Leben

Kunst fürs Klima

Künstler und Kulturstätten bemühen sich um einen klimafreundlicheren Betrieb. Nicht nur darum sollten wir uns Kunst weiterhin leisten.

Ein beeindruckendes Kunstwerk: das 25 Meter hohe Klima-Graffiti mit einem Zauberwürfel in der Mitte. Das Wandgemälde, ein sogenanntes Mural, von Streetart-Künstler Justus COR Becker trägt den Namen „Gemeinsam was drehen“. 2019 hat er es im Auftrag des hessischen Umweltministeriums an eine Frankfurter Häuserwand gesprüht.

Der Klimawandel ist längst Thema in der Kunst. Doch erst seit Kurzem suchen Wissenschaft und Politik sie als Verbündete. In Aktionen oder Projekten wie der hessischen Klimakampagne versuchen sie durch die Kunst Aufmerksamkeit zu erzielen und mehr Menschen zu erreichen. Gleichzeitig ist die Kulturbranche oft Vorreiterin in relevanten Gesellschaftsfragen, auch in Sachen Nachhaltigkeit hat sie sich bereits auf den Weg gemacht.

Wie Kunst das Klima anpackt

Besonders aufsehenerregend sind Klimaschutz-Projekte des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson, der in Berlin lebt. Als 2014 der fünfte Weltklimabericht in Kopenhagen vorgestellt wurde, deponierte er vor der Stadthalle unter dem Titel „Ice Watch“ zwölf riesige Gletschereisbrocken und ordnete sie kreisförmig zur Klima-Uhr. Vier Jahre später wiederholte er die spektakuläre Aktion und kippte 24 Gletscherbrocken vor die Londoner Tate Modern. Die Reaktionen reichten von enthusiastisch bis ablehnend.

Der Soziologe Harald Welzer befand: Kunst, die versuche pädagogisch-politisch zu sein, sei „komplett für die Füße“. Seiner Meinung nach erreiche man Menschen nur durch positive Geschichten. Andere Kritiker monierten, Eliasson verursache selbst zu viel CO2. Ein Thema, dem der Künstler nicht ausweicht. Auf seiner Internetseite schrieb er über die CO2-Bilanz der Aktion: Sie sei auf etwa 35 Tonnen berechnet worden. Dies sei zwar eine Menge. Andererseits könne man damit nur 33 Leute persönlich von London nach Nuuk (und wieder zurück) fliegen, um ihnen die Situation in Grönland zu zeigen. Auf den Archivfotos sieht man Männer, Frauen und Kinder, die staunend das Millionen Jahre alte Gletschereis umarmen, küssen, sich daran lehnen. In Interviews betont Eliasson immer wieder, dass die „persönliche Erfahrung die Menschen tiefer berühre als abstraktes Wissen“. Daraus leitet er auch die Verantwortung der Kunst ab, vorauszugehen und diese Fähigkeit einzusetzen.

Vom Klima in der Kunst zum Klima im Kunstbetrieb

Bis vor vier Jahren war die Klimaverträglichkeit der Kultur kein offizielles Thema. Daher existierten auch keine auf sie zugeschnittenen Modelle oder CO2-Rechner. In Großbritannien dagegen gab es bereits „Julie‘s Bicycle“, eine Klimaschutzplattform extra für Kunstschaffende. Eliasson beauftragte sie 2018 mit der CO2-Bilanz von „Ice Watch“. Mittlerweile hat Deutschland aufgeholt. Die Kulturstiftung des Bundes gründete 2020 das „Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit“, um Kultureinrichtungen auf dem Weg zur Klimaneutralität mit Weiterbildung, Vernetzung und Symposien zu unterstützen.

Für einzelne Künstler wie Justus Becker, Kunstvereine oder kleinere Kulturbetriebe ist die Online-Plattform „Primal Green“ eine Alternative. Die Plattform bietet Anregungen für klimafreundliches Arbeiten sowie die Möglichkeit zu Vernetzung und Materialientausch. Gefördert wurde das Projekt ebenfalls durch den Bund, gegründet von der Kunsthistorikerin und Autorin Alicia Reuters. Die Idee kam ihr, weil sie selbst keine passenden Handreichungen hatte finden können, erzählt sie. Bei der Recherche für ihre Website fiel ihr auf: „Jetzt alles nur noch digital zu machen, ist keine klimaneutrale Lösung. Das gilt auch für Messen.“ Was Digitales allerdings nachhaltiger macht, zeigen die Webseiten der beiden Plattformen gleich selbst: Schlankes Webdesign sorgt für weniger Rechneraktivität – und spart Energie.

