Umwelt

Einen Schritt weiter gehen

Kann man Krebs durch die richtige Ernährung verhindern? Der französische Psychiater David Servan-Schreiber ist davon überzeugt und hat ein Buch darüber geschrieben. Seriös? Unseriös? Ein Gespräch mit dem Bestseller-Autor.

Ihr „Anti-Krebs-Buch” hat in Frankreich viel Staub aufgewirbelt. Was ist passiert?

Krebs ist ja eine regelrechte Volkskrankheit, jeder Vierte im Westen stirbt daran, jeder kennt Menschen, die erkrankt sind. Viele Patienten wollen wissen: Was kann ich zusätzlich zur konventionellen Medizin tun? Etliche Schulmediziner sehen allerdings natürliche Methoden wie gesunde Ernährung mit großer Skepsis …

… und finden Ihre Vorschläge unseriös.

Genau. Viele Ärzte beschränken sich nach wie vor auf chirurgische Eingriffe, Chemotherapie und Bestrahlungen. Solche Methoden sind auch unerlässlich, aber ich gehe einen Schritt weiter. Jeder Mensch trägt Krebszellen in sich. Ein Tumor braucht einen Nährboden, ein entzündungsförderndes Milieu, damit er wachsen kann. Wodurch kann ich also meine Abwehr unterstützen, damit sie die Entwicklung bösartiger Zellen blockiert?

Wie sind Sie zu dem Ansatz gekommen?

Mit 30 wurde bei mir ein Hirntumor diagnostiziert. Ich wurde operiert und lebte danach weiter wie zuvor. Erst als ich Jahre später einen Rückfall hatte, erneut operiert wurde, eine Chemotherapie durchstand, kam ich ins Grübeln: Ich wollte wissen, warum die Abwehr meines Körpers versagt hatte, recherchierte über natürliche Methoden, die dem Immunsystem helfen können. Daraufhin habe ich mein Leben komplett umgestellt.

Vor allem Ihre Ernährung?

Früher fand ich überhaupt nichts dabei, Cola, Bagels und Chili con Carne in mich hineinzuschütten.

Jetzt preisen Sie die Wirkung von Obst, Gemüse, grünem Tee und anderen Nahrungsmitteln. Kann jemand, der Ihren Ernährungstipps folgt, wirklich Krebs vorbeugen? Oder einen Rückfall verhindern?

Ich bin überzeugt, dass die Art und Weise, wie wir uns in der westlichen Welt ernähren, einen idealen Nährboden für Krebserkrankungen bildet. Wir konsumieren viel zu viel raffinierten Zucker, Weißmehl, Fleisch und gehärtete pflanzliche Fette. Das alles ist in größeren Mengen erwiesenermaßen schädlich. Das belegen auch Erfahrungen aus asiatischen Ländern, in denen typisch westliche Krebsarten wie Brust-, Darm- und Prostatakrebs seltener auftreten. Die Menschen dort ernähren sich deutlich zuckerärmer, sie essen mehr Reis und Fisch. Außerdem gibt es Tierversuche, etwa über das Zusammenspiel von Zucker und Krebszellen. Bei einem hat man Mäusen Brustkrebszellen injiziert. Bei den Tieren, deren Blutzuckerspiegel erhöht worden war, wuchs der Tumor viel schneller.

Die Übertragbarkeit auf den Menschen ist aber nicht erwiesen.

Es gibt Untersuchungen, etwa im Bereich Brustkrebs, die genau diesen Zusammenhang nahelegen.

Und welche Rolle spielen die Gene?

Bei Brustkrebs etwa gehen weniger als fünf Prozent der Erkrankungen darauf zurück. Dagegen können schlechte Ernährungsgewohnheiten und mangelnde Bewegung eine entscheidende Rolle spielen. Solche Verhaltensweisen werden oft von einer Generation zur anderen weitergegeben, und dann entsteht der Eindruck, die Gene seien schuld. Vom Lebensstil ist nicht die Rede. Es gibt Untersuchungen über Kinder, die gleich nach der Geburt in Adoptivfamilien kamen: Sie übernehmen das Krebsrisiko ihrer Adoptiveltern, nicht das ihrer genetischen Eltern.

