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„Man muss genau differenzieren“

„Made in China“ hat keinen guten Ruf. Das gilt auch für Biolebensmittel. Oft zu Unrecht, sagen Experten wie Udo Censkowsky, die Land und Leute kennen.

Nur vier Prozent der Kunden vertrauen Bio aus China, ergab eine Umfrage. Kein Wunder: Bleifarben auf Spielzeug, Gift in der Zahnpasta, tödliches Hundefutter, verseuchtes Milchpulver, so lauteten im letzten Jahr einige Skandalnachrichten aus dem Reich der Mitte. Als Reaktion darauf ließ die Regierung den früheren Chef der Nahrungs- und Arzneimittelaufsicht wegen Korruption hinrichten. Da können einem schon Bedenken kommen, ob tatsächlich alles „Bio“ ist, wo auf Chinesisch „Bio“ draufsteht. Nimmt man hinzu, dass sich die Biofläche in China seit dem Jahr 2000 fast um das Hundertfache vergrößert hat, dann wachsen die Zweifel an Bio aus China mindestens ebenso schnell.

Udo Censkowsky vom Beratungsunternehmen Organic Services kennt diese Zweifel und sieht auch manchen berechtigten Grund dafür. Ein pauschales Urteil lehnt er ab: „Da muss man sehr genau differenzieren.“ Die ersten europäischen Biounternehmen machten sich Anfang der 90er-Jahre auf den Weg nach China. Nicht wegen des günstigen Preises, sondern auf der Suche nach Anbaupartnern für Produkte, die es bisher nicht in Bioqualität gab, zum Beispiel Erdnüsse, Sonnenblumenkerne und Sojabohnen.

Partner seit vielen Jahren

Das unterschiedliche Verständnis von Qualität und Bioanbau, die fremde Sprache und Kultur, machten die Zusammenarbeit nicht einfach. Das kostete Zeit, Geld und Nerven. Doch daraus entstanden schließlich viele langfristige und verlässliche Partnerschaften. Viele Hersteller und Importeure, die den Biofachhandel beliefern, verfügen über solche Partner in China.

Trotz ihrer Anstrengungen leiden auch diese Pioniere unter dem schlechten Ruf chinesischer Produkte. „Das finden wir besonders tragisch, weil wir für uns in Anspruch nehmen, dass wir uns in China auskennen und wissen, was wir einkaufen“, argumentiert Heiko Grobecker, der das deutsche Büro des niederländischen Bio-Importeurs Tradin leitet. „Solche alten, langjährigen Lieferbeziehungen funktionieren, die sind nicht das Problem“, bestätigt auch Udo Censkowsky.

Zertifizierung mit Fragezeichen

Das Problem ist einerseits das schnelle Wachstum. Den Startschuss für den chinesischen Bioboom gab Parteichef Jiang Zemin, als er 2001 der Entwicklung von Ökolebensmitteln höchste Priorität verordnete. Biorohstoffe für den Export versprachen gute Gewinne. Schnell wurden in großem Stil Flächen zertifiziert, Umstellungsfristen verkürzt und Augen zugedrückt. Das galt auch für die örtlichen Niederlassungen der großen internationalen Kontrollstellen. Diese zertifizieren alle exportorientierten Firmen. Denn nur ihre Bestätigungen zählen in Japan, den USA und der Europäischen Union. „Es war lange Zeit sehr leicht, ein Biozertifikat zu bekommen“, sagt Lutz Toennis, Geschäftsführer der Cha Dô Teehandels GmbH. Zwar hätten sich die Zustände inzwischen gebessert, „doch bei einigen Zertifizierern sind wir immer noch vorsichtig“, schränkt Toennis ein.

Mit einer Ökokontrollbehörde, nationalen Ökostandards und einem nationalen Biosiegel hat die chinesische Regierung in den letzten Jahren versucht, eine Struktur für den Bioboom zu schaffen. Doch die trägt noch nicht: „Der Vollzug funktioniert nicht, bei der zuständigen Kontrollbehörde gehen Beschwerden unter“, hat Udo Censkowsky vom Beratungsunternehmen Organic Services erfahren.