Klimafreundliche Museen

  • GCC – Gallery Climate Coalition Berlin: Umstellung auf Öko-Stromanbieter, Mehrfachnutzung von Verpackungen, gemeinsame Transporte mit anderen Galerien.
  • Das Institut Français, das Goethe-Institut und das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit suchen mit europäischen Politikern, Theaterintendanten und Tanzkompanien den Schulterschluss: Kooperation versus Konkurrenz; Mobilität des Publikums und der Kulturschaffenden; Klimabilanz der Häuser, Produktionen und Festivals; nachhaltige Digitalisierung.
  • Kommunikationsmuseum in Frankfurt/Main: Die aktuelle Ausstellung Klima X untersucht, wie über Klimawandel kommuniziert wird. Engagement: Dachbegrünung mit Wildbienenwiese, Zusammenarbeit mit Landesenergieagentur, ULF (Unverpackt Frankfurt), Hessisches Umweltministerium und Deutsche Bundesumweltstiftung.

Die Berliner Galeristin Carolin Leistenschneider fand bis vor zwei Jahren ebenfalls wenig Hilfreiches zum Thema Nachhaltigkeit. Zusammen mit anderen Berliner Galerien hat sie sich daher der britischen „Gallery Climate Coalition“ GCC angeschlossen. Die GCC stellt ihren mittlerweile 800 weltweit registrierten Mitgliedern Checklisten und andere Instrumente für mehr Nachhaltigkeit zur Verfügung. Was ist daran anders? „Es gibt zahlreiche CO2-Rechner, aber dieser fragt nach unseren Kategorien. Etwa welche Verpackungen man benutzt oder ob man Kunstwerke per Luft-, Straßen-, Zug- oder Seefracht transportiert. In den USA etwa gibt es öfter Zugfracht, bei uns in Europa macht das keinen Sinn. Selbst wenn man gemeinsam mit anderen Galerien einen Sammeltransport machen würde, müsste die Kiste an jeder innereuropäischen Grenze aufgemacht werden, damit der Zoll reingucken kann.“

Sie bedauert, dass Geschwindigkeit und Flexibilität noch immer so gefragt sind. Mit vorausschauender Planung gehe das auch anders: „Für eine Messe in Kopenhagen haben wir zusammen mit anderen einen Transporter gemietet. Oder Verpackungen: Wir haben einen extra Raum, da lagern wir sie und benutzen sie mehrmals. Für mich ist das Schöne an der Umweltbewegung, dass man sich austauschen und vernetzen muss.“

Klimabewusste Kulturstätten

Bei kommunalen Einrichtungen wie Museen oder Theatern sind die Bedingungen anders gelagert, doch gute Kommunikation und Vernetzung sind auch hier die Basics. Das Kölner Museum Ludwig etwa hat sich schon vor drei Jahren auf den Weg zum „Grünen Museum“ gemacht, manche Entscheidungen kann es jedoch gar nicht selbst treffen. Dazu zählen etwa Luftfeuchtigkeit oder Klimatisierung. Internationale Richtwerte schreiben 19-20 Grad Celsius bei 50 Prozent Luftfeuchte vor. Daran orientieren sich Verträge und Versicherungen. Der Deutsche Museumsbund prüft gerade, was sich ändern lässt.

Bei Stromlieferung oder Leuchtmitteln sind kommunale Häuser ebenfalls von der Entscheidung anderer abhängig. In Köln sei das Amt für Gebäudewirtschaft zuständig, sagt Kuratorin Miriam Szwast. Sie hat im Museum das Team Nachhaltigkeit initiiert, und sich für Öko-Strom eingesetzt. Braucht man da nicht starke Nerven? Sie lacht und betont: „Die meisten sind dankbar, wenn Leute die Initiative ergreifen. Schließlich will die Stadt Köln bis 2035 klimaneutral sein. Aber es gibt auch Widerstände. Transformation wird oft mit Verzicht gleichgesetzt. An diesem Punkt versuchen wir, Ängste zu nehmen.“

