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Wildreis – die schwarze Delikatesse aus Kanada

Seit Jahrtausenden dient kanadischer Wildreis der indianischen Urbevölkerung als Nahrungsquelle. Er schmeckt erheblich kräftiger als heller Reis und ist angenehm nussig. Wie Sie ihn in der Küche verwenden, lesen Sie hier.

Wildreis ist kein gewöhnlicher Reis. Zwar zählt er wie dieser zu den Getreidearten, doch ist er mit der Kulturpflanze Oryza sativa im Grunde gar nicht verwandt. Als „Wildreis“ bezeichnet man die Samen des wildwachsenden Wassergrases Zizania aquatica, das den indianischen Ureinwohnern Kanadas seit Jahrtausenden als wichtige Nahrungsquelle dient.

Kochen mit Wildreis

Wildreis schmeckt erheblich kräftiger als heller (auch ungeschälter) Reis und dabei angenehm nussig, weshalb ihn viele Gourmetköche schon in kulinarischer Hinsicht schätzen. Aber auch gesundheitsbewusste Menschen greifen nach dem Getreide, denn seine ernährungsphysiologischen Qualitäten sind bemerkenswert.

Der Eiweißgehalt von Wildreis liegt mit 12,4 bis 15 Prozent deutlich über dem von Naturreis (7,2 %) und den Werten anderer Getreide. Die essentiellen Aminosäuren Arginin, Isoleucon, Lysin, Methionin, Phenylalanin und Valin kommen im Wildreis vermehrt vor. Wildreis ist relativ fettarm (0,5 bis 1 Prozent), auffallend ist nur der hohe Gehalt an mehrfach ungesättigter Linolensäure (300 mg/100g). Auch die Mineralstoffe Eisen (4,4 mg/100 g) und Phosphor (400 mg/100g) sind hervorzuheben.

Tipp: Mischen Sie Wildreis mit anderen Körnern

In der Küche ist Wildreis ein hübscher Farbtupfer, vor allem dann, wenn man ihn mit anderen Körnern mischt. Er ist einfach zu verarbeiten und äußerst quellfähig. Man benötigt etwa die drei- bis vierfache Menge Flüssigkeit und sollte diese erst ganz zum Schluss salzen. Manche sind der Meinung, zu viel Flüssigkeit schade dem Reis-Aroma und raten zu weniger Kochwasser.

Wenn die Hälfte der Körner aufgeplatzt ist, ist Wildreis gar und servierfähig. Wer sich mit der Verwendung von Wildreis als herzhafte Beilage nicht begnügen will, kann die trockenen Reiskörner auch zu Schrot, Flocken oder Mehl verarbeiten und daraus diverse Kleingebäcke herstellen. Zumindest theoretisch, denn der hohe Einkaufspreis wird die meisten abschrecken. Selbst Brot lässt sich aus Wildreis-Mehl backen, wenn man mindestens 25 Prozent Getreidemehl mit hohem Kleberanteil hinzufügt.

Wasserreis ist in Kanada beheimatet

Früher war Wildreis nur in den kanadischen Provinzen Alberta, Manitoba, Ontario und Saskatchewan beheimatet, wo man seine Früchte auch heute noch auf traditionelle Weise erntet. Die steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt hat aber dazu geführt, dass Wildreis auch in anderen Regionen Kanadas und vor allem in den USA gezielt in großen Gewässern kultiviert wird. Mit dem echten Wasserreis der Indianer ist die moderne Zuchtform aber kaum noch zu vergleichen.

Das Wassergras ist ein bis zu drei, vereinzelt sogar fast fünf Meter hohes Gewächs, das in seiner ursprünglichen Art nur in absolut klarem, von zivilisationsbedingten Umweltbelastungen noch freiem Fluss- und Seewasser vorkommt. Mit seinen kräftigen Wurzeln kann es sich tief im nassen Boden verankern. Die Blüten stehen in Form einer Rispe, die Frucht ist fest von einer derben, etwa vier Zentimeter langen Deckspelze umschlossen. Das Korn ähnelt einer Koniferennadel, ist im Schnitt 1,5 Zentimeter lang und besitzt leicht abgerundete, spitz zulaufende Enden. Am Halm schimmert es meist graugrün, erst bei der späteren Verarbeitung verfärbt es sich braun-schwarz.

