Umwelt

Chaos auf dem Acker?

Bio-Anbau: Mit Fruchtfolgen und Mischkultur machen Öko-Landwirt:innen ihre Äcker bunt. Was es bringt und wie es funktioniert. 

Unsere Kulturlandschaft hat sich in den letzten 100 Jahren fundamental verändert. Wo sich früher kleine Parzellen mit verschiedenen Pflanzen zu einem abwechslungsreichen, bunten Mosaik zusammensetzen, herrscht heute vielerorts gähnende Monotonie. In Deutschland wächst nur noch auf einem Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Obst und Gemüse. Und während viele kleine Höfe ihren Betrieb einstellen, sind vor allem Mais und Weizen auf dem Vormarsch. Riesige Felder mit den immer gleichen Kulturen – das sieht ordentlich aus und lässt sich mit hochmodernen Maschinen effizient bewirtschaften. Doch die Monotonie birgt Nachteile.

Was Monokulturen anrichten

Monokulturen, bei denen auf denselben Flächen immer wieder die gleichen Pflanzen angebaut werden, laugen die Böden aus. Das verschärft die Biodiversitätskrise. Insekten und andere Tiere finden darin kaum noch Futter. Und auf den ausgelaugten Böden brauchen die Pflanzen nicht nur viel Dünger, sondern sind auch anfälliger für Krankheiten und Schädlinge, denen konventionell arbeitende Landwirte mit chemisch-synthetischen Pestiziden beizukommen versuchen. Beides ist im Öko-Landbau nicht erlaubt.

Harald Seubert: „Böden brauchen auch mal Pause“

Auf Harald Seuberts Äckern rund um Würzburg wachsen Bio-Hafer für die Firma Allos, Weizen, Sommergerste und Senf sowie Erbsen, Luzerne und Kleegras. Letztere mäht er und arbeitet sie in den Boden ein. Sie binden Stickstoff, bauen Humus auf und reinigen die Felder von Beikräutern. Von starren Fruchtfolgeplänen hält er wenig. „Ich folge keinem festen Schema. Ich muss meinen Boden anschauen und verstehen, was er braucht. Wie viel Power er noch hat, um meine Kulturen zu ernähren, und wann er Pause braucht, um Kraft und Nährstoffe zu tanken.“ Für eine besonders abwechslungsreiche Fruchtfolge lässt Seubert seine Felder immer wieder von befreundeten Bio-Landwirten aus der Region mit anderen Kulturen bebauen. Im Gegenzug bestellt er deren Felder mit seinen Kulturen.

Fruchtfolgen: Das A und O im Öko-Landbau

Auf Öko-Höfen spielt eine möglichst lange, abwechslungsreiche Fruchtfolge eine zentrale Rolle, um die Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen und sie vor Krankheiten, Schädlingen und der Verdrängung durch Unkräuter zu schützen. Je vielfältiger die Fruchtfolge, desto vielfältiger ist in der Regel die Agrarlandschaft. Dabei folgen etwa Weizen, Hafer und Kartoffeln auf Klee, Soja, Bohnen oder Erbsen. Zwischendurch blühen gerne mal Sonnenblumen, Senf und Lupinen. Klingt verspielt, hat aber System. Naturland-Berater Johannes Weiß unterstützt bei der Planung. Er sagt: „Zwar bauen auch viele konventionelle Betriebe Kulturen wie Weizen und Gerste nacheinander an. Ihre Fruchtfolge umfasst jedoch selten mehr als drei verschiedene Kulturen. Im Öko-Landbau sind es dagegen meist fünf bis sieben.“

Hans Reichl: „Für Laien sieht Mischkultur chaotisch aus“

Hans Reichl baut in Oberbayern für den Müsli-Hersteller Barnhouse u.a. Bio-Hafer in Mischkultur mit Leindotter an. Leindotter verdrängt als Bodendecker Unkraut, konkurriert aber nicht um Nährstoffe mit dem Hafer. Seine gelben Blüten dienen Insekten als Futterquelle. Weil Leindottersamen kleiner sind als Haferkörner, können sie nach der Ernte durch Sieben vom Getreide getrennt und zu aromatischem Öl weiterverarbeitet werden. Auch Ackerwildkräuter wie Stiefmütterchen und Kornblumen, die zunehmend aus unserer Kulturlandschaft verschwinden, sät Reichl streifenweise. „Für Laien sehen meine Felder womöglich etwas chaotisch aus. Dabei lohnt sich Vielfalt auf dem Acker gleich dreifach: zur Ertragsabsicherung, für die Bodengesundheit und die Biodiversität“, so Reichl.

Wie Leguminosen den Boden verbessern

Damit Weizen, Hafer & Co. gedeihen, bauen Bio-Landwirte regelmäßig Leguminosen an. Beispiele sind Kleegras und Luzerne, aber auch Körner-Leguminosen wie Ackerbohne, Erbse und Soja. Sie verbessern die Bodenstruktur, helfen beim Humusaufbau und unterdrücken Unkraut auf natürliche Weise. „Vor allem aber speichern sie Stickstoff aus der Luft im Boden. Hiervon können die nachfolgenden Pflanzen dann zehren“, betont Johannes Weiß. Um zu entscheiden, was, wann und am besten wo wächst, gilt es einige Regeln zu beachten. Beispielsweise sollten Erbsen nur alle acht Jahre, Weizen nicht zweimal hintereinander und Raps nicht direkt nach Mais angebaut werden. Auswahl und Reihenfolge der Kulturen sind außerdem abhängig vom Boden, dem Standort und den klimatischen Bedingungen. Und weil all das ziemlich kompliziert sein kann, gibt es nicht nur Berater wie Herrn Weiß, sondern auch spezielle Softwares, die beim Planen der Fruchtfolgen unterstützen.