Sie setzen darauf, dass jeder durch seine Lebensweise Einfluss auf seine Gesundheit nehmen kann. Wenn man aber ständig daran denken muss, möglichst viele Hülsenfrüchte zu essen oder joggen zu gehen, kann das ziemlich anstrengend werden.

Klar, man wird nicht innerhalb von zwei Wochen sein ganzes Leben umkrempeln. Man kann aber mit ein paar Dingen anfangen, die nicht sonderlich aufwendig sind, zum Beispiel mehr Obst und Gemüse essen, Agavensirup statt Zucker verwenden. Der Wunsch, mehr Sport zu machen, kommt dann häufig ganz von allein.

Haben Sie keine Angst, dass Krebspatienten Ihnen vorwerfen: Jetzt habe ich alles getan, was Sie empfehlen, trotzdem geht es mir immer schlechter und ich habe nur noch ein paar Monate zu leben?

Einige könnten mir diesen Vorwurf machen. Ich möchte auch keine falschen Hoffnungen wecken. Das, was ich in meinem Buch empfehle, ist niemals eine Garantie, gesund zu werden oder keinen Rückfall zu erleiden. Trotzdem denke ich: Wer versucht, seine Abwehrkräfte optimal zu stärken, hat bessere Chancen, länger zu leben als andere.

Kann Stress mit im Spiel sein, wenn jemand an Krebs erkrankt?

Stress gehört zum Leben. Entscheidend ist, mit welchem Stress wir es zu tun haben und wie wir damit umgehen. Es gibt positiven Stress, der stimulierend sein kann. Wenn wir uns aber Situationen gegenüber ohnmächtig fühlen, etwa weil der Chef uns über längere Zeit mobbt, ist das negativer Stress. Er kann zu einer Erkrankung beitragen. Generell muss man aber sagen: Die Faktoren, die Krebs auslösen, sind so vielfältig, dass keiner sagen kann, er sei an seiner Krankheit schuld.

Wie gehen Sie mit Ihrem Stress um?

Ich meditiere jeden Morgen, mache Atemübungen, bewege mich so oft und viel es geht. Und ich versuche, das zu lieben, was ich gerade mache.

Viele Menschen haben einfach keine Lust, auf ihre Gewohnheiten zu verzichten.

Das ist das Problem. Ich denke aber, das wird sich mit der Zeit ändern. Vor 30, 40 Jahren hat man begonnen, die Leute vor dem Rauchen zu warnen: Zu viel Zigaretten-Konsum kann Krebs auslösen. Die meisten wollten davon nichts hören. Heute müssen sich die Raucher in den Ecken herumdrücken. Irgendwann wird es heißen: Was, Sie essen noch Rindersteak mit Pommes, so etwas Ungesundes …

Haben Sie keine Angst, dass das sehr unduldsam rüberkommt?

Gelegentliche Sünden sind natürlich erlaubt. Aber es ist schon gut, wenn es einem gelingt, die Grundtendenz zu ändern.

Essen Sie auch mal einen Schoko-Riegel?

Ich esse schon mal ein leckeres Dessert, aber Schoko-Riegel mag ich nicht mehr. Mein Körper tickt mittlerweile völlig anders. Ich fühle mich verpflichtet, so gesund zu leben wie möglich. Ob mir das dauerhaft hilft, die Krankheit in Schach zu halten, weiß ich nicht. Immerhin hat mein Onkologe gesagt: „Ihr Tumor gehört zur aggressiven Sorte, aber dafür benimmt er sich bei Ihnen sehr zivilisiert.“ Er glaubt, ich habe einfach Glück gehabt – ich sehe das natürlich anders.

Quelle: Franziska Wolffheim, Brigitte

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