Essen

Food Waste: Wie rettet die Bio-Branche Lebensmittel?

Millionen Tonnen an Lebensmitteln landen jedes Jahr in der Tonne. Wir wollen wissen, wie die Bio-Branche dagegen aktiv wird: Neun Lösungen für Lebensmittelrettung.

Wenn Privatleute genießbare Lebensmittel aus Abfalltonnen von Supermärkten holen, um sich zu ernähren, nennt man das „Containern“. Und genau das soll bald straffrei werden – zumindest, wenn es nach Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und den Grünen geht, die sich aktuell dafür einsetzen. Bisher konnte im Länder-Ausschuss noch keine Einigung erzielt werden. Doch Lebensmittelverschwendung ist ein brisantes Thema – weil die Zahlen noch immer alarmierend hoch sind: Laut Statistischem Bundesamt landen hierzulande jedes Jahr etwa elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Diese Lebensmittelabfälle entstehen unter anderem bei der Verarbeitung, im Handel, in Kantinen und in privaten Haushalten von Verbrauchern.

Das nehmen wir zum Anlass, um nachzuhören, was die Bio-Branche gegen Lebensmittelverschwendung und für die Umwelt tut. Wir haben Ladnerinnen und Ladner, Landwirtinnen und Landwirte sowie die Herstellenden befragt – vom hohen Norden bis in die südlichen Zipfel Deutschlands. Dabei wurden uns schmackhafte Lösungen serviert: Ob Eierlikör aus Kükenretter-Eiern, krumme statt gerade Möhren oder Bistroessen aus Lebensmittelresten – die Ideen und Tipps der Bios sind ebenso kreativ wie inspirierend ...

Judith Faller-Moog: „Jeden Tropfen Öl sinnvoll nutzen“

„In jedem Tropfen Bio-Öl steckt viel Gutes: von einer vielfältigen Fruchtfolge auf dem Feld über eine transparente Lieferkette bis zu gesunden Fettsäuren. Uns liegt deshalb am Herzen, dass jeder Tropfen sinnvoll genutzt wird, auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum naht. Diese Öle verwenden wir etwa für das Bio-Mittagessen unserer Kolleg:innen, spenden sie an Tafeln und sensibilisieren unsere Kund:innen mit dem ‚Too good to go`-Logo. Sollte sich ein Öl nicht mehr als Lebensmittel eignen, geben wir es als Tiernahrung ab.“ Judith Faller-Moog, Geschäftsführerin Bio Planète

Sabine Franz: „Wir zaubern leckere Mahlzeiten“

„In unseren Bistros und unserer Manufaktur zaubert das Küchenteam aus ‚unverkäuflichem’ Gemüse unserer Gärtnerei – z.B. krumme Gurken, aufgeplatzte Kohlrabi – leckere Mahlzeiten. Auch aussortierte Lebensmittel aus unseren Bio-Läden werden hier weiterverarbeitet. Aus ‚altem’ Brot machen wir z.B. Semmelbrösel. Bruderhähne verarbeiten wir zu Hühnerbrühe und Frikassee. Was wir nicht verwerten können, wird 3 x pro Woche von ‚Foodsharing’ abgeholt. Der Rest wird Kompost.“ Sabine Franz & Stefan Schopf, Geschäftsführer der b2 Bio pur GmbH

Luca Radau: „Wegwerfen ist der letzte Schritt“

„Wir sind Partner von ‚Too good to go’. Mit der App können Kunden bei uns eine Tüte mit unverkauften Lebensmitteln zu einem vergünstigten Preis abholen. Damit vermeiden wir, Produkte aufgrund eines nahenden Mindesthaltbarkeitsdatums vernichten zu müssen. Die ‚Tüten’ sind innerhalb von Minuten ausverkauft. Außerdem spenden wir Lebensmittel und unsere Mitarbeiter:innen können nicht verkaufte Ware mitnehmen. Wegwerfen ist für uns der letzte Schritt.“ Luca Radau, verantwortlich für Handel beim SuperBioMarkt

