Umwelt

DariaDaria: „Über Fairness reden“

Bekannt wurde DariaDaria als Bloggerin. Heute nutzt sie ihre Popularität um für Tierschutz, faire Mode oder Geflüchtete einzutreten – als Autorin, Aktivistin und vielleicht auch bald als Politikerin.

Am Wiener Yppenplatz ist was los: an den Tischtennisplatten, den Ständen des angrenzenden Marktes und in den Cafés. Die Öko-Aktivistin, Autorin und Unternehmerin Madeleine Alizadeh, bekannt als Daria Daria, sitzt im Café „wirr“ unter einem Sonnensegel. Sie bestellt einen hausgemachten Eistee – ohne Strohhalm. Und lächelt dabei so, wie Hunderttausende Menschen sie aus dem Internet kennen.

Gerade hast du dein erstes Buch „Starkes weiches Herz“ geschrieben; bekannt wurdest du aber mit einem Modeblog. Wie kam das alles?

Ich bin eine Durchschnittskreative, alles Schöne und Angenehme gefällt mir: tolle Kleidung, geschmackvolle Einrichtung, gutes Essen. Als ich noch studierte, wurden manche Modebloggerinnen gerade richtig groß. Ich startete meinen eigenen Blog und machte mit meinen Outfit-Fotos ziemlich erfolgreich mit. Irgendwann verglich ich meine ethischen Vorstellungen und mein Konsumverhalten miteinander und merkte: Da stimmt etwas nicht.

Wie entstand dein neues Bewusstsein?

Das war immer schon da, ich habe nur nicht genug danach gehandelt. Ich habe Politik studiert und auch da schon Bio-Lebensmittel gekauft, obwohl ich wenig Geld hatte. Und nach Jonathan Safrans Buch „Tiere essen“ lebte ich vegetarisch, später dann vegan. Am größten blieb die Kluft lange bei der Mode: Natürlich hatte ich aber im Hinterkopf, dass die Sachen in Billiglohnländern hergestellt werden.

Was veränderte dann alles?

Aufgerüttelt hat mich eine Fernseh-Doku über Ledergerbereien in Bangladesch. Sie hieß „Gift auf unserer Haut“. Danach sagte ich mir: nie wieder. So wie ich als Veganerin im Supermarkt einfach am Fleischregal vorbeilaufe, registriere ich jetzt auch bestimmte
Modeketten nicht mehr.

Welche Erfahrungen machst du durch dein öko-faires Modelabel „Dariadéh“?

Ich musste bald einsehen, dass wir immer nur Babyschritte machen können und lernte zum Beispiel, dass sogar in einem 100-Prozent-Baumwollshirt bis zu drei Prozent Synthetik vorkommen dürfen – nicht deklariert.

Mode, Kriegsgeflüchtete, Lebensmittel retten – verlierst du bei deinem Engagement nie den Überblick?

Nein, denn allem liegt Gerechtigkeit zugrunde. Wir müssen auf allen Ebenen über Fairness sprechen, ob das nun beim Essen ist, in der Mode oder zwischen Tier und Mensch.

Ist das auch der rote Faden in deinem Podcast „A mindful mess“?

Ja, aber den gestalte ich sehr intuitiv. Manche Folgen sind eher psychologisch, andere richtig technisch. Vor Kurzem ging es um den Abrieb von Autoreifen und Mikroplastik.

Du hast als vegan lebende Tierschützerin Schweine im Schlachthaus begleitet – wie erholst du dich von sowas?

Ich brauche Pausen, in denen ich mich nicht mit traumatisierenden Inhalten beschäftige. Nach dem Schlachthaus hatte ich drei Tage lang Albträume. Ich fühle mich manchmal hilflos angesichts der Ungerechtigkeit in unserer Welt und tue dann einfach das, was in meiner Macht steht.

Hat ökologisches Handeln für dich auch soziale Gründe?

