Interview

Verena Altenberger: „Ich bin für mehr EU“

Im Gespräch mit Schrot&Korn hinterfragt Schauspielerin Verena Altenberger typische Frauenbilder und erklärt, weshalb sie eine überzeugte, aber kritische EU-Bürgerin ist.

Das Interview findet online statt – wegen Corona und weil Verena Altenberger in Wien ist. Am Tag zuvor hatte sie den letzten Drehtag für den Film „Unter der Haut der Stadt“. Auf den ersten Blick erkennt man sie kaum: Sie trägt eine Glatze.

Sie spielen in „Unter der Haut der Stadt“ eine krebskranke Frau.

Ja, aber die Krankheit soll nicht im Vordergrund stehen. Es geht um eine Liebesgeschichte. Und „blöderweise“ habe ich in der Rolle auch Krebs.

Die Darstellung von Frauen in der Öffentlichkeit ist ja schon länger ein Thema für Sie. Sie haben geschrieben: „Wenn ich mal ein Bild poste mit zu viel Haaren unter den Armen, bekomme ich die bösesten Kommentare!“

Ja, mit Körperhaaren kann man viele Menschen ärgern … (lacht)

Wenn der nächste „Polizeiruf“ für das Erste gedreht wird, sind die Haare wieder lang?

Dann sehe ich einfach so aus, wie ich aussehe. Es ist ja völlig egal, wie ich aussehe. Und es ist auch wurscht, ob meine Kommissarin Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff kurze oder lange Haare hat.

Zur Person

Verena Altenberger wurde vor 33 Jahren in Österreich geboren. Sie hat sowohl ein Publizistik- als auch ein Schauspielstudium abgeschlossen. Auf der Bühne stand sie am Wiener Burgtheater, am Volkstheater Wien und – ganz aktuell in diesem Jahr – bei den Salzburger Festspielen. Im Fernsehen spielte sie unter anderem die Hauptrolle in der RTL-Sitcom „Magda macht das schon!“ Seit zwei Jahren ermittelt Altenberger im ARD-Krimi „Polizeiruf 110“ in München. Die erste Folge wurde gleich für den Grimmepreis nominiert. Die Folge „Bis Mitternacht“ läuſt am 5. September 2021 im Ersten – und ist danach in der ARD-Mediathek zu sehen.

Woran liegt es, dass Frauen in bestimmte Bilder gezwängt werden?

Das ist das Patriarchat. Damit meine ich: Das ist eine erlernte, sozialisierte Haltung, Denkweise, Handlungsweise, die viele hundert Jahre Zeit hatte, sich zu manifestieren.

Was kann man gegen diese Klischees gegenüber Frauen tun?

Ich glaube, dass es an der Zeit ist, für eine gewisse Radikalität zugunsten der Veränderung. Zum Beispiel – und das ist in Wirklichkeit ja überhaupt nicht radikal: die Frauen-Quote. Wenn es nicht von alleine kommt, dass mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten, dann brauchen wir halt zwingende Mittel. Und: „Steter Tropfen höhlt den Stein!“ Wir dürfen nicht aufhören, auf diese falsch erlernten Haltungs- und Sichtweisen hinzuweisen, sie zu hinterfragen und sie, wann immer möglich, aufzubrechen.

Geht das in erster Linie Männer an?

Nein, das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem. Ich glaube aus ganzem Herzen, dass eine Gesellschaft, in der alle Geschlechter gleichberechtigt sind, für alle Geschlechter die bestmögliche Gesellschaft ist. Ich glaube nicht, dass es Männern besser geht, wenn Frauen unterdrückt werden. Es ist doch eher so, dass eine Freiheit, die für alle gleichermaßen gilt, in Wirklichkeit zu einem Wohlgefühl für alle führt.

Schaffen wir das? Sind wir wenigstens auf einem guten Weg?

(seufzt) An manchen Tagen bin ich optimistisch und an anderen sehr pessimistisch. Also, das wird sich nicht in den nächsten zehn Jahren ändern, aber nichtsdestotrotz müssen wir alles tun, dass es sich schrittweise ändert. Ob es dann zehn, hundert oder noch einmal tausend Jahre dauert – we will see.

