Leben

Wie öko muss mein Partner sein?

Unsere Autorin fragt sich, wie wichtig gleiche Werte für eine Beziehung sind. 

Neulich im Supermarkt: Hinter dem Regal mit Pesto und Tomatenmark touchieren sich leicht unsere Einkaufswägen. Unter dunklem, leicht strubbeligem Haar lächeln mich rehbraune Augen aufmerksam an. Mein Herz stolpert kurz, fängt sich wieder und schickt ein leichtes Kribbeln in meinen Bauch. Während wir unsere Wägen füllen, werfen wir uns immer wieder verstohlene Blicke zu. Doch als er an der Kasse hinter mir seine Einkäufe auf das Band legt, runzle ich die Stirn. Ich kaufe bio, er kauft Junkfood. Ich bezahle rasch und gehe, ohne mich umzudrehen.

Wo Paare sich kennenlernen

Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit, beim Einkaufen die große Liebe zu finden, ist gering. Laut Statista lernt sich rund ein Drittel der Paare in Deutschland über gemeinsame Freundinnen und Freunde kennen. Gleich dahinter rangiert Onlinedating: 21 Prozent klicken sich 2022 bei der Partnersuche zusammen. Und nur 16 Prozent aller Beziehungen nehmen beim Ausgehen im echten Leben ihren Anfang. Auch die Wahrscheinlichkeit, meinen Traumpartner bei der Arbeit, in der Schule oder an der Uni kennenzulernen, ist höher als der Volltreffer im Supermarkt. Dennoch beschäftigt mich, als ich zu Hause meine ökologischen Einkäufe verstaue, die Frage: Habe ich zu rasch geurteilt? Wie wichtig ist mir, was mein potenzieller Lieblingsmensch isst und trinkt, wofür er sein Geld ausgibt – und wofür nicht? Und selbst wenn er wie ich gerne den koffeinfreien Löwenzahnwurzelkaffee aus dem Bio-Laden trinkt: Würde das allein ausreichen als Basis für eine erfüllte Beziehung?

Wie unterschiedliche Werte Zeit und Energie fressen

Leo und Kathrin sind seit 17 Jahren ein Paar. Die beiden haben kein Auto, ernähren sich überwiegend pflanzlich und biologisch, konsumieren wenig, aber bewusst. Kennengelernt haben sie sich, ganz klassisch, über eine gemeinsame Freundin. Kathrin erzählt: „Leo hat mal versucht, als Selbstversorger in Irland zu leben. Das fand ich interessant.“ Leo kaufte damals schon regelmäßig im Bio-Laden ein und auch Kathrin legte Wert auf nachhaltige Produkte. „Ich war anfangs etwas extremer als sie. Inzwischen ist Kathrin konsequenter in Sachen pflanzliche Ernährung – und kritisiert ab und zu meinen Käse- und Butterverbrauch“, sagt Leo schmunzelnd. Kathrin hingegen nervt es manchmal, wenn sie bei lauwarmem Wasser unter der Dusche steht, weil Leo es ihrer Meinung nach mit dem Energiesparen etwas zu genau nimmt. Dennoch wissen beide: Ihre Differenzen beim Thema nachhaltige Lebensweise sind sehr gering. „Dass wir hier grundsätzlich ähnliche Vorstellungen haben, ist ein wichtiger Baustein unserer Beziehung – genauso wie unsere gemeinsame Begeisterung fürs Wandern und Radfahren“, so Kathrin. Sich über scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Mülltrennung, unnötige Autofahrten oder Anschaffungen zu streiten, möchten sie sich gar nicht vorstellen. Das kostet nur unnötige Energie, finden sie.

Bei Natalie hat es eine ganze Weile gedauert, bis sie einen Partner fand, der ökologisch mit ihr auf Augenhöhe unterwegs war. Bevor sie ihren aktuellen Freund kennenlernte, war sie acht Jahre lang Single. In der Zeit hat sie viele Männer gedated, darunter einen Hardcore-Veganer. Natalie erzählt: „Er hat sogar seinen Hund vegan ernährt. Und obwohl er mir nichts vorgehalten hat, wenn ich meinen Hund mit Fleisch fütterte oder mal etwas Käse aß, haben wir uns beide damit nicht wohl gefühlt“, sagt sie. Ihr heutiger Freund ist gemäßigter. Natalie ist überzeugt: Wenn man sich in grundlegenden Aspekten – etwa was wir essen oder wie wir uns fortbewegen – einig ist, dann ist schon viel gewonnen.