Unbedingt. Menschen im globalen Süden werden die Auswirkungen der Klimakatastrophe zuerst spüren, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben. Wir müssen Verantwortung übernehmen, das ist nur fair. Das ist Klimagerechtigkeit.

Du bist für viele ein Vorbild. Wie geht es dir mit dieser Rolle?

Ich wollte als Kind immer Model oder Polizistin werden – ein bisschen fühlt sich mein Leben so an. Zwar lege ich einen Stein für Veränderung, möchte aber nicht glorifiziert werden, denn diese Erwartung kann ich nie erfüllen.

Du erntest auch negative Kritik, oder?

Ja. Gerade heute Morgen fiel mir wieder auf, wie sehr ich unter Beobachtung stehe: Ich war mit meiner Freundin frühstücken und wir haben veganes Brot bestellt, aber es kam mit Feta drauf. Ich habe ihn ihr gegeben – aber ein paar Krümel blieben übrig. Hätte mich jemand beobachtet, hätte ich einen Shitstorm am Hals gehabt. Dabei wäre es völlig stumpfsinnig, dieses Brot wegzuwerfen.

Sollte die Öko-Szene sich insgesamt lockerer machen?

Wir sollten das Ganze sehen und tolerant bleiben. Wenn jemand 98 Prozent Gutes tut, müssen wir uns nicht mit den anderen zwei Prozent aufhalten.

Wo möchtest du dich noch bessern?

Ich fahre zwar wirklich jede mögliche Strecke in Europa mit der Bahn. Fliegen macht leider trotzdem noch einen Großteil meiner CO2-Bilanz aus. Das will ich reduzieren.

Wie groß ist deiner Meinung nach unser Einfluss als Konsumenten?

Die Macht der Konsumenten ist endlich. Die fossile Brennstoffindustrie hört nicht auf, die Welt zu verpesten, wenn wir einen Strohhalm abbestellen. Wir müssen also weiterdenken als bis zur Mehrwegflasche. Nicht falsch verstehen: Es ist schön und wichtig, bewusst einzukaufen und Plastik zu vermeiden. Aber es genügt auf keinen Fall.

Brauchen wir mehr Verbote?

Wir brauchen mehr Anreize. In unserem kapitalistischen System wird am schnellsten eine CO2-Steuer die Unternehmen aufrütteln. Wichtig wäre, ethisches und ökologisch wertvolles Verhalten steuerlich zu belohnen. Es ist schwierig, wenn der Flug von Wien nach Berlin aufgrund von Förderungen weniger kostet als der Zug.

Bald gehst du auch in die Politik?

Ich kandidiere bei der Wahl im Herbst für die Grünen in Österreich – auf dem letzten Listenplatz. Für mich war das eine logische Folge meines Handelns.

Spürst du bei solchen Entscheidungen dein „starkes, weiches Herz“?

Ich spüre es, wenn ich ganz ich selbst bin, wie bei meiner Rede vor dem Bundeskongress der Grünen: Da habe ich aus dem Herzen gesprochen und gesagt, was ich fühle und denke. Auf meinen Moralkompass kann ich mich
verlassen.

Zur Person

DariaDaria heißt eigentlich Madeleine Alizadeh und ist eine engagierte Stimme der öko-sozialen Bewegung im deutschsprachigen Internet. Eine Viertelmillion Menschen verfolgt, was die 30-jährige Wienerin in Netzwerken wie Instagram und Facebook oder in ihrem Podcast „A mindful mess“ erzählt. Ihre Beiträge informieren über ökologische und vegane Ernährung, Tierschutz, faire Mode, natürliche Pflege oder Minimalismus. Seit 2015 setzt sie sich für Geflüchtete und Kriegsopfer, Obdachlose und arme Familien ein. In ihrem ersten Buch „Starkes weiches Herz“ legt sie dar, wie ihr Selbstliebe, Mitgefühl und die Sorge um den Planeten den Weg weisen. www.dariadaria.com

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