Als Beispiel nennt sie die Ausstellung „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“. Hier gibt es zum ersten Mal keine gedruckten Wandfolien und auch Transporte waren in diesem Fall nicht nötig. Stattdessen wurde aus dem Fundus geschöpft, mit Digitalem ergänzt und das Team schrieb Infotexte mit der Hand. Zudem hat Szwast vom Budget auch Klimaworkshops finanziert, an denen im Rahmen der Ausstellung Kinder, Jugendliche und Erwachsene teilnehmen. Mit Kunst im engen Sinn habe das nichts zu tun, räumt sie ein, gehöre aber trotzdem dazu, denn: „Das ist unser ‚Handprint‘, der in der Kultur gerne als positiv besetztes Pendant zum Fußabdruck genannt wird.“

An seinem Handprint will auch Streetart-Künstler Justus Becker etwas ändern. Er plant „nur noch mit Spritzpistolen zu arbeiten, die mit Druckluft funktionieren.“ Mit solchen Statements können einzelne Künstler genauso wie Museumsteams zu Multiplikatoren werden. Dennoch ist die Politik hier gefordert, entsprechende Weichen zu stellen. Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda bemängelte bei der Berlin Art Week, dass „die Nachhaltigkeit häufig als rein individuelle Entscheidung gesehen wird.“ Mit ordnungspolitischen Vorgaben „könnte Politik Anreize schaffen und den sozialen Sprengstoff rausnehmen, auch bei der Kunst.“

Neue Ausdrucksformen durch Kunst

Umwelt

Klimawandel: Kunst kann ermutigen

Margret Boysen ist eine beharrliche Vermittlerin am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Sie vernetzt dort Kulturschaffende mit Wissenschaftlern. Künstler hätten zur Klimadebatte viel beizutragen, sagt sie im Interview. Solange sie sich nicht vor den falschen Dingen fürchten.

Über Kunst und Klima reden

Die einen haben vielleicht ihren Lebensstil verändert, weil sie einen Gletscher berührt haben, andere wurden vielleicht durch ein Bild überrascht wie in Frankfurt. Becker erinnert sich: „Am Anfang waren die Bewohner verunsichert. Sie wussten nicht, was das soll und ob das rechtens ist.“ Als er erklärte, dass er für die Klimaschutzkampagne arbeitet, gab es Kaffee und Diskussionen. Kunst verbraucht Ressourcen, aber sie kann etwas, das Wissenschaft gar nicht darf: Sie entführt in fantastische Welten. Sie bringt Menschen womöglich dazu, einen Zauberwürfel in den Händen zu spüren und zu überlegen: Was kann ich tun, dass sich was dreht?!

Interview: „Museen können Brücken schlagen“

Miriam Szwast

Miriam Szwast ist Kunsthistorikerin und verantwortet das Transformationsmanagment Nachhaltige Kultur im Kölner Museum Ludwig. Sie beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle Kunst beim Kampf gegen den Klimawandel spielt.

Ist Kunst nur etwas für die Elite?

Auf keinen Fall. Leider schwingt beim Begriff Kunst für viele etwas Elitäres mit, das ist ein historisches Erbe, dem ich versuche, entgegenzuwirken. Museen schaffen Räume der Reflexion und des Austauschs. Ich bin überzeugt: Wir als Gesellschaft brauchen die Ideenvielfalt und Sensibilität der Kunst für die anstehende Transformation.

Was kann Kunst, das die Wissenschaft nicht schafft?

Sie kann Menschen unmittelbar berühren. Die Klimakrise ist da, das lässt sich mit Zahlen belegen und bleibt doch vielen in letzter Konsequenz immer noch abstrakt. Indem sich das Museum als Ort für das Reflektieren unserer individuellen Verletzbarkeit anbietet, aber auch unserer Selbstwirksamkeit, kann es Brücken schlagen zwischen der Naturwissenschaft und dem praktischen Handeln.

Was tut das Museum Ludwig für mehr Nachhaltigkeit?

Wir reduzieren unseren CO2-Fußabdruck, indem wir zum Beispiel in der aktuellen Ausstellung auf Transporte verzichten und einen digitalen, kostenlosen Katalog anbieten. Wir begrünen unsere Dachterrasse, stellen die Beleuchtung auf stromsparende LED um und recyceln Ausstellungsarchitektur oder Fassadenbanner. Manchmal stoßen wir auch für die Stadt Änderungen an.

Zum Beispiel?

Wir haben den Wunsch geäußert, dass bei der nächsten Ausschreibung zur Energieversorgung der städtischen Gebäude Öko-Strom erstmals ein Muss wird. Schließlich hatte Köln 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Zum Glück waren wir mit dem Wunsch nicht allein und beziehen nun seit fast zwei Jahren 100 Prozent Öko-Strom aus Wasserkraft.

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