Italienische Ciabatta
So eine richtige italienische Ciabatta hat eine feste knusprige Kruste, deren stumpf-graues Aussehen für deutsche Brotesser etwas gewöhnungsbedürftig ist. Das kommt daher, dass in Italien ohne Dampf gebacken wird: und ohne Dampf kein Glanz. Innen ist die Ciabatta - das heißt zu Deutsch übrigens "Pantöffelchen" - sehr locker und feucht, meist sogar ein bisschen klebrig.
Olivenöl im Teig - das ist das Geheimnis der Ciabatta. Ähnlich wie das französische Baguette benötigt sie bei der Herstellung mehr Ruhezeit als die meisten deutschen Brote. Je länger die Teigführung, desto länger hält sich ein Brot frisch. Der richtige Ciabatta-Teig - meist aus 550er Weizenmehl - wird viele Male durchgearbeitet. Er enthält einen Vorteig und Hefe: Das hilft beim Wachsen.
Was aber macht eine deutsche Bio-Bäckerin, die aus ihrem deutschen Dampfofen eine fast typisch matt aussehende Ciabatta hervorzaubern will? Ute Olk, Bioland-Vollkornbäckerin aus dem nahe Frankreich gelegenen St. Ingbert, trickst ein bisschen und streut Mehl über den fertig geformten Teig. Und sie verfeinert ihre Ciabatta aus 630er Dinkelmehl mit 15 Prozent Dinkel-Sauerteig: "Das ist untypisch, aber die Leute mögen's so."
Bäckermeister Helmut Vollmer von der Bohlsener Mühle hält sich so genau wie möglich an das Originalrezept eines italienischen Bäckerkollegen. Er arbeitet mit Vorteig, Hefe, relativ viel Olivenöl "ganz zum Schluss" und viel Zeit: 12 Stunden vom Vorteig bis zum fertigen Brot. "1050er Dinkelmehl", findet er, "passt in die Original-Geschmacksrichtung".
Wer sich selbst an das Backen einer Ciabatta heranwagen will, findet im Naturkostladen Hilfe, die den Einstieg erleichtert: eine Ciabatta-Backmischung von Spielberger. Olivenöl, Frischhefe und Wasser muss der Hobbybäcker selbst zufügen und dem Teig am besten fünf bis sechs Stunden Geh-Zeit in einem kühlen Raum geben. 30 Minuten backen. Fertig!
Und wenn es sonntags etwas schneller gehen soll, dann sind vorgebackene Tiefkühl-Ciabattas eine Lösung. Die gibt's in Bioland-Qualität beispielsweise vom Großbäcker Siegfried Schedel.
Französisches Baguette
Außen goldbraun und glänzend-kross, innen hell, unvergleichlich locker und großporig - das ist's, was das französische Baguette so verführerisch macht.
Ute Olk kennt das Geheimnis der französischen Original-Baguettes: "Der Teig wird über fünf bis sechs Stufen geführt, immer wieder kommt Wasser und Mehl dran, wird er noch einmal durchgeschlagen. Und er darf lange stehen." Viel Zuwendung und Zeit, ein Luxus, den sich kaum ein Bäcker mehr leisten kann. Deswegen kommen heutzutage - in Frankreich wie in Deutschland - zum 405er Mehl spezielle Baguettebackmittel aus künstlich hergestellten Grundstoffen, damit der Teig schneller aufgeht. Biobäckerin Ute Olk integriert in ihren hellen 550er Baguetteteig Biomalz und Biolezithin. "Leider", sagt sie. "Wenn man mit Typenmehl backt, ist das fast nicht zu vermeiden." Auch hellem Biomehl fehlen wegen der starken Ausmahlung wichtige Stoffe aus der Schale, was konventionelle Müller durch Zuführung industriell gefertigter Zusatzstoffe ausgleichen. Malz und Lezithin verleihen dem Bio-Baguette Stabilität und Aroma. Olks Dinkel-Baguettes aus 630er Typenmehl sind ebenfalls auf diese Hilfe angewiesen, damit sie nicht - bei gleicher Mehlmenge - viel kleiner und mickriger aussehen als konventionelle Baguettes. Olks zweite Lösung: Sie bietet Weizenvollkorn-Baguettes, bei denen sie ohne Backmittel auskommt. Drei bis vier Stunden Ruhe gönnt sie ihrem Baguette-Teig.