Alexander Kuhlmann: „Es duftet nach Schokokuchen“

„Lebensmittel retten kann richtig Spaß machen, besonders wenn man aus vermeintlichen Abfällen etwas kreatives Neues erzeugt. So kam uns die Idee, den Kakaoschalenbruch aus der Produktion unserer Vivani-Schokoladen zu retten und daraus das weltweit erste Wärmekissen auf Kakaoschalenbasis zu erfinden: ‚Cocoa Cure’. Erwärmt man es, duftet es herrlich nach frisch gebackenem Schokokuchen. Das Kissen wird natürlich aus Bio-Baumwolle genäht.“ Alexander Kuhlmann, Marketingleiter EcoFinia GmbH

Franziska Rutscher: „Es muss nicht immer Filet sein“

„Gemüse zweiter Wahl, das unsere Kunden nicht kaufen, wandert in den Kochtopf und wird zu haltbaren Fertiggerichten verarbeitet. Noch wichtiger ist uns als Demeter-Hof die Achtung unserer Tiere und diese endet nicht mit der Schlachtung. Wir versuchen, das gesamte Tier zu verwerten und haben Gerichte wie Herz in Rotweinsauce oder Zunge in Meerrettich entwickelt. Denn es muss nicht immer das Filet sein.“ Franziska Rutscher, Produktentwicklung Öko-Dorf Brodowin

Kristin Lebherz: „Trester ist ein toller Rohstoff“

„Letztes Jahr konnten wir schon 150 000 Kilo Trester (Pressrückstand) retten. Tausende Tonnen davon entstehen jedes Jahr als Nebenprodukt bei der Saftherstellung, und die wurden bislang gar nicht weiter verarbeitet. Viel zu schade, fanden wir, und haben angefangen, Gemüsetrester als Mehlersatz für unsere Tortillas und Pizzaböden zu verwenden. Guter Nebeneffekt: Der größte Teil des Zuckers landet beim Pressen im Saft, im Trester bleiben die Ballaststoffe. Das macht ihn zu einem tollen Rohstoff für unsere Teigprodukte, die dadurch glutenfrei, kohlenhydratarm und sehr ballaststoffreich sind.“ Kristin Lebherz, Beetgold Marketing

Anna Laura Hübner: „Solawi als Lösung“

„Wir sind der Gründerhof der Solawis: Solidarische und nachhaltige Landwirtschaft mit einer großen Gemeinschaft, die Risiko und Ertrag der Ernte gemeinschaftlich teilt. Jedes Mitglied beteiligt sich am Budget und erhält dafür z.B. Apfelsaft, Getreide und Gemüse. Große, kleine, gerade und ungerade Möhren werden verteilt. Über ‚Dritte-Wahl-Gemüse’ freuen sich unsere Hühner und kompostierbare Produkte wie Kohlblätter kommen nach der Kompostierung auf den Acker und gelangen von dort aus wieder in den Kreislauf.“ Anna Laura Hübner, Betriebsleiterin Reyerhof

Philipp Prechtner: „Unsere Mission ist es, Verschwendung zu verringern“

Geschäftsführer Philipp und Stefan Prechtner

„Wir zaubern mit geretteten Lebensmitteln vegetarische und haltbare Produkte wie Suppen, Aufstriche oder Pestos für die schnelle Küche. Uns gibt es, weil in Europa nach wie vor tonnenweise Lebensmittel auf der gesamten Wertschöpfungskette verschwendet werden. Unsere Mission ist es, diese Verschwendung zu verringern. Zum Beispiel kaufen wir bei Landwirten Süßkartoffeln, die nicht dem Standard entsprechen. Weil sie zu dunkel oder verschnörkelt gewachsen sind. Oder ein Wetterumschwung hat dazu geführt, dass es zu viele krumme Gurken gab. Solche Rohstoffe sind trotzdem schmackhaft und wir verarbeiten sie in unseren Produkten weiter.“ Philipp Prechtner, Geschäftsführer Rettergut

Leonie Behrens: „Verfeinert mit Minze und Verantwortung“

„Zu hell, zu klein, mit Sommersprossen oder einer welligen Schale: Eier können sich deutlich unterscheiden. Manche dürfen nicht als Güteklasse A angeboten werden. Weil unsere Eier qualitativ alle einwandfrei sind und wir uns bei Haehnlein viel Mühe mit den Hühnern und der regionalen Produktion geben, verwenden wir sie anders. Aus diesen besonderen Eiern wird ein besonderer Eierlikör: Unser ,Kikari‘ ist ein fruchtig frischer Drink – verfeinert mit Orange, Minze und Verantwortung.“ Leonie Behrens, Geschäftsleitung Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof

Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge