Leben

Kuscheln gegen die Einsamkeit

Knuddeln, kuscheln, streicheln: Berührungen sind lebenswichtig. Doch was tun, wenn man gerade keinen Kuschelpartner zur Seite hat und sich einsam fühlt?

Wen haben Sie heute schon öfter berührt: Ihr Smartphone oder einen lieben Menschen? Merken Sie etwas? Sanfte Berührungen sind Mangelware in unserer Gesellschaft. Das sollte sich schleunigst ändern. Denn Kuscheln, Knuddeln und Umarmen tut uns nicht nur gut – es ist schlicht lebensnotwendig.

Mein Sohn konnte noch nicht einmal das ‚k‘ aussprechen, da war er schon Weltmeister im Kuscheln. „Bisschen tuscheln?!“, lautete jeden Abend seine auffordernde Frage und schwups – schon hatte ich ein warmes Bündel im flauschigen Pyjama auf dem Schoß, das sich an mich schmiegte. Ein Ritual, das ihm wahrscheinlich genauso wohltat wie mir. Denn nicht nur Kinder, die gestreichelt werden, spüren dadurch Sicherheit, Nähe und Trost – auch wir Großen profitieren vom Kuscheln: Wer sanft und freundlich berührt wird, fühlt sich zugehörig und spürt: „Ich bin nicht allein.“ Aber was, wenn niemand da ist, um uns nahe zu sein und man sich sehr einsam fühlt?

Wie viele Menschen fühlen sich einsam?

2023 fühlte sich jeder vierte Erwachsene in Deutschland sehr einsam – das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage für das „Deutschland-Barometer Depression“. Einsamkeit ist zum Massenphänomen geworden, die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch verstärkt. Doch als soziale Wesen brauchen wir den Kontakt zu anderen. Berührung ist lebensnotwendig, ein biologisches Grundbedürfnis. Fehlt sie, fühlen wir uns belastet und gestresst. Kristian Erdmann kennt diese Erfahrung. An den Winteranfang 2018 kann er sich noch gut erinnern. Dunkel war es und kalt, und der damals 26-Jährige war einsam. „Ich war seit Kurzem Single und habe gemerkt, wie sehr mir Berührung fehlt. Ich brauche das“, sagt der Kölner.

Dass sein damaliges Empfinden symptomatisch ist, belegen Forschungsergebnisse, denn die Wirkung von Berührungen lässt sich messen: Werden wir angenehm berührt, schüttet unser Gehirn Botenstoffe aus, allen voran das bekannte Kuschelhormon Oxytocin, aber auch Dopamin, Serotonin und Endorphine werden freigesetzt. Kurz: ein beruhigender und beglückender Mix, der die Herzfrequenz senkt, die Muskeln entspannt und zum Wohlbefinden beiträgt. Denn Berührung signalisiert uns – ganz archaisch – dass wir Teil einer Gemeinschaft sind und den Schutz der Gruppe genießen. Bleibt dieses Signal aus, steigt der Spiegel des Stresshormons Cortisol im Körper an und auf die Dauer erhöht sich damit das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Depression – die schädigende Wirkung von Einsamkeit gilt als vergleichbar mit der von Rauchen und Alkoholkonsum.

Helfen Kuschelpartys gegen Einsamkeit?

Für Kristian Erdmann war klar, dass er wieder mehr „human touch“ in sein Leben bringen wollte. Deshalb entschied er sich für eine Kuschelparty, also eine organisierte Veranstaltung, bei der einander unbekannte Menschen zusammenkommen, um – ohne sexuelle Absichten – miteinander zu kuscheln. Für viele klingt das erst mal nicht alltäglich und auch Kristian erinnert sich, dass es ihn einige Überwindung gekostet hatte, zu der Party zu gehen – doch seine Neugier und der Wunsch nach Nähe seien stärker gewesen als die Zweifel. „Das war beim ersten Mal schon ungewohnt, mit Fremden in Berührung zu gehen“, erzählt er. „Aber ich habe bald gemerkt, dass es sich schön anfühlt und dass Kuscheln nichts mit Sexualität zu tun haben muss. Und auch, dass es gar nicht so wichtig ist, ob dein Gegenüber jung oder alt, männlich oder weiblich, bekannt oder unbekannt ist.“

Tatsächlich braucht es keine Liebesbeziehung oder Freundschaft, damit Berührungen zwischen zwei Menschen ihre Kraft entfalten können. „Entscheidend für den positiven Effekt einer Berührung ist, dass eine Vertrauensbasis und eine positive emotionale Beziehung zum Berührungspartner besteht“, sagt Rebecca Böhme vom Zentrum für soziale und affektive Neurowissenschaften in Linköping, Schweden. Diese vertrauensvolle Basis kann sich ihr zufolge auch auf professioneller Ebene einstellen – zum Beispiel bei einer Massage oder eben auf einer Kuschelparty.

Der Streichelsinn reagiert auf positiven Körperkontakt

Bei Weitem nicht alle Zusammenhänge zwischen Berührung und Wohlbefinden sind bisher untersucht. Im Gegenteil: Die Forschung dazu fristete lange ein Schattendasein. Laut Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme hat das auch damit zu tun, dass Kuscheln lange als Verwöhnen missverstanden wurde.

