog, aus sortenreinen Polyesterstoffen neue Kleider herzustellen. Zur Zeit sind die Mengen, die über das Rücknahmekonzept bei Ecolog ankommen, aber noch zu klein. Vorerst muß deshalb downgecycelt werden: Aus dem zurückgewonnenen Granulat entstehen Knöpfe oder Kordelstopper.

Den Kreislauf für wertvolle Stoffe auf Trab bringen - das möchte auch die Firma Gore. Im Rahmen ihres Balance-Projekts nimmt sie ausgediente Goretex-Jacken zurück. Bei rund 550 Fachhändlern gesammelt, werden die Jacken in ihre Bestandteile zerlegt (Stoffanteil plus Laminat mit Teflon-Membran) und wiederverwertet.

Kritiker dieses Konzepts stellen sich allerdings die Frage, ob es sinnvoll ist, "wenig ökologische oder auf Erdölbasis hergestellte Produkte, die man eigentlich ganz weg haben will, überhaupt im textilen Kreislauf zu führen" - so EPEA-Geschäftsführer Jens Soth.

Die Alternative: Textilien herstellen, die zu hundert Prozent biologisch abbaubar sind. Als letzte Station nach dem mehrfachen Recycling - vorher ist's laut Soth "einfach zu schade um den Naturstoff" - kann der einstige Pulli dann kompostiert werden.

Eines der positven Beispiele ist die Schweizer Firma Rohner: Sie nutzttextile Wert-Stoffe, die zuvor auf dem Müll landeten und zeigt dabei, daß abfallfreies Wirtschaften möglich ist: Stoffreste müssen nicht mehr entsorgt werden, sondern fließen gleich in eine andere Produktion ein. Daraus wird Filz hergestellt, den man zum Mulchen und zum Abdecken von Gemüsebeeten verwendet. Das Recyclingprodukt wurde mit dem Umweltpreis der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer ausgezeichnet und kann über die Deutsche Umwelthilfe bestellt werden.

Die Firmen Tebaron und Hirsch-Natur, Mitglieder im Arbeitskreis Naturtextil, haben ebenfalls ein Recyclingkonzept aufgebaut. Der Pulli- und Strickwarenhersteller Tebaron nimmt seine ausgedienten Textilien über den Handel oder per Post zurück und führt sie einem Verwerter in England zu. Der zerreißt die Kleidung und macht neue Strickwolle daraus.

Der Strumpfhersteller Hirsch-Natur zerrupft die zurückgeführten Baumwollartikel zu Fasern, die er zusammen mit Wolle zu einem neuen Faden verspinnt. Für die alte Hirsch-Socke wird bei einem Neukauf übrigens zehn Prozent Preisnachlaß gegeben. Und bei einem Loch im Strumpf kann dieser zusammen mit zwei Mark plus frankiertem Rückumschlag eingeschickt werden; er wird dann fachmännisch gestopft.

Auch Großbetriebe machensich Gedanken

Auch in größerem Maßstab sind die Dinge in Fluß gekommen. So baut die RWE-Entsorgungs-AG eine Sortieranlage mit einer Jahreskapazität von 50.000 Tonnen. Und bereits vor fünf Jahren schlossen sich rund 25 Sammel-, Sortier- und Verarbeitungsunternehmen zur Sekundär-Textil-Marketing AG (STM) zusammen. Auch ihr Ziel ist es, einmal eine Recyclinganlage in Betrieb zu nehmen. Aber das Vorhaben scheint nicht weit gediehen. "Wir sind noch am Rücknahmekonzept dran", lautet die vage Auskunft von STM. Weitere Infos, etwa zur Kapazität der geplanten Anlage, gibt das Unternehmen nicht preis.

Eine andere Möglichkeit, der Umwelt Müllberge zu ersparen, sind die Second-Hand-Läden. Die gibt's vor allem im Kinderbereich, bedingt durchs schnelle Wachsen der Kleinen. Ein gesundheitlicher Nebeneffekt kommt dabei auch bei großen Größen zum Tragen: Durchs viele Waschen ist die Schadstoffbelastung oft weit geringer als bei Neuware.

Entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil sind gebrauchte Kleider keineswegs nur etwas für arme Leute. "Exklusive Damenmoden für höchste Ansprüche" steht beispielsweise auf der Tür der Second-Hand-Boutique "Number one" in Stuttgart. Einmal Getragenes ist hier gut, hat aber auch seinen Preis. Dennoch: Mit knapp dreihundert Mark kostet das Wollkostüm nur einen Teil der ursprünglichen Summe. Der früheren Besitzerin hat das abgelegte Kostüm bereits bares Geld gebracht, die Boutique trägt das Verkaufsrisiko.

Neben dieser Festpreisbasis ist auch der Verkauf auf Kommission üblich: Man liefert die Kleider, Hüte oder Schuhe im Laden ab, läßt ein paar Wochen verstreichen und sich dann die verkauften Stücke prozentual ausbezahlen. Ladenhüter müssen wieder mitgenommen werden - finden eventuell aber auf dem nächsten Floh- oder Kleidermarkt noch einen Liebhaber.

Daneben bieten "Soziale Warenhäuser" sinnvolle Zwischenstationen für ausgemusterte Kleider. Sie werden von ihren Ex-Besitzern als Spenden abgegeben, vom Verkaufserlös finanzieren die Träger - gemeinnützige Vereine oder kirchliche Gruppen - ihre sozialen Aufgaben.

Außerdem gibt's in jeder größeren Stadt eine "Kleiderhilfe" für sozial Schwache. Zum Beispiel wird in Stuttgart ein Wintermantel oder eine Daunendecke für 15 Mark überwiegend an Obdachlose verkauft, für 50 Pfennig wechselt ein Unterhemd den Besitzer. Im letzten Jahr brachte die Schwabenmetropole auf diese Weise fast 15.000 Kleidungsstücke an den Mann oder die Frau.

400.000 Tonnen landen in der Altkleidersammlung

Weit weniger sinnvoll sind aus ökologischer und entwicklungspolitischer Sicht die Altkleidersammlungen einzuschätzen. Dennoch landen hier rund 400.000 Tonnen jährlich, das entspricht etwa 15 Kleidungsstücken pro Person. Beim mit über 80.000 Jahrestonnen größten karitativen Sammler, dem Deutschen Roten Kreuz, wurden 1996 lediglich sieben Prozent der tragbaren Kleidung über die Kleiderkammern weitergegeben, ein Prozent stand für die Katastrophenhilfe zur Verfügung. Dagegen verkaufte das DRK 90 Prozent an andere Organisationen. Mit dem Erlös (1996 betrug der Umsatz etwa 30 Millionen Mark) finanziert das DRK zwar seine Arbeit - aber auf wessen Kosten?

"Die an kommerzielle Händler verkauften Altkleider gelangen zum Großteil auf die Kleidermärkte Osteuropas und in Entwicklungsländer", berichtet Friedel Hütz-Adams von der Eine-Welt-Organisation Südwind e.V. in Siegburg. Die relativ preisgünstige, für die wirklich Armen jedoch immer noch zu teure westliche Ware konkurriert dort mit der traditionellen Kleidung. Die Folge: In einigen afrikanischen Ländern ist die Textilindustrie bereits fast komplett zusammengebrochen.

Quer durch den schwarzen Kontinent werden Rufe nach einer Einschränkung oder einem Stopp des kommerziellen Handels mit Altkleidern laut. Einige Staaten haben bereits Importverbote aufgestellt. Obwohl seither der illegale Handel blüht, zeigen die Einfuhrverbote nun auch hierzulande Wirkung: "Die traditionellen Absatzmärkte drohen wegzubrechen", konstatierte der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung bereits im Herbst vergangenen Jahres. Zwar ist es aus ökonomischer Sicht immer noch gewinnträchtiger, Altkleider zu exportieren als sie zu recyceln. Durch den drohenden weiteren Verfall wird die Wiederverwertung jedoch zunehmend attraktiver.

Um den Altkleiderexport einzudämmen, haben sich 1994 fünf gemeinnützige Organisationen zum Dachverband FairWertung mit Sitz in Essen zusammengeschlossen. Der Verband vergibt das Zeichen 'FairWertung: Arbeit schaffen, Umwelt schonen" (Logo: zwei stilisierte Hemden) an jene Sammel-, Verwertungs- und Handelsunternehmen, die sich verpflichten, maximal zehn Prozent der Bekleidung und 20 Prozent der Schuhe ins Ausland zu exportieren. Über hundert Organisationen und Firmen tragen mittlerweile das FairWertungs-Zeichen.

Zwar bleibt dieses Konzept auch für Petra Schrömgens, Mitarbeiterin bei FairWertung, ein Kompromiß. Aber: "Wenn wir aussteigen, überlassen wir den ganzen Markt den Kommerziellen. Und die wollen und werden an der jetzigen Situation nichts ändern."

Sabine Weissinger


Kleiderkonsum belastet Umwelt und Geldbeutel

Beim Kleiderkonsum zählen die Deutschen zur Weltspitze. Jährlich kaufen sie rund eine Million Tonnen Bekleidung, zwischen 12 und 15 Kilo pro Kopf. Im Gegenzug wird der Kleiderschrank entrümpelt: 960.000 Tonnen mustern die Bundesbürger jedes Jahr aus, schätzt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Der größte Teil davon landet im Hausmüll.

Der enorme Konsum des mit hohem Energie- und Materialeinsatz hergestellten Produkts Kleidung belastet neben der Umwelt auch den Geldbeutel: Fast sieben Prozent ihres Einkommens gaben die Haushalte hierzulande im Jahr 1996 fürs textile Outfit aus, so die verfügbaren Zahlen des Bundesverbandes der Bekleidungsindustrie.


Kontaktadressen
    • FairWertung e.V., Hüttmannstr. 52, 45143 Essen, Tel. 0201-621067.
    • Südwind Institut für Ökonomie und Ökumene e.V., Lindenstr. 58-60, 53721 Siegburg, Tel. 02241-53617.
    • Arbeitskreis Naturtextil e.V., Haussmannstr. 1, 70188 Stuttgart, Tel. 0711-232752.
    • Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Hohe Str. 73, 53119 Bonn, Tel. 0228-98849-0.
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