Umwelt

Frauenkooperativen in Marokko

500 Berberfrauen pressen Arganöl von Hand und vermarkten es gemeinsam. Damit bieten sie der Landflucht und Zerstörung der letzten Arganwälder der Erde die Stirn.

Mit dem Geld kommt die Autonomie

Die Kluft zwischen einem traditionellen Berberdorf und dem internationalen Markt könnte kaum größer sein. Wie meistern Sie das?

Wir mussten logistisch und kulturell einige Brücken bauen. Die meisten Frauen leben in abgeschiedenen Dörfern im Atlasgebirge, die nicht an das öffentliche Straßennetz angeschlossen sind. Sie bringen das Arganöl also zu Fuß zur Sammelstelle in der nächstgrößeren Stadt, wo es mit dem LKW abgeholt wird. Viele der Frauen kamen bis dahin kaum aus ihren Dörfern heraus. Allein diese Freiheit mussten sie sich erst erkämpfen.

Obwohl die Berberfrauen mehr Rechte haben als ihre arabischen Nachbarinnen, beschränkt sich ihre Rolle klassischerweise aufs Haus. Wie entstanden denn unter diesen Bedingungen überhaupt die Frauenkooperativen?

Ohne die Unterstützung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und Oxfam hätte es die Kooperativen nie gegeben. Von ihnen stammt die Organisationsstruktur. Die Frauen in den Dörfern bringen das Know-how mit, Arganöl nach traditioneller Methode von Hand zu pressen und die Bereitschaft, Kurse zu besuchen, in denen sie die hygienischen Standards für die Herstellung, aber auch lesen und schreiben lernen.

Wie finden die Männer das?

Am Anfang waren sie skeptisch, aber mit der Zeit haben sie begriffen, dass ihre Frauen nicht alles für sich selber und für schöne Kleider ausgeben. Das Leben im Dorf wird für alle besser. Die Kinder können zur Schule gehen und es werden Brunnen und Straßen gebaut.

Gefährdet nicht gerade der Straßenbau den Bestand der Arganbäume?

Kleine Straßen schaden nicht. Die Bäume stehen in Abständen von fünf bis acht Metern, dazwischen ist Weideland für Ziegen und Kamele. Problematisch sind die industrielle Landwirtschaft mit ihren riesigen Orangen-Plantagen und die großen staatlichen Bauvorhaben, wie die geplante Autobahn, der Flughafen und eine Bahntrasse. Diese gefährden den Bestand von nur noch 20 Millionen Bäumen. Die marokkanische Regierung bietet nun an, als Ersatz für die Rodung 20.000 Hektar Arganwald neu aufzuforsten. Ob die Unesco dazu ihre Einwilligung erteilt, ist noch nicht gewiss.

Die Unesco hat 1998 den Arganwald im Südwesten Marokkos zum Biosphärenreservat und Weltnaturerbe erklärt. Was ist die Besonderheit der Landschaft und der Bäume?

Der Arganbaum ist ein Spezialist für die Wüste. Trotzdem ist er vom Aussterben bedroht. Mit seinen Wurzeln holt er Wasser aus 30 bis 40 Metern Tiefe. Er kann das Wachstum, wenn es nicht genug regnet, für ein paar Jahre einfach einstellen. Obwohl der Baum mit 20 Millionen Jahren älter als die Menschheit ist und er früher im gesamten Mittelmeerraum verbreitet war, findet man ihn heute nur noch im Südwesten Marokkos.

Der Versuch, Arganbäume im großen Stil in Israel anzupflanzen, ist gescheitert?

Ja, die Bäume wuchsen dort zwar, trugen aber keine Früchte. Experten vermuten, dass der Baum nur unter extremen Temperaturschwankungen mit heißen Sommern und kalten Wintern, wie man sie im Atlasgebirge vorfindet, gedeiht.

Im Hohen Atlasgebirge sind die Arganbäume Staatsbesitz. Die Dorfbewohner haben lediglich vererbbare Nutznießerrechte. Stimmt es denn, dass diese Bäume den Berbern heilig sind?

