Während einer Krebstherapie auf Nahrung verzichten. Eine solche Empfehlung klingt erst einmal fragwürdig, weil der Krebs an sich schon zehrt und Menschen mit einer Krebserkrankung meist schon zu wenig wiegen. Doch seit einigen Jahren weiß man, dass durch das Weglassen von Nahrung während einer Chemotherapie Zellen geschützt und unerwünschte Krebszellen stärker bekämpft werden. Herausgefunden hat das der Alters- und Krebsforscher Valter Longo von der Universität Südkalifornien in Los Angeles. Seine Untersuchungen an Hefezellen, Bakterien und Mäusen ergaben, dass sich gesunde Zellen durch Fasten vor Giftstoffen schützen können, da ihr Stoffwechsel dabei in eine Art Winterschlaf fällt.
Krebszellen sind gefräßig
„Sie ducken sich weg, konzentrieren sich also auf lebenserhaltende Maßnahmen wie Selbstreinigung und werden dadurch widerstandsfähiger“, erklärt Professor Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin, das Phänomen in seinem Buch „Mit Ernährung heilen“. Anders die Krebszellen. Sie nehmen jede noch so kleine Energiequelle auf – und so auch die Medikamente, die den Krebs bekämpfen sollen. „Die Krebszellen bekommen den vollen Schlag der Chemotherapie ab“, so Michalsen. Die Chemotherapie werde dadurch verträglicher, denn sie mache den Krebszellen den Garaus, schone aber die gesunden Zellen. Valter Longo nannte dieses Phänomen „differenzielle Stressresistenz“ – Stress für die Krebszelle, Ruhemodus für gesunde Zellen. Aufgrund dieser Ergebnisse in Zell- und Tierversuchen wollten Mediziner herausfinden, ob kurzzeitiges Fasten während der Chemotherapie bei Patienten mit weniger Übelkeit, Erbrechen, Schlappheit und Müdigkeit einhergeht – denn diese Nebenwirkungen führen nicht selten zum Abbruch einer Therapie. Eine der ersten Studien wurde an der Hochschulambulanz für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin mit 34 Patientinnen durchgeführt, die unter Brust- oder Eierstockkrebs litten. Je die Hälfte der Frauen fastete 36 Stunden vor und 24 Stunden nach der jeweils eintägigen Chemotherapie. Die Frauen verzichteten auf Essen und tranken stattdessen Wasser, Kräutertees, Gemüsesaft- und Gemüsebrühe. Zudem mussten sie sich am Tag eine Stunde bewegen. Ergebnis: Die fastenden Probandinnen litten tatsächlich weniger unter Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen. Sie rutschten nach der „Chemo“ auch nicht so sehr ab in die übliche Erschöpfung. Und ihr Körpergewicht blieb stabil.
Kompromiss Scheinfasten
So vielversprechend diese Ergebnisse auch sind: Bei Chemotherapien, die über einen längeren Zeitraum gehen, kann Fasten nicht empfohlen werden. Die Patienten würden zu sehr an Gewicht verlieren und auszehren. Valter Longo entwickelte darum die Fasting-Mimicking-Diät, auch Scheinfasten genannt. Dabei verzichten die Patienten nicht komplett auf Essen, sondern nehmen täglich zwischen 700 und 1200 Kilokalorien zu sich. Auch hierbei wird der Fastenstoffwechsel aktiviert. Die Wirkung von „Scheinfasten“ wurde vor Kurzem am Berliner Immanuel Krankenhaus mit 150 Patientinnen mit Brust- oder Eierstockkrebs untersucht. Die Frauen erhielten entweder eine leichte vegane Kost – ganz ohne tierisches Eiweiß und auch ohne Zucker – oder sie fasteten kurzzeitig. Erste Ergebnisse der noch unveröffentlichten Studie legen nahe, dass die Probandinnen, die vegan aßen, genauso profitierten wie die Fastenden. Laut Annette Jänsch, Fachärztin für Innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin, litten sie ebenfalls weniger unter der Chemotherapie und waren insgesamt fitter als eine Kontrollgruppe, die sich normal ernährte. Doch die Berliner Experten und auch das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg sind sich einig, dass es zu früh wäre, Fasten oder leichte Vegankost generell als Begleittherapie bei einer Chemotherapie zu empfehlen. Zum einen sind Fasten und Scheinfasten vermutlich nicht für alle Krebsarten gleichermaßen geeignet – bei Tumoren wie Darm-, Magen- und Brustkrebs scheinen sie günstiger als bei systemischen Erkrankungen wie einer Leukämie. Zudem ist die Datenlage noch recht dünn. Wer dennoch fasten möchte, dem wird geraten, dies unter ärztlicher Aufsicht und am besten im Rahmen von Studien zu tun.
Intervallfasten schützt vor erneuter Erkrankung
Ob sich Fasten zur Krebsprävention eignet, auch das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig sagen. Denn auch hier stammen die meisten Erkenntnisse aus Zell- und Tierversuchen. Dennoch gehen die meisten Forscher davon aus, dass sich regelmäßiges Fasten zur Krebsprävention eigne, so Andreas Michalsen. Erste Studien am Menschen hätten gezeigt, dass durch Fasten Substanzen reduziert werden, die Krebszellen wachsen lassen. Zudem würden beim Fasten vermehrt Schutzstoffe ausgeschüttet. Zumindest im Anschluss an eine Krebstherapie empfiehlt Michalsen deshalb das sogenannte Intervallfasten – hier wird beispielsweise 16 Stunden gefastet und in einem Zeitraum von acht Stunden gegessen. Die Datenlage dafür sei gut genug. Eine erste große Studie mit Frauen habe gezeigt, dass jene, die nach einer Brutkrebserkrankung täglich mindestens 13 Stunden fasteten, ein um 30 Prozent vermindertes Risiko hatten, erneut an Brustkrebs zu erkranken. Das klingt ermutigend.
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