Ähnlich wie die Bäckerin aus St. Ingbert hat sich der Tübinger Vollkornbäcker Winfried Frech aus der Zwickmühle befreit: Er hat eigene Dinkel- und Weizenvollkorn-Baguettes erfunden. Die sind typisch länglich geformt und bekommen ebenfalls eine längere Teigruhe verordnet. Frechs Dreh: ein kleines bisschen Sauerteig. Für den Geschmack.
Helmut Vollmer von der Bohlsener Mühle setzt auch bei französischem Weißbrot auf Originaltreue. Den Baguettes aus 550er Bio-Weizenmehl gönnt er den Luxus einer 18-stündigem Teigführung. Seine Baguettes aus Vollkornmehl nennt er schlicht Vollkornstangen.
Deutsches Pumpernickel
"Abscheulich", soll der französische Brotexperte A. A. Parmentier 1776 unser Pumpernickel verurteilt haben. Damals war es chic, helles Weizenbrot zu verspeisen, wie die feinen Leute eben. Inzwischen suchen manche feinen Leute in Frankreich ein echtes Pumpernickel im französischen Feinkostregal.
Wer schon einmal mehrere Monate im Weißbrot-Ausland zugebracht hat, kennt das: Irgendwann wird der Wunsch nach einem herzhaften, kräftigen Schwarzen übermächtig. Westfälisches Pumpernickel ist genau das Richtige, um angestaute Gelüste zu stillen: dunkelbraun, saftig, voll, schwer, von kräftigem Geschmack mit leicht süßem Beiklang.
Sein typisches Aroma erhält das Pumpernickel durch die lange Backzeit: 16, manchmal sogar 21 Stunden bei etwa 110 Grad. Dabei wird die Stärke zum Teil zu Zucker abgebaut und karamellisiert. Weil das "Schwarze" in Dampfkammern eher gekocht als gebacken wird, entsteht keine Rinde. Herstellung und Zutaten sind fast gleich im konventionellen wie im Öko-Bereich. Der kleine aber feine Unterschied: nur Naturkosthersteller können auf kontrolliert biologischen Anbau verweisen, verwenden Meersalz und Hefe, die nicht mit Gentechnik in Berührung gekommen ist. In der Hamburger Demeter-Bäckerei Bahde geht's sogar ohne Hefe: Willi Bahde setzt auf die sogenannte Spontangärung durch einen Vorteig, der dieselben Zutaten enthält wie der richtige Teig: Roggenvollkornschrot, Wasser, Honig und Meersalz. Den Vertrieb in die Naturkostläden übernimmt die Firma Bauck. Die Davert-Mühle nimmt für ihr Pumpernickel Roggenvollkornschrot, Wasser, Meersalz und Hefe, Schnitzer Roggenvollkornmehl, dazu Natursauerteig, Zuckerrübensirup, Meersalz - das ist alles. Selbstverständlich werden keine Konservierungsstoffe zugefügt, das ist hier selbst im konventionellen Bereich Standard. Stattdessen wird pasteurisiert. So hält sich das Pumpernickel in der ungeöffneten Verpackung gut sechs Monate lang, in der Dose sogar 24 Monate.
Schwäbisch-schweizerisches Ursli-Brot
Hoch oben in den Schweizer Alpen wächst der Schabzigerklee. Der und eine kleine Prise Kümmel verleihen dem Ursli-Brot seine markante Würze. Beim Backen im traditionellen Holzbackofen entsteht die gräulich-matte Färbung der Brotrinde. Die eigenwillige Form - ein riesiger Ring - ist typisch für die alte Schweizer Brotbacktradition. Früher wurden die Ringe auf Stangen gefädelt und auf Vorrat getrocknet.