Bauern brauchen mehr Beratung

Noch mehr im Argen liegt die Beratung. Es fehlen vor allem für die Umstellungszeit einheimische Berater mit Anbaupraxis, die den Bauern zeigen könnten, wie sie im ökologischen Landbau Unkraut und Schädlinge bekämpfen und die Erträge steigern. So kommt es auch aus Unwissenheit immer wieder dazu, dass unerlaubte Mittel eingesetzt oder Fruchtfolgen nicht eingehalten werden. Die andere Seite des Problems beschreibt Udo Censkowsky so: „Das sind Firmen, die mal da ausprobieren und dort kaufen, aber keine Zeit investieren wollen.“ Diese Unternehmen versorgen sich auf dem Spotmarkt. Dort werden die Mengen gehandelt, die nicht durch langfristige Verträge gebunden sind.

Dabei spielt meist nicht die Qualität, sondern der Preis die entscheidende Rolle. Wer Billigware mit Biozertifikat kaufen will, der bekommt sie in China. Unternehmen, die solche Erzeugnisse genauer untersuchen, finden bei einigen Produkten relativ häufig Rückstände von Pestiziden. Es gibt aber auch Importeure, die sich mit einer Unbedenklichkeitsanalyse ihres chinesischen Handelspartners zufrieden geben. Seriöse Unternehmen schicken von jeder Lieferung eine Probe ins Labor – unabhängig davon, ob sie aus China kommt. Proben, die in China noch vor der Verschiffung gezogen werden, lassen die Qualitätsmanager hier analysieren. Denn die Pestizidanalytik in chinesischen Laboren ist nicht entsprechend ausgebaut.

Aus für Billigbio aus China?

Trotz all dieser Probleme und Mängel sind gerade diejenigen, die bereits viel Zeit in Bio aus China investiert haben, durchaus optimistisch. Sie verweisen darauf, dass China aus all den Skandalen in anderen Bereichen inzwischen Lehren zieht. Die Angst der Chinesen ist groß, durch mangelnde Qualität Märkte zu verlieren. Das gilt auch für Lebensmittel – egal ob konventionell oder bio. Deshalb versuchen immer mehr Unternehmen, den Anforderungen ihrer Kunden möglichst gerecht zu werden und internationale Standards einzuhalten. Hinzu kommt, dass in China selbst das Interesse und der Markt für Biolebensmittel stark wachsen. Die steigende Inlandsnachfrage – konventionell und bio – lässt die Lebensmittelpreise steigen und führt jetzt schon dazu, dass Bio aus China teurer wird.

Die Regierung hat den Export von Reis verboten und alle anderen Getreideexporte mit einer Abgabe um 25 Prozent verteuert. Andere Erzeugnisse könnten folgen. Die Arbeitskosten in China steigen und auch das Qualitätsbewusstsein der Erzeuger und Verarbeiter nimmt zu. All das und die harte chinesische Währung werden dazu führen, dass es mit Billigbio aus China zu Ende gehe. Trotzdem werde der ökologische Anbau im Reich der Mitte weiter wachsen, schätzt Udo Censkowsky. Deshalb ist er weiter damit beschäftigt, interessierten Firmen China zu zeigen und Handelspartner zu vermitteln. Auf Dauer sollen daraus weitere verlässliche und langjährige Partnerschaften entstehen.

Bio mit Tradition

1909 studierte der US-Professor Franklin Hiram King die Landwirtschaft in China. Er stieß auf ausgetüftelte und sehr produktive Systeme aus Fruchtwechsel und organischer Düngung mit einer uralten Tradition. Sein Buch „Farmers of Forty Centuries“ (Bauern seit 40 Jahrhunderten) hat die späteren Begründer des Ökolandbaus im englischsprachigen Raum stark beeinflusst.

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