Nicht alles fürs Wachstum!

Verena Altenberger

Lassen Sie uns über den Öko-Aspekt der Verena Altenberger sprechen. Ihre Mutter war Direktorin einer Landwirtschaftsschule. Konventionell oder Bio?

Als erste Amtshandlung hat meine Mutter von konventionell auf Bio umgestellt. Meine Mutter wollte schon immer Landwirtin werden. Es gibt in unserer Familie sogar ein, zwei Erbhöfe, aber keinen, der auch nur annähernd an meine Mutter hätte gehen können …

Sie wurde trotzdem Landwirtin?!

Ja! In Wien hat sie an der Universität für Bodenkultur Agrarwissenschaften studiert. Dann hat sich die Möglichkeit ergeben, über das Land Salzburg einen Lehrbetrieb zu übernehmen als Direktorin und Vorständin dieses sehr großen Bauernhofs – den Winklhof. Weil es ein Lehrbetrieb ist, muss da alles sein: Viehwirtschaft , Forstwirtschaft , Almwirtschaft, einfach alles. Meine Mutter ist die erste und einzige Frau ever in Österreich in dieser Position. Die Landwirtschaft ist schon ein sehr männlich dominierter Bereich – und das Unterrichten von Landwirtschaft natürlich auch. Und als Erstes hat sie gesagt: „Das Allerwichtigste ist: Weg von der Anbindehaltung, hin zu Bio!“

Und die Tochter ist dann also auch „bio“ aufgewachsen?

Ja! Für mich ist wichtig, dass ich weiß, wie Lebensmittel hergestellt werden und wie sie gut hergestellt werden. Ich glaube, das bringt einen näher an die Wichtigkeit von Bio, von Tierwohl, von Nachhaltigkeit, von Langsamkeit, von „nicht alles fürs Wachstum“. Aber dann kriegt man natürlich auch – zumindest am Rande – mit, wie schwierig es ist, auf Bio umzustellen. Ich habe erkannt, was für ein großes fi nanzielles Risiko das ist, weil der Staat und die Europäische Gemeinschaft einfach nicht genug Anreize bieten, damit mehr Menschen wirklich kleine nachhaltige, biologische Landwirtschaft betreiben.

Sie sprechen viele Sprachen, unter anderem Jiddisch und Türkisch. Sehen Sie sich nicht nur als Österreicherin, sondern eher als Europäerin und Weltbürgerin?

Ich bin Österreicherin, da komme ich nun mal her. Aber ich merke, wenn ich zum Beispiel in den Vereinigten Staaten bin, wie sehr ich mich mit Europa identifiziere und mich als Europäerin verstehe. Ich bin wirklich ein Fan der Europäischen Union, aber nicht von allem, was sie macht, vor allem an den Außengrenzen. Aber ich bin eine Befürworterin von mehr EU, nicht weniger. Einzelstaatlichkeit ist auf Dauer nicht gesund. Ich bin also für mehr EU, vor allem auch im Sinne einer Werteunion.

Apropos Werte: Sie haben sich intensiv für das Grundrecht auf Asyl eingesetzt. In der EU gibt es immer noch – Beispiel Ungarn – starke Bestrebungen, gar keinen mehr reinzulassen …

Auch in Österreich! Hier wurde vor wenigen Wochen eine Zwölfjährige nach Georgien abgeschoben, obwohl sie hier geboren war, perfekt Deutsch spricht, hier ins Gymnasium ging. Abgeschoben in ein Land, das sie nicht kennt, dessen Sprache sie nicht spricht, das nicht ihre Heimat ist. Natürlich muss man ein Auge auf Polen und Ungarn werfen, aber man darf nicht vergessen, dass bei uns auch richtig viel Scheiße abläuft . Gerade was Asyl und Bleiberecht und Staatsbürgerschaft angeht. Österreich hat eines der restriktivsten Staatsbürgergesetze. Es ist so absurd schwierig, Österreicherin oder Österreicher zu werden. It shouldn’t be like that!

Ein herzliches Lachen überwindet auch virtuelle Distanz: Verena Altenberger traf Schrot&Korn-Redakteur Manfred Loosen online.

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