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Gemüse aus Großmutters Garten

In der kalten Jahreszeit trauern viele dem prallen Gemüseangebot der Sommermonate nach. Dabei hat auch diese Zeit einiges zu bieten. Viele schmackhafte und gesunde Gemüsearten sind heute allerdings in Vergessenheit geraten.

Zurück zu den Wurzeln

In der kalten Jahreszeit trauern viele dem prallen Gemüseangebot der Sommermonate nach. Dabei hat auch diese Zeit einiges zu bieten. Viele schmackhafte und gesunde Gemüsearten sind heute allerdings in Vergessenheit geraten. Es lohnt sich, sie wiederzuentdecken - und das nicht nur zur Winterzeit. Machen Sie mit S&K einen kulinarischen Spaziergang durch Großmutters Garten! Der ist spannend für alle, die sich lecker, gesund und vollwertig ernähren möchten - und wer will das nicht?

Im EU-Sortenkatalog sind rund 10.000 Gemüsesorten verzeichnet. Eine riesige Auswahl, so scheint es. Nur wenige davon gelangen jedoch auf den Wochenmarkt und von dort auf den heimischen Herd. Schuld daran sind die Mechanismen des Marktes: Händler konzentrieren sich auf bestimmte Sorten, die sie in gleichbleibend guter Qualität in großen Mengen zu günstigen Preisen aufkaufen können. Landwirte wiederum bevorzugen neue Züchtungen, die mit wenig Aufwand viel Ertrag abwerfen. So manche wohlschmeckende Landsorte gerät da ins Hintertreffen, so manche alte Gemüseart wird vergessen und landet als Probe in einer Genbank in der Warteschleife.

Mangold und Rucola: altes Gemüse neu im Trend

Initiativen wie die Arche Noah (siehe Kasten auf Seite 9) pflegen und sammeln alte Sorten und helfen Gartenfreunden, an entsprechendes Saatgut zu kommen. Gerade im Naturkostbereich hat das ein oder andere Gemüse wieder Anbauer und Abnehmer gefunden. Zum Beispiel der Mangold (siehe Seite 10). In der Biobranche ist er bereits so bedeutend wie der Spinat. Der konventionelle Handel zieht allmählich nach. Die würzig, herbbitter schmeckende Rauke (Rucola) liegt derzeit voll im Trend: Bei Liebhabern der Mittelmeerküche steht die senfölhaltige Pflanze hoch im Kurs. Gartenmelde und Guter Heinrich, ebenfalls alte Blattgemüse, wurden hingegen im Laufe dieses Jahrhunderts fast völlig vom Spinat verdrängt. Gänzlich unbekannt dürfte heute der Erdbeerspinat sein, dessen Blätter wie Spinat zubereitet werden können. Seine kleinen roten Früchte, die ihm den Namen verliehen haben, sind eßbar, haben aber sehr viele kleine Kerne.

Rüben aus Teltow: Goethes Leibgericht

Manche der alten Gemüsearten zählen zu den regionalen Spezialitäten, wie beispielsweise das Stielmus im Rheinland. Egal wie es genannt wird, ob Streifmus, Rübstiel oder Stengelmus, es verbirgt sich nichts anderes dahinter als die gezackten, leicht säuerlich schmeckenden Blätter der Speiserübe. Sie eignen sich für Salat, können aber auch gekocht oder gedünstet werden. Die Teltower Rübchen wurden einst nur in der Gegend von Berlin und der Mark Brandenburg angebaut. Goethe war ein großer Freund der kleinen Rübenart. Die besten dieser bauchigen Minirüben - sie werden nur sieben bis zehn Zentimeter groß - sind im Herbst erntereif.

