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Wohin mit der Gülle?

An manchen Orten gibt es zu viel Gülle. Deshalb wird sie quer durch Deutschland gefahren – die Probleme löst das nicht.

Eigentlich sollte es ein Kreislauf sein: Die Tiere auf einem Bauernhof futtern das dort wachsende Gras und Getreide. Der Landwirt bringt Urin und Kot der Tiere wieder auf die Wiesen und Felder aus. Denn die tierische Hinterlassenschaft enthält reichlich Stickstoff und Phosphor. Beides brauchen die Pflanzen als Nährstoffe zum Wachsen. Stimmt die Balance nicht, gibt es ein Problem. Entweder die Pflanzen wachsen nicht ordentlich – oder das Güllefass platzt aus allen Nähten.

Deshalb gibt es zu viel Gülle

In Deutschland leben 28 Millionen Schweine und über 12 Millionen Rinder. Sie produzieren pro Jahr rund 200 Millionen Tonnen Gülle, also flüssige Exkremente, die wieder auf den Acker müssten. Doch gerade in Regionen mit vielen Tieren in großen Ställen, wie im westlichen Niedersachsen oder in Westfalen, reichen die Felder dafür nicht aus. Denn das Futter für die Tiere wächst nur zum Teil in der Umgebung der Ställe. Es kommt auch aus anderen Regionen oder gar aus Übersee. Rund vier Millionen Tonnen Soja aus Nord- und Südamerika landen jedes Jahr in deutschen Futtertrögen. Um den Kreislauf zu schließen, müsste die Gülle der damit ernährten Tiere wieder nach Amerika verschifft werden. Doch sie bleibt in Deutschland und muss hier verwertet werden.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass neben der Gülle noch andere stickstoffhaltige Dünger Platz auf den Feldern suchen: Etwa die als Trockenkot anfallenden Exkremente von 40 Millionen Legehennen sowie von 600 Millionen Masthähnchen, die jedes Jahr in Deutschland geschlachtet werden. Hinzu kommen noch die Gärreste von inzwischen 9000 Biogasanlagen. Als ob das nicht genug wäre, transportieren noch Landwirte aus den Niederlanden und Dänemark Gülle nach Deutschland. Denn auch die Nachbarn haben nicht genug Felder und Äcker, um die Hinterlassenschaft ihrer großen Viehbestände auszubringen. Nach Angaben der Universität Wageningen wurden allein 2016 zwei Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger aus den Niederlanden auf deutschen Äckern entsorgt. Das entspricht 66000 LKW-Ladungen.

Warum zu viel Gülle ein Problem ist

Die Folgen der Gülle-Flut sind bekannt. Viele Landwirte fahren mit der Gülle mehr Stickstoff auf ihre Äcker und Wiesen, als die dort wachsenden Pflanzen aufnehmen können. Schließlich muss das Güllelager leer werden. Der überflüssige Stickstoff entweicht als Ammoniak in die Luft und stinkt kilometerweit. Bei Regen wird er in angrenzende Gewässer abgeschwemmt, in denen später wegen der vielen Nährstoffe Algen wuchern und anderen Organismen den Sauerstoff wegnehmen. Oder der Stickstoff sickert in Form von Nitrat langsam in den Boden und gelangt über die Jahre ins Grundwasser.

Warum die EU-Kommission Deutschland verklagt hat

https://guelleverschmutzung-st...„Über 27 Prozent der Grundwasserkörper überschreiten derzeit den Grenzwert von 50 Milligramm je Liter“, warnt das Umweltbundesamt. Wenn Wasserversorger ein derart mit Nitrat belastetes Grundwasservorkommen anzapfen, müssten sie das Wasser zuerst aufwendig reinigen, bevor es aus dem Hahn sprudeln darf.

Weil die Bundesregierung jahrelang nichts gegen die steigende Nitratbelastung unternahm, wurde sie von der EU-Kommission 2016 verklagt. Die Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof steht noch aus. Im Frühjahr 2017 haben Bundestag und Bundesrat schließlich eine neue Düngeverordnung verabschiedet. Sie schränkt die erlaubten Düngermengen auf dem Acker etwas ein und schreibt vor, dass die Landwirte für ihre Höfe eine Stickstoffbilanz führen müssen. Doch selbst wenn das – anders als bisher – ordentlich kontrolliert würde, Wasserversorgern und Umweltverbänden reicht das nicht aus. Sie fordern verschärfte Maßnahmen, um das Grundwasser zu schützen. Die „Milliarden-Subventionen für die großindustrielle Agrarwirtschaft“ sollen zugunsten einer umweltverträglichen Bewirtschaftung umgeschichtet werden. In belasteten Gebieten soll ein Dünge-Stopp gelten. Und der „Gülle-Tourismus“ soll eindämmt werden.