Das Getreide wächst im Wasser und wird auch dort geerntet

Echter Wildreis wird nicht angebaut, sondern wächst auf natürliche Weise immer wieder nach. Eingegriffen wird aber insofern, als man durch stellenweise Aussaat den Bestand behutsam erweitert und durch Jäten störendes Beikraut entfernt. Die traditionelle Art der Ernte ist das Sammeln mit der Zweistockmethode vom Kanu aus. Die Indianer fahren mit ihren schmalen Booten langsam durch die ufernahen Bestände, biegen mit einem Stock die Halme nieder und schlagen mit Hilfe des anderen Stockes die Körner aus den Ähren. Während der Wildreis auf den Kanuboden fällt, schnellen die Halme wieder zurück. Die nicht geringe Anzahl von Körnern, die dabei im Wasser und schließlich auf dem Seegrund landet, bildet im folgenden Jahr die Grundlage für die neue Ernte.

Etwa 2000 Tonnen Wildreis werden jährlich noch mit derart einfachen Mitteln gewonnen, vor allem für den Eigenbedarf. Weil die beschriebene Methode sehr mühsam ist und nur einen mäßigen Ertrag bringt, tritt sie aber auch bei den indianischen Bauern immer mehr in den Hintergrund. Ein Zwei-Personen-Kanu fährt pro Tag rund 75 Kilogramm Wildreis ein, motorisierte Propellerboote mit ihren am Bug befestigten verstellbaren Schaufeln und großen Auffangwannen ernten in der gleichen Zeit mindestens das Fünffache. Ohne den Einsatz moderner Technik wäre auch die Nachfrage des Naturkosthandels auf Dauer nicht zu decken.

Wegen des relativ hohen Feuchtigkeitsgehaltes (40 Prozent) ist der frisch geerntete Wildreis im Rohzustand nur kurz haltbar. Deshalb senkt man die Restfeuchte durch verschiedene Verarbeitungsschritte auf unter zehn Prozent. Nach der Ernte breitet man die Körner zum Trocknen in der Sonne aus. Zum Schluss wird die für den Verkauf bestimmte Menge über einem Feuer unter häufigem Wenden gedarrt. In der Regel geschieht dies in Rösttrommeln, die man mit Pappelholz befeuert. Anschließend erfolgt die Entspelzung, früher durch Treten mit den Füßen, heute durch Maschinen.

Größere Körner durch Hybride

Wildreis erlebte in den vergangenen Jahren auf dem Weltmarkt einen gewaltigen Boom. Exportorientierte Großfarmer aus Nordamerika haben den indianischen Kleinerzeugern längst den Rang abgelaufen. Rund 80 Prozent des gesamten Wildreis-Angebotes stammen mittlerweile aus konventionellen Zuchtbetrieben, die Kreuzungen (Hybriden) der Ursprungspflanze verwenden. Diese bringen größere Körner hervor und sind außerdem leichter zu entspelzen. Durch den Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger lässt sich der durchschnittliche Ertrag von 85 Kilogramm pro Hektar auf 1000 Kilogramm pro Hektar steigern.

Der Drang, möglichst billig zu produzieren, zieht weitere Umweltsünden nach sich. An manchen Orten schieben sich riesige Mähdrescher mit bis zu 15 Stundenkilometern durch die Erntegebiete, reißen viele Pflanzen aus dem Boden und ziehen so ganze Uferzonen in Mitleidenschaft. Wegen der ebenso rationellen wie ökologisch unsensiblen Erntemethoden konnte man die Endpreise für Wildreis in den Supermärkten drastisch senken. Teure, weil schonend behandelte Ware ist bei solcher Konkurrenz nur schwer an den Mann zu bringen.