Ein Schwabe, Gotthard Bauer, Geschäftsführer der Eselsmühle-Bäckerei bei Stuttgart hat das Ursli-Brot erfunden: ein feinkrumiges Weizensauerteigbrot ohne Hefe, mit 1050er Demeter-Weizenmehl gemacht. Die Idee für den Namen lieferte Bauers kleine Tochter: Sie nannte es Ursli-Brot, weil in ihrem Lieblingsbuch, das in der Schweiz spielt, so ein Ringbrot abgebildet war.
Schwedisches Knäckebrot
Über die Grenzen bekannt ist das schwedische "Knäckebröd" schon seit langem: dort meist rund - von teller- bis tischgroß, flach, mit einperforierten Löchern und - knackig. Ein Brot, das sich lange hält. So war bei den Schweden in den vergangenen Jahrhunderten immer etwas im bäuerlichen Haus, wenn Gäste hereinschneiten und versorgt sein wollten.
Konventionelle Großbäcker verwenden Roggen-, Weizen-, Gerste- oder Hafermehl, von Vollkornqualität bis zum 450er Typenmehl, oft auch in Mischungen. Hefe, Sauerteig oder eingeblasenes Kohlendioxid lockert das Gebäck. Dazu eventuell Emulgatoren, Aromastoffe, Farbstoffe, beispielsweise Calciumcarbonat. Das erzeugt die typisch weiße Färbung. Zur Herstellung daheim gibt es Rezepte mit und ohne Hefe. Allen gemeinsam ist, dass der Teig nur relativ kurz ruhen muss, dann zu dünnen runden Fladen ausgewellt und "gelocht" wird. Profis nehmen dazu ein spezielles Nudelholz mit spitzen Noppen, das "kruskavel". Das flache Teigstück trocknet in kurzer Zeit im Herd. Auch in größeren Mengen kann Knäckebrot ohne Hefe hergestellt werden. Bioland-Knäcke von Runge beispielsweise erhält seine winzigen Luftbläschen dadurch, dass der wässrig-weiche Teig auf sechs Grad gekühlt wird und dabei Luft eingeblasen bekommt. Gebacken wird im Allgemeinen nur wenige Minuten lang. Anschließend wird bei kaum mehr als 100 Grad getrocknet.
Knäckebrot aus Weizen-, Dinkel- und Roggenvollkornmehl gibt's im Naturkostladen von verschiedenen Anbietern, zum Beispiel von Allos, DeRit, Runge und Spielberger. Sesam, Leinsamen oder auch das alte Aztekenkorn Amaranth verleihen den knusprigen Scheiben eine nussige Note.
Finnisches Vollkornbrot
In Finnland darf Brot bei keiner Mahlzeit fehlen, und immer wird dazu die typische salzige Butter gereicht.
Von einem finnischen Vollkornbrot hat sich Hans-Paul Mattke, Inhaber der Firma Moin (ökologische Tiefkühlbackwaren in Bioland-Qualität) verlocken lassen. Wer sehen will, wie es hergestellt wird, müsste bis nach Nordfinnland reisen. Dort backt ein Öko-Bäcker das Roggenvollkorn-Sauerteigbrot, das auffällt, weil's gar nicht groß ist. Die Teigstücke, die in den Steinofen geschoben werden, sind noch kleiner als eine kurze Knäckebrotscheibe. Der winzige Laib Brot, der herauskommt, wird dann sogar noch halbiert, sodass zwei Scheiben entstehen. Die Finnen frieren es ein - nicht alle sind mehr so traditionsverbunden, dass sie ihr Brot trocknen. Oder sie verpacken die Mini-Laibe unter Luftaustausch in Folie. So hält sich das Gebäck immerhin zwei Monate lang. Hans- Paul Mattke will demnächst für den Vertrieb in Deutschland sorgen.
Englisch-amerikanisches Toastbrot
Der anspruchsvolle Vollkorn-Feinschmecker bekommt vermutlich schon beim Gedanken an das knautschig-weiche "Weißer-geht's-nicht-Weißbrot" einen dicken Knödel im Hals. Andererseits - wem bei der Vorstellung eines richtigen amerikanischen Frühstücks doch so ein bisschen das Wasser im Mund zusammenläuft, der kann dabei auf Toastbrot nicht verzichten.
Konventionelles Toastbrot enthält meist kleberreiches 550er