Wie Tierhalter ihr Gülleproblem lösen

Viele Tierhalter lösen ihr Gülleproblem, indem sie den Wirtschaftsdünger an Kollegen abgeben, die keine Tiere halten, sondern nur Getreide oder Gemüse anbauen. Es gibt zahlreiche Güllebörsen, die solche Geschäfte vermitteln. Oft bekommen die Ackerbauern für jede Tonne Gülle sogar ein paar Euro – gleichzeitig sparen sie sich den Kauf von teurem Mineraldünger. Rund ein Drittel der in Niedersachsen anfallenden Gülle wechselt auf diesem Weg den Besitzer, hat das dortige Landwirtschaftsministerium in seinem Nährstoffbericht für 2015/16 ermittelt. Oft sind die Wege kurz, denn der Transport ist teuer. Trotzdem verschickten die Betriebe aus der Region Weser-Ems, der Schwerpunkt der Massentierhaltung in Niedersachsen, im Wirtschaftsjahr 2015/16 rund 2,8 Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger und Gärreste in andere Regionen Niedersachsens oder angrenzende Bundesländer.

Eine nachhaltige Lösung ist das nicht. Denn auch in manchen intensiven Ackerbauregionen wie der Magdeburger Börde ist das oberflächennahe Grundwasser schon stark mit Nitraten belastet, hat der Verein VSR-Gewässerschutz ermittelt. Die vielen Transporte belasten zudem die Umwelt. Immer wieder kommt es zu Unfällen, bei denen Gülle ausläuft.

Warum Verbraucher zum Gülleproblem beitragen

Doch das Entscheidende ist, dass es in der deutschen Landwirtschaft insgesamt zu viel Stickstoff gibt. Das zeigt die Bilanz des Umweltbundesamtes: Die Behörde hat von den Stickstoffeinträgen über Gülle, Gärreste, Mist und Mineraldünger die Stickstoffmengen abgezogen, die in den erzeugten pflanzlichen und tierischen Produkten enthalten sind. Das Ergebnis: „Immer noch gelangt nur gut die Hälfte des eingesetzten Stickstoffes in die Produkte.“ Unter dem Strich bleibt ein jährlicher Stickstoffüberschuss von 90 Kilogramm je Hektar im Boden – und sickert langsam Richtung Grundwasser.

Um das zu ändern, reichten eine Stickstoffabgabe oder höhere Umweltanforderungen an die Landwirtschaft nicht aus, schrieb der Sachverständigenrat für Umweltfragen schon Anfang 2015. Auch der Verbraucher sei gefordert: „Der derzeit hohe Konsum tierischer Produkte wie Fleisch, Eier und Milch sollte gesenkt werden.“

Bio schützt das Wasser

  • Im Öko-Landbau gilt das Prinzip der Flächenbindung. Der Tierbestand eines Bio-Betriebs darf nur so groß sein, dass seine Wiesen und Äcker ausreichen, um die von den Tieren produzierte Gülle als Dünger aufzunehmen. Konkret heißt das, ein Bio-Bauer, der 100 Milchkühe hält, muss mindestens 50 Hektar Land bewirtschaften. Für 560 Mastschweine bräuchte er 40 Hektar.
  • Anbauverbände wie Bioland, Naturland oder Demeter verlangen bei Schweinen und Hühnern noch mehr Flächen als die EU-Öko-Verordnung.
  • Weil Bio-Betriebe zudem auf Mineraldünger verzichten, fällt bei ihnen eine bedeutende Stickstoffquelle weg, die Böden und Gewässer zusätzlich belastet.
  • Zahlreiche Wasserversorger bezuschussen Landwirte, die im Einzugsbereich ihrer Brunnen Öko-Landbau betreiben. Manche Wasserwerke wurden sogar selbst zu Bio-Bauern. So betreiben die Wasserwerke Leipzig das Wassergut Canitz. Der Bio-Hof Bakenhus bei Bremen gehört dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband.

Mehr zum Thema

Bürgerinitiativen wehren sich gegen Gülletourismus.

Umweltschützer messen Nitrat in Brunnen.

Daten zur Tierhaltung in einzelnen Bundesländern.

Wasserversorger informieren über Nitrat.

Buchtipp:

Anton Hofreiter: Fleischfabrik Deutschland, Riemann Verlag, 2016, 256 Seiten, 15,10 Euro

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