Wild oder kultiviert?

Gesetzliche Vorgaben für eine klare Unterscheidung zwischen echtem und kultiviertem Wildreis gibt es bisher nicht. Wenn Ernährungswissenschaftler vorschlagen, den Reis aus industrieller Erzeugung schlicht „Kanadareis“ zu nennen, so handelt es sich lediglich um eine Empfehlung. Um Verwechslungen zu vermeiden, könnte man den echten kanadischen Wildreis im Gegenzug mit dem Namen bezeichnen, den die Indianer ihm schon vor Jahrtausenden gaben: „Manomin“. Das Wort setzt sich zusammen aus „Manitou“ (der große Geist) und „Meenum“, was soviel heißt wie Leckerbissen. Die kanadischen Ureinwohner verehren den Wildreis seit jeher als „Leckerbissen, den der große Geist uns gab“.

Die Naturkostbranche ist bestrebt, ihrer Kundschaft den Gaumenkitzel zu liefern, den sie sucht, ohne das ökologische Gleichgewicht vor Ort zu stören. „Eine intensive Bewirtschaftung ist im hohen Norden Kanadas gar nicht möglich“, sagt Hans-Martin Breisinger, Einkäufer bei Rapunzel. Dort oben sei fast acht Monate im Jahr Winter, ein völlig anderes Klima als in Texas oder Arizona, wo die Großerzeuger ihren Billig-Wildreis züchten. Über 20 Tonnen holt Breisinger jährlich aus Saketchawan nach Deutschland, mit steigender Tendenz.

Auch andere Anbieter wie Davert-Mühle oder Care Naturkost beziehen von dort. Bio-Wildreis aus dem Naturkostladen ist eine Art „zertifizierter Wildwuchs“, der selbstverständlich nicht mit chemischen Spritzmitteln und synthetischen Düngern in Berührung kommt. In den einsam gelegenen kanadischen Seen werden bestimmte Areale für die Ernte von Bio-Wildreis abgesteckt, die Wasserqualität wird laufend überwacht. Außerdem unterliegt – wie im Bio-Bereich vorgeschrieben – der gesamte Produktionsprozess inklusive Verarbeitung und Lagerhaltung einer regelmäßigen Kontrolle.

Die Einheimischen müssen für die Exporte nicht darben, ihre Selbstversorgung ist gesichert. Dies bestätigt auch die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der dritten Welt (gepa), die seit Mitte der achtziger Jahre ein Wildreis-Projekt in der Provinz Ontario unterhält. Wie die Ware der vorgenannten Firmen hat auch der Wildreis der gepa ein Bio-Zertifikat und wird als „kontrolliert ökologisch“ angeboten. Die sechs Tonnen im Jahr werden von den Ojibwa-Indianern geliefert, die 1985 im Wabigoon-Reservat das Unternehmen „Kagiwiosa Manomin“ gründeten. Ernte und Verarbeitung befinden sich dort in einer Hand.

Als Fair Handelshaus unterstützt die gepa die Intiative der Einheimischen durch Vorfinanzierung von 50 Prozent und 30 Prozent höhere Entgelte, als zur Deckung der Produktionskosten nötig wären. So wird die dortige Genossenschaft in die Lage versetzt, den Bauern rund 60 Prozent mehr Lohn zu zahlen als der normale Zwischenhandel. Die Schützenhilfe scheint dringend erforderlich, um sich gegen die meist weißen Konkurrenten zu behaupten, die sich vielerorts durch Konzessionen den Zugriff auf den Wasserreis gesichert haben. Wo Indianer sonst nur für den Eigenbedarf fischen oder jagen dürfen und vielerlei Diskriminierungen erdulden müssen, sei die Wildreis-Produktion mehr als nur eine wichtige Einkommensquelle, betont die gepa. „Sie trägt auch zur Erhaltung und Wiederbelebung der Ojibwa-Kultur bei und stärkt die Selbstachtung der Indianer.“

Rezepte mit Wildreis:

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