Mal ehrlich: Was will ich eigentlich?

Lässt man oberflächliche Attraktivität einmal bewusst beiseite, bleibt die Frage: Was wünsche ich mir in einer Liebesbeziehung wirklich? Hier einige Anregungen zur Selbsterforschung:

  • Beziehungsform: Monogam oder polyamor? Familie – ja oder nein? Langfristige Partnerschaft, romantisches Abenteuer oder One-Night-Stand? Ist eine Wochenendbeziehung okay oder ist Zusammenleben ein Muss?
  • Grundbedürfnisse: Wie wichtig sind mir Bedürfnisse wie Nähe, Unabhängigkeit, Freiheit, Sexualität, Sicherheit oder Wertschätzung?
  • Werte: Nachhaltigkeit, Religiosität, Ordnungsliebe? Was ist mir im Leben und Alltag besonders wichtig? Was muss erfüllt sein und mit welchen „Eigenheiten“ meines Partners könnte ich mich nicht arrangieren? Was kann ich akzeptieren – und was geht auf keinen Fall?

Warum gemeinsame Werte wichtiger sind als gemeinsame Interessen

Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit der Frage, warum manche Beziehungen halten, während andere in die Brüche gehen. Der US-amerikanische Paartherapeut und Psychologe Peter Pearson identifizierte in dem Zusammenhang gemeinsame Werte als einen zentralen Faktor für dauerhafte, glückliche Beziehungen – wichtiger sogar als gemeinsame Interessen. Denn über Letztere lässt sich diskutieren und verhandeln. Er mag lieber gemütliche Fernsehabende, sie geht gerne mit ihren Freundinnen aus? Kein Weltuntergang, hier kann man Kompromisse finden. Bei grundlegenden Werten hingegen eher nicht: Ihr geht persönliche Freiheit und Abenteuer über alles, während für ihre Partnerin nur Erfolg im Job und Anerkennung zählen? Das geht oft schief. Und genauso kann eine Beziehung an Differenzen in Sachen Umweltbewusstsein scheitern. So auch bei Natalie: Aus einem Flirt mit einem Mann, der fast täglich Fleisch aß, jede noch so kurze Strecke mit dem Auto zurücklegte und kein Interesse an ökologischen Themen hatte, wurde nichts Ernstes. „Insbesondere wenn jemand nicht auf Tierwohl achtet, ist das für mich ein K.-o.-Kriterium“, sagt sie.

I love you?

Gleiche Werte statt rosarote Brille: Bei der Partnersuche ist es hilfreich, nicht nur auf das Gefühl zu hören, sondern schon zu Beginn über wichtige Themen offen zu sprechen.

Was Partnersuche mit digitalem Öko-Filter bringt

Um sich solche Erfahrungen zu ersparen, nutzen manche einen digitalen Öko-Filter. Auf der Kennenlern-Plattform Gleichklang etwa hat der bekennende Minimalist Tomas zahlreiche Menschen kennengelernt, die ähnlich ticken – oder schwingen – wie er. Aus einer solchen Bekanntschaft ist eine Partnerschaft mit zwei Kindern entstanden. Tomas ist überzeugt: „Nachhaltigkeit ist neben Spiritualität die Basis unserer Partnerschaft. Wenn meine Partnerin nicht bereit wäre, sparsam mit Ressourcen umzugehen, wären wir kein Paar geworden.“