Ein entscheidender Durchbruch gelang vor rund 20 Jahren. Eine Gruppe um den Neurophysiologen Hakan Olausson an der Universität Göteborg fand damals heraus, dass es in unserer Haut spezielle Rezeptoren gibt, die nur auf soziale Berührung und liebevolles Streicheln reagieren: die C-taktilen Fasern. Anders als der Tastsinn leiten diese Fasern ihre Informationen in die Areale des Gehirns, die zuständig sind für die Verarbeitung positiver Gefühle, für das Nachdenken über andere und die Selbstwahrnehmung. Spannend: „Kuscheln mit einem geliebten Haustier kann ebenfalls den Stresslevel senken und das Wohlbefinden erhöhen“, sagt Rebecca Böhme.

Fünf berührende Fakten

Eine Frau umarmt sich selbst

Die perfekte Berührung: Ob wir eine Berührung als angenehm empfinden, realisiert unser Gehirn binnen Millisekunden und aktiviert bei positiver Berührung andere Nervenstränge als bei negativer. Welche Art von Berührung uns dabei am angenehmsten ist, wurde genau untersucht. Der positivste Effekt entsteht demnach beim Streicheln mit 32 bis 34 Grad warmen Händen und einem Tempo von ein bis zehn Zentimetern pro Sekunde.

Körperkontakt bei Frühchen: Alle Babys und besonders zu kleine und zu früh Geborene profitieren vom engen Hautkontakt zu ihren Eltern direkt nach der Geburt: Die Berührung stabilisiert die Atmung, die Körpertemperatur und den Blutzuckerspiegel, fördert das Wachstum und verbessert entscheidend die Überlebenschancen von Frühchen.

Streicheln und streicheln lassen: Streicheln oder umarmen wir uns selbst, ist der Effekt deutlich schwächer, als wenn jemand anderes uns berührt. Denn das Gehirn ist darauf trainiert, Berührungen von außen stärker zu empfinden als solche, die von uns selbst kommen.

Berührung fördert Bindung: Das Hormon Oxytocin, das bei Körperkontakt freigesetzt wird, fördert auch unsere sozialen Beziehungen. Werden wir von anderen freundlich berührt, sind wir eher bereit, ihnen einen Gefallen zu tun. Berührt zum Beispiel im Café die Bedienung einen Gast kurz an der Hand, wird dieser vermutlich mehr Trinkgeld geben.

Bitte nicht kaputtmachen! Das erste und vermutlich auch das letzte, was wir Menschen können, ist fühlen. Von der Geburt bis ins hohe Alter können wir also von der positiven Kraft der Berührung profitieren. Umso wichtiger, dass dieser Zauber nicht zerstört wird. Denn Menschen, die in ihrer Kindheit missbraucht oder vernachlässigt wurden, empfinden Berührung als weniger angenehm oder lehnen sie sogar ab.

Kuscheltherapie auf Rezept?

Die Beobachtung, dass Berührung der Seele und dem Körper guttut, hat auch Elisa Meyer gemacht. In den USA hat die 37-Jährige eine Ausbildung zur Kuscheltherapeutin absolviert und 2016 in Leipzig die „Kuschel Kiste“ gegründet: einen professionellen Kuschelservice, über den sie und etwa 35 von ihr ausgebildete Frauen und Männer in ganz Deutschland sanfte Berührungen als Dienstleistung anbieten. Gebucht wird die 1:1-Kuscheltherapie stundenweise. Bevor es losgeht, werden die Regeln besprochen und von beiden Seiten unterschrieben. Das ist laut Elisa Meyer wichtig, um deutlich zu machen: Der Kuschelservice hat keine private Bedeutung und ist nicht mit Freundschaft zu verwechseln.

Seit dem Ende der coronabedingten Kontaktbeschränkungen steige die Nachfrage nach ihrer Dienstleistung kontinuierlich an. Deshalb fordert Elisa Meyer, Kuscheln als Therapieform anzuerkennen. Ein Aufruf, den Kristian sofort unterschreiben würde, denn die Kuschelpartys haben ihm geholfen. Heute besucht der 31-Jährige keine organisierten Veranstaltungen mehr – sondern er kuschelt im Freundeskreis.

Kuren, Wellness und Massagen

Eine Frau umarmt sich selbst

„Berührungen von uns emotional nahestehenden Lebewesen – Mensch oder Tier – haben die größte Wohlfühlwirkung“, sagt die Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme. Zumindest gewisse Aspekte der Berührung lassen sich ihr zufolge aber auch ersetzen. „Viele Menschen schwören auf beschwerte Decken, Wärme durch Sonne oder ein warmes Bad“, so die Forscherin. Auch Yoga und Atemübungen können helfen und tragen zum Wohlbefinden bei.

Wer mehr will, kann sich eine kleine Auszeit für die Seele nehmen. Auf ausgewählten Internet-Portalen finden sich zahlreiche Bio-Unterkünfte für nachhaltige Hotelaufenthalte. Entspannungssuchende bekommen hier Moorbäder, Massagen und andere Anwendungen angeboten. Bio-Hotels bieten außerdem Ayurvedakuren, Therapie und Wellness an. Wer Erholung und Ruhe nötig hat, kann unter vielen wohltuenden Angeboten wählen.

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