Es gibt einige Stämme, denen der Arganbaum tatsächlich heilig ist. Ein wichtiger Vertrag, zum Beispiel über Krieg und Frieden, wird unter einem Arganbaum geschlossen. Man glaubt, dass er dann eingehalten wird. Die Verbindung zu den Bäumen ist bei den Berbern sehr stark. Jede Familie weiß ganz genau, wo ihre Bäume stehen, und schützt sie. Bei der Ernte im Juli und August sammeln die Frauen zum Beispiel nur Früchte, die auf dem Boden liegen.

Inwiefern ist es ein Schutz für die Bäume, wenn die Frauen nur die Früchte sammeln, die auf dem Boden liegen?

Der Arganbaum hat Dornen, deshalb ist Pflücken unmöglich. Schütteln geht aber auch nicht, denn – eine weitere Besonderheit des Baumes – er trägt gleichzeitig Früchte und Blüten. Beim Schütteln würden die Blüten gleich mit herunterfallen – und damit wäre die Ernte des Folgejahres verloren.

Anders als beim Olivenöl werden die Arganmandeln nicht direkt nach der Ernte gepresst. Die Berberfrauen extrahieren stattdessen das Öl immer frisch nach Bedarf. Wie machen sie das Arganöl?

Zunächst schälen die Frauen das Fruchtfleisch ab und trocknen die Arganmandeln an der Sonne. In diesem Zustand sind sie bis zu fünf Jahre haltbar. Soll frisches Öl zubereitet werden, knacken die Berberfrauen mit einem Stein die holzige Schale, rösten die Kerne und vermahlen sie anschließend in Steinmühlen zu einem feinen Teig. Danach wird der Mandelteig mit etwas abgekochtem Wasser so lange mit den Händen geknetet, bis sich das Öl von den festen Bestandteilen, dem Ölkuchen, trennt.

Das hört sich aufwändig an. Die industrielle Pressung wäre schneller und damit kostengünstiger. Weshalb bleiben Sie dennoch bei der Handpressung?

Zum einen ist die Handpressung das schonendere Verfahren. Die wertvollen Inhaltsstoffe des Arganöls bleiben erhalten. Zum anderen zählt der soziale Aspekt: Wenn die Frauen die Mandeln als Rohware abliefern, bekommen sie von den Fabriken nur Spottpreise und müssen außerdem oft lange auf ihr Geld warten, da die Zahlungsmoral der Aufkäufer zu wünschen übrig lässt. Wenn es für die Bevölkerung auf dem Land keine Möglichkeit gibt, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen, wandern meist die Männer, aber auch immer häufiger junge Frauen, mit der Hoffnung auf Arbeit in die Städte ab – und finden dort allenfalls miserabel bezahlte Jobs. Die sozialen Strukturen verschlechtern sich in den Großstädten und auf den Dörfern gleichermaßen. Durch die Landflucht verarmt ein großer Teil der Bevölkerung wirtschaftlich und kulturell. Die Frauenkooperativen tragen dazu bei, dass Geld für die nötige Infrastruktur in die ländlichen Regionen fließt und die Dorfkultur dadurch lebendig bleibt.

Das klingt ein bisschen wie „David gegen Goliath“. Können die Frauenkooperativen das schaffen?

Das Schlimmste haben wir hinter uns. Nach einem guten Start in den 90er Jahren hatten wir 2004 eine heftige Zerreißprobe und wären am mangelnden Absatz fast gescheitert. Damals wurde klar, dass wir ohne effizientes Marketing keine Chance haben würden. Die Kooperation mit Argand’ Or, die wir 2004 eingegangen sind, brachte die Wende. Argand’ Or übernahm weltweit den Vertrieb für unser Arganöl, seither haben wir stetig steigende Absatzzahlen. Unter dem Dach der UCFA vereinigen sich bisher dreizehn Kooperativen mit insgesamt etwa 500 Frauen. Weitere Kooperativen werden noch in diesem Jahr beitreten. Zusammen werden wir es schaffen.

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