Auch Melanie und Frank haben sich hier kennengelernt. Sie war ein Jahr, er gerade einmal zwei Monate auf der digitalen Datingplattform aktiv, bevor sie sich zum ersten Mal trafen und verliebten. „Die Plattform war für uns eine Art Vorfilter. Wie eine Party, bei der sich nur solche Menschen tummeln, denen Nachhaltigkeit grundsätzlich am Herzen liegt“, sagt Frank. Laut Dr. Guido F. Gebauer, dem Mitgründer von Gleichklang, waren Frank und Melanie rasch erfolgreich. „Im Schnitt suchen unsere Mitglieder zwei Jahre lang. Die Plattform zielt nicht auf sekundenschnelle Entscheidungen mit sofortigen Belohnungsmechanismen ab, sondern auf langfristige, erfüllende Beziehungen. Die wertebasierte Suche auf Gleichklang dauert länger als bei den meisten Dating-Apps. Aber das Ergebnis hält besser.“

Welche Dating-Apps mit Klimaschutz-Anspruch es gibt

Ähnlich wie Gleichklang funktionieren auch Portale wie Nachhaltige Liebe und Naturpartner. Und weil Liebe bekanntlich durch den Magen geht und unsere Essgewohnheiten viel über uns preisgeben, bringen die Dating-Apps Veggly, Tofutogether und Vegand.me gezielt Vegetarier:innen und Veganer:innen zusammen. Auch das Portal OKCupid ermöglicht den Usern, mit einem Klimaabzeichen im Profil Umweltbewusstsein zu signalisieren. Bei einer weltweiten Umfrage 2022 gaben 90 Prozent der rund
250 000 Nutzerinnen und Nutzer an, es sei ihnen wichtig, dass ihr Date sich für Klimaschutz interessiert. Ähnliche Trends haben Analysen der Dating-App Tinder ergeben. Potenzielle Partner bewusst auf die Wichtigkeit von Klimaschutz abzufragen, hat sich vor allem in der jüngeren Generation etabliert – und dieser Trend hat sogar einen passenden, eigenen Namen: Thunberging – abgeleitet von der Aktivistin Greta Thunberg.

„Überromantisiert und voller falscher Vorbilder“

Eric Hegmann ist Paartherapeut, Paarberater, Single-Coach, Autor und Gründer der Modern Love School. Mit seiner Onlineschule möchte er ein besseres Verständnis für gesunde Beziehungen vermitteln.

Sollte ich im Supermarkt nach dem richtigen Partner Ausschau halten?

Besser nicht. Nur wenige Menschen schlittern heute schicksalhaft in Beziehungen hinein, sondern entscheiden sich ganz bewusst füreinander – etwa beim Onlinedating. Diese Beziehungen sind haltbarer. Es lässt sich nicht belegen, dass eine schicksalhafte, filmreife Begegnung an der Käsetheke eine Garantie für eine glückliche Beziehung ist.

Welche Rolle spielen geteilte Werte wie Umweltbewusstsein?

Nach meiner Beobachtung werden geteilte Werte immer wichtiger. Wir suchen heute eher den AMEFI-Partner, also den „Alles mit einem für immer“-Partner, der für all das zuständig sein soll, was früher ein ganzes Dorf geleistet hat. Bei so viel gewünschter Nähe braucht es möglichst viele übereinstimmende Werte.

Sollte ich künftig mit einer Checkliste zum ersten Date gehen?

Wer mit einer Checkliste von Red Flags zum Date geht, führt ein Bewerbungs-Katastrophen-Vermeidungs-Gespräch. Dass dabei der Funke nicht überspringen kann, ist selbstredend. Es braucht viel eher mehr Mut und Vertrauen in sich selbst, um auch mit einer Zurückweisung umgehen zu können und sich nicht frustrieren zu lassen.

Warum ist es für viele so schwierig, einen passenden Partner zu finden?

Ich empfinde die Partnersuche heute als überromantisiert und voller falscher Vorbilder. Ich spreche auch von einer „Disneyfizierung“ der Liebe. Soziale Medien und fiktive Geschichten prägen immer mehr das Bild von dem, was eine Beziehung ausmachen soll. Niemals zuvor konnten Menschen ihr Beziehungsmodell so individuell verhandeln wie heute. Und gleichzeitig scheinen Partnersuche und Beziehungen dadurch auch ganz schön belastet.

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