Das Geheimnis fruchtbarer Pflanzengemeinschaften

Fruchtfolgen kann man auf den Feldern nur im Laufe der Zeit beobachten. Anders sieht es bei Mischkulturen aus, die auch Gemengeanbau genannt werden. Hier werden Pflanzen, die sich gegenseitig unterstützen, gleichzeitig angebaut, entweder wild durcheinander oder streifenweise. Dr. Konstantin Becker vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Justus-Liebig-Universität in Gießen sagt: „Mit dem Streifenanbau reduziert man vor allem Krankheitsrisiken. Gibt es dann in einem Streifen einen Pilzbefall, bildet die Kultur dazwischen eine Barriere, sodass nicht gleich die gesamte Ernte betroffen ist.“ Mit kleinen Maschinen ist ein solcher Streifenanbau verhältnismäßig leicht zu bewirtschaften.

Etwas anspruchsvoller wird es, wenn verschiedene Pflanzen gleichzeitig auf derselben Fläche ausgesät werden. Da bilden etwa Hafer, Leindotter und Erbse oder Ackerbohnen mit Mais fruchtbare Pflanzengemeinschaften. Becker nennt die Vorteile: „Neben der Risikostreuung für den Landwirt können Pflanzen auch direkt voneinander profitieren, indem sie sich gegenseitig mit Nährstoffen versorgen, vor Beikräutern schützen oder als Stütze dienen.“ Dann ranken etwa Ackerbohnen an Maispflanzen empor und versorgen diese im Gegenzug mit Stickstoff. Und Leindotter bedeckt rasch den Boden und unterdrückt damit ungebetene Beikräuter, mit denen der Hafer sonst um Nährstoffe konkurrieren müsste. Ein weiterer Pluspunkt: Die Leindotterblüten bieten Insekten eine zusätzliche Nahrungsquelle. Eine Win-Win-Win-Situation also?

Klaus Wais: „In der Kreislaufwirtschaft nährt Mist Böden und Pflanzen“

Auf der schwäbischen Alb baut gleich eine ganze Gemeinschaft von Demeter-Bauern Dinkel für den Bio-Nudelhersteller Naturata an. Das ist ein Segen für die Region, deren Öko-Fläche so trotz der hier vorherrschenden, eher schwachen Böden über die Jahre anwachsen konnte. Dinkel ist deutlich anspruchsloser als etwa Weizen und überzeugt gleichzeitig mit besonderen Eigenschaften. Demeter-Bauer Klaus Wais erklärt: „Unser Dinkel ist besonders proteinreich und eignet sich damit bestens für die regionale Nudelherstellung. Er wächst in Fruchtfolge entweder nach Kleegras oder Ackerbohnen. Letztere verfüttern wir an unsere Rinder – denn Tierhaltung ist bei Demeter Pflicht. So schließen wir Kreisläufe und können unsere Fruchtfolgen ideal gestalten. Der Mist unserer Tiere wird dann auf den Feldern ausgebracht, wenn Böden und Pflanzen zusätzliche Nährstoffe benötigen.“

Der Preis von Mischkultur und Fruchtfolgen

Bio-Betriebe schneiden in puncto Wirtschaftlichkeit meist schlechter ab als konventionelle. Und das obwohl ein Feld Bio-Weizen oft vergleichbare Erträge bringt wie ein Feld konventioneller Weizen. Das Einhalten der Fruchtfolgen bedeutet für ökologisch arbeitende Landwirt:innen allerdings, dass sie gewinnbringende Hauptkulturen wie Weizen oder Gerste seltener säen und ernten können. „Baut ein Bio-Landwirt auf einem Feld ein oder zwei Jahre lang Kleegras an, verzichtet er in dieser Zeit zugunsten der Bodenfruchtbarkeit auf eine Marktfrucht und entsprechend auf Gewinn“, gibt Naturland-Berater Johannes Weiß zu bedenken.

Auch der Gemengeanbau kann seine Tücken haben. Zwar lässt sich in der Theorie gut planen, welche Pflanzen voneinander profitieren. Ob diese jedoch zum richtigen Zeitpunkt auch die richtigen Wachstumsbedingungen finden, liegt vor allem am Wetter – und das wird immer unvorhersehbarer. Werden zum Beispiel Hafer und Erbsen für den menschlichen Verzehr gleichzeitig geerntet, müssen die Körner anschließend getrennt werden. Um auch Bruchstücke aussortieren zu können, muss aufwendige Technik, z.B. Farbscanner eingesetzt werden. „Der Gemengeanbau ist deshalb vor allem für den Futteranbau interessant. Hierbei können die Pflanzen zusammen geerntet und ohne Trennung verwertet werden“, erklärt Konstantin Becker.
Dennoch profitieren Mensch und Natur von Fruchtfolgen und Mischkultur. Denn sie nähren und lockern Böden auf natürliche Art und Weise, kommen ohne Agrarchemikalien aus und fördern Vielfalt statt Einfalt auf unseren Äckern.

Kurz erklärt

  • Fruchtfolge: Auf einem Feld wechseln sich verschiedene Kulturpflanzen nacheinander ab.
  • Mischkultur/Gemengeanbau: Auf einem Acker wachsen verschiedene Kulturen gleichzeitig in Streifen oder bunt gemischt.
  • Monokultur: Hier wächst jahrelang dieselbe Kulturpflanze auf demselben Acker.
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