Kolumne

Wie geht's Dir?

Auf die Allerweltsfrage „Wie geht's?“ antworten wir viel zu oft mit einem schnellen „Danke, gut“, findet unsere Kolumnistin Jutta Koch. Dabei könnte Smalltalk zu einer richtig großen Sache werden.

Kommunikation ist Harakiri. Meine Meinung. Schon die Allerweltsfrage „Wie geht’s dir?“ birgt Fallstricke noch und nöcher. In Sekundenschnelle gilt es abzuwägen: Was möchte ich preisgeben, was lieber nicht? Und wie ehrlich und authentisch darf ich dabei sein? Alle Welt lobt zwar „Authentizität“ im Auftreten, aber oft genug kommt die dann doch nicht so gut an, sobald sie an der Oberfläche des höflich-distanzierten Miteinanders kratzt.

Und während man noch grübelt, wie viel Tiefgang man dem anderen im Smalltalk zumuten kann, fragt der sich vermutlich schon, was mit einem nicht stimmt, weil man so herumdruckst. Ich bin sicher, anderen geht’s genauso. Denn warum sonst – wenn nicht aus purer Verlegenheit – sollte jemand ernsthaft antworten: „Am liebsten gut!“?

Ehrliche Antwort

Neulich erlebte ich das genaue Gegenteil. Ich hatte einen Verlagskollegen am Telefon, den ich monatelang nicht gehört, geschweige denn gesehen hatte. Nun hatten wir uns überpünktlich in eine Telefonkonferenz eingewählt und warteten auf die anderen Teilnehmer. „Wie geht’s dir?“, fragte ich ihn. Mit seiner Antwort hätte ich nicht gerechnet, denn sie war einfach nur ehrlich. Vor einigen Monaten hat mein Kollege seine Mutter verloren, die nach einer Operation im Krankenhaus mit Covid-19 infiziert wurde und wenig später auf der Isolierstation starb.

Das hat er mir erzählt. In wenigen Sätzen. Und auch, dass die letzte Zeit schwer für ihn war und noch ist. Dann hat er gelacht und gesagt: „Du hast so unschuldig gefragt, wie es mir geht – und dann kommt so eine Antwort.“ Ich sagte mit etwas wackeliger Stimme: „Danke dafür.“ Denn so traurig die Nachricht war, gab mir mein Kollege damit doch ein gutes Gefühl. Weil er mich teilhaben ließ. Er ist nicht den einfachen Weg der gewohnten Antwort „gut, danke“ gegangen. Sagen, was ist – das sollten wir alle öfter tun.

Fragen wir trotzdem!

Im Radio hörte ich kürzlich von einem Stammtisch, der sich während der Pandemie via Videokonferenz traf – unter der Bedingung, dass niemand ein Wort über Corona verlieren durfte. Kann man machen. Aber vielleicht sind ein paar offene Sätze viel heilsamer als krampfhaftes Drumherumreden.

Oft genug schrecken wir ja auch vor dem „Wie geht’s?“ zurück, wenn wir schon wissen, dass der andere gerade eine schwere Zeit durchmacht. Fragen wir ihn doch trotzdem und halten die Antwort aus. Wenn wir das mal alle gemeinsam versuchen, dann wird selbst der Smalltalk noch zu einer richtig großen Sache.

Jutta Koch (42) ist Redakteurin beim Naturkosmetik-Magazin cosmia. Als Kolumnistin erzählt sie aus dem Alltag zwischen Wonne und Wahnsinn.

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