Andere Rüben, die heute selten auf dem Speiseplan stehen, sind Mai- und Herbstrübe sowie die Steckrübe. Letztere - Endprodukt einer Kreuzung von Herbstrübe und Kohlrabi - ist für ältere Menschen noch immer mit der Erinnerung an die Kriegs- und Nachkriegszeit verknüpft. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist sie aber besonders wertvoll und sollte unbedingt mal wieder eine Chance bekommen, geschmacklich zu überzeugen. Bevorzugen Sie beim Einkauf die kleineren Exemplare!

Auch unter den Wurzelgemüsen ist vieles vergessen worden, was unsere Vorfahren noch zu schätzen wußten. Bestes Beispiel: die Petersilienwurzel. Die Blattpetersilie kennt jedes Kind, die wohlschmeckende Wurzel führt hingegen wahrlich ein Schattendasein. Die alten Griechen - so bezeugte es Homer - stärkten mit Petersilienwurzeln ihre Rösser für die Anstrengungen der Schlacht. Kaiser Karl begeisterte sich für ihren feinen Geschmack und ließ sie für den eigenen Verzehr anbauen. Vielleicht tun Sie es ihm in Ihrem Küchengarten nach?

Nicht viel besser als der Petersilienwurzel erging es der Weißwurzel. Das auch Haferwurz genannte Gemüse wurde ebenfalls schon in der Antike kultiviert. Ihre Schwester, die Schwarzwurzel, hat sie in unseren Tagen aber an den Rand gedrängt. Entdecken Sie sie neu, und lassen Sie es sich schmecken!

Im folgenden stellen wir Ihnen vier alte Gemüsearten ausführlich vor, die Sie im Naturkosthandel wieder häufiger antreffen und die für Abwechslung auf Ihrem Speiseplan sorgen können.

Topinambur: die knorrige Knolle mit den leuchtenden Blüten

Wenn von September bis in den Spätherbst hinein seine goldgelben Blüten leuchten, kann Topinambur seine Verwandschaft mit der Sonnenblume nicht mehr verleugnen. Gegessen werden von der anspruchslosen Pflanze die Knollen. Die "Erdbirne" - wie die ursprünglich nordamerikanische Pflanze auch genannt wird - wurde im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts bei uns fast vollständig von der Kartoffel verdrängt. "Topi" ist in Baden allerdings ein Begriff geblieben: als verdauungsfördernder Schnaps.

Topinambur hat rote, weiße, gelbe oder violettfarbene Knollen, die oft - ähnlich der Ingwerwurzel - bizarr geformt sind und faustgroß werden können. Deftige Minusgrade können ihnen nichts anhaben. So kommen sie im Winter noch erntefrisch auf den Tisch. Im Gegensatz zur Kartoffel läßt sich die Erdbirne schlecht lagern: Durch ihre dünne Schale verliert sie schnell an Wasser und wird schrumplig. Abhilfe schafft etwas Sand oder Erde, in die die Knollen eingeschlagen werden. Darin kann man sie zumindest für einige Zeit an einem kühlen Ort aufbewahren.

Topinambur unterstützt Leber, Galle und Nieren und soll bei aufziehenden Erkältungen helfen. Bei winterlichem Schmuddelwetter also genau das Richtige! Neben vielen Mineralstoffen und Vitaminen enthält Topinambur bis zu 16 Prozent Inulin, eine stärkeähnliche Substanz. Im Körper wird das Kohlenhydrat zu Fruchtzucker umgewandelt und kurbelt die Produktion des Hormons Insulin an - ideal für Diabetiker. Interessant für all diejenigen, die ein wenig Winterspeck loswerden möchten: Inulin wirkt auch appetithemmend.

Verzichten Sie bei der Zubereitung auf das Schälen; die Pelle kann problemlos mitverwendet werden und schützt die wertvollen Inhaltsstoffe. Ihr süßlich-nußartiges Aroma entfalten die Knollen roh geraspelt in Salaten; ein Schuß Zitronensaft oder kaltgepreßtes Pflanzenöl verzögert die braune Verfärbung. Gedünstet, geschmort oder geröstet erinnern sie im Geschmack an Artischocken. Beim Kochen laugen sie schnell aus und verlieren an Aroma. Einige Menschen reagieren auf den Genuß von Topinambur mit Blähungen. Geben Sie Kümmel oder Fenchel hinzu, das mindert solche Probleme.

Pastinaken: in den USA eine Delikatesse

Sie sieht ein bißchen aus wie Rettich: die Pastinake. Etwas abfällig wird das in England und den USA als Delikatesse begehrte Gemüse auch Hammelmöhre genannt. In Deutschland fristete die winterharte, cremefarbene Wurzel lange Zeit ein kümmerliches Dasein. Hier und da war sie mal als Bestandteil von Suppengrün zu erstehen. Mittlerweile ist die Pastinake (auch der Pastinak) in der Naturkostbranche und bei Feinschmeckern wieder auf dem Vormarsch. Die wohlschmeckendsten Wurzeln kommen zwischen Oktober und Dezember auf den Markt; einige behaupten, daß Pastinaken am besten nach dem ersten Frost schmecken. An einem trockenen, kühlen und dunklen Ort gelagert, bleiben sie bis ins Frühjahr frisch.

Ihre ätherischen Ölen verleihen der Pastinake einen würzigen Geschmack. Sie regen die Verdauung an und wirkt wassertreibend. Im Mittelalter schätzten Kundige die Heiltees aus den Samen der Pastinake. Sie wurden vor allem bei Nieren- und Blasenleiden, aber auch bei Magenbeschwerden und Schlafstörungen verabreicht. Die Wurzel ist mineralstoff-, eiweiß- und stärkereich und enthält viele Vitamine, vor allem die der B-Gruppe, Vitamin C und Provitamin A. Hautempfindliche Menschen sollten vorsichtig probieren, ob sie auf das alte Gemüse mit Ausschlag reagieren.

Die Pastinake kann sowohl roh geknabbert als auch gekocht, gedünstet oder püriert gegessen werden. Auch junge Blätter lassen sich, zum Beispiel in Salaten oder Suppen, verwenden. Mit reifen Samenkörnern können Sie ähnlich wie Kümmel würzen. Bevorzugen Sie kleinere, harte Wurzeln; allzu große Exemplare können leicht holzig werden.

Portulak: gesund für Herz und Arterien

Ursprünglich kommt das kleine Blattgemüse mit dem eigenwillig nussig-salzig-säuerlichen Geschmack aus Afrika und Kleinasien. Bei uns geriet Portulak, auch Bürzelkraut genannt und unter seinem niederländischem Namen Postelein bekannt, nach dem Mittelalter in Vergessenheit - trotz seiner blutreinigenden und heilenden Wirkung bei Nierenleiden. Wer Portulak genießt, versorgt sich besonders gut mit Kalium, Eisen, Magnesium und Provitamin A. Für eine Pflanze ungewöhnlich hoch ist der Anteil an Omega-3-Fettsäuren, ungesättigten Fettsäuren. Das macht Portulak für Wissenschaftler interessant, die Mittel zur Vorbeugung von Arteriosklerose und Herzinfarkt erforschen.

Portulak wächst sehr rasch und wird hauptsächlich im Juli und August geerntet. Winterportulak mit seinen schüsselförmigen Blättern, auch unter den Namen Tellerkraut, Winterpostelein und Kuba-Spinat bekannt, gibt es meist in den Wintermonaten bis etwa Ende Februar. Bei der Zubereitung müssen Sie sparsam mit Salz umgehen - Portulak bringt genügend Eigengeschmack mit. Verwenden Sie ihn roh im Salat und Quark oder zum Beispiel kurz geschmort.

Mangold: nicht nur als Alternative zu Spinat

Unter den Gemüsen spielt Mangold in Deutschland zwar noch keine bedeutende Rolle. Aber er zählt immerhin zu denjenigen alten Arten, die in den letzten Jahren - vom Frühjahr bis in den Herbst hinein - wieder häufiger an den Marktständen zu finden sind. In der Naturkostbranche ist Mangold schon seit einigen Jahren genauso gefragt wie Spinat, dem er im Geschmack ähnelt.

Mangold ist eng verwandt mit Rote Bete und Zuckerrübe, gegessen werden aber lediglich die Blätter mit ihren Stielen. Der Schnitt- oder Blattmangold ist sehr zart und bildet kaum Rippen aus. Er eignet sich daher auch roh für den Salat. Der Stiel- oder Rippenmangold, auch Römischer Kohl genannt, hat große, dunkelgrüne Blätter mit ausgeprägten Stielen, die grün oder weiß sein können. Die dekorativen roten Sorten - wie "Feurio" und "Vulkan" - haben dünne, lange Rippen.

Mangold ist sehr reich an Mineralstoffen und Vitaminen, besonders gut versorgt er den Körper mit Calcium, Beta-Carotin und Vitamin C. Er regt Leber und Niere an und wird daher besonders bei Darmträgheit, aber auch bei Lungenentzündung, Bronchitis und Hautkrankheiten empfohlen. Doch nicht anders als Spinat auch speichert Mangold sehr gut Nitrat. Greifen Sie deshalb zu Gemüse aus ökologischem Anbau, und halten Sie Mangold nie lange warm. Ein Schuß Zitronensaft verhindert, daß sich die gefährlichen Nitrosamine bilden können - aber nicht zu früh hinzugeben, da sonst die Blätter unansehnlich grau werden.

Zwei Tage lang können Sie den Mangold nach dem Kauf im Gemüsefach - am besten in ein feuchtes Tuch gewickelt - lagern. Spätestens dann sollten Sie ihn aber zubereiten. Achten Sie darauf, daß Blatt und Rippe unterschiedlich lange Garzeiten haben: Zuerst müssen die Stiele in den Topf. Oder Sie bereiten die Rippen wie Spargel zu - auch das eine leckere Variante. Sollte etwas übrigbleiben, lassen Sie den gekochten Mangold zum Aufbewahren rasch abkühlen.

Zum Nachlesen

Diese Rezepte und viele weitere leckere Ideen finden Sie bei:

  • Martina Kiel & Karola Wiedemann: Kürbis, Mangold & Co. Neue Rezepte für alte Gemüse. München: Gräfe und Unzer Verlag 1996 (96 Seiten, 19,80 DM).

    Daraus haben wir Ihnen die Pastinakencreme und das Topinamburgratin vorgestellt.

  • Gabriele Redden: Vergessene Gemüse. Traditionelle Gemüsearten für Genießer neu entdeckt. München: Mosaik Verlag 1996 (176 Seiten, 59,90 DM).

    Die Rezepte aus dem sehr informativ und ansprechend aufgemachten Band müssen für die Vollwertküche teilweise etwas abgewandelt werden. Wir haben Ihnen daraus die Portulak-Gnocchi vorgestellt.

  • Irmela Erckenbrecht: Querbeet. Vegetarisch kochen rund ums Gartenjahr. Darmstadt: pala-verlag 1996 (144 Seiten, 19,80 DM).

Hobbygärtner finden Tips für den Gemüseanbau - darunter auch viele der im Artikel vorgestellten Arten - in:

  • Gerda Dzialas: Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten. Darmstadt: pala-verlag 1994 (158 Seiten, 19,80 DM).
  • Siegfried Stein: Gemüse. München, Wien, Zürich: BLV 1995, 2. Auflage (100 Seiten, 16,90 DM).
  • Georg Vogel: Handbuch des speziellen Gemüsebaues. Stuttgart: Eugen Ulmer Verlag 1996 (1.128 Seiten, 360 DM) - ein Buch für alle diejenigen, die tiefer einsteigen wollen und hohe fachliche Qualität zu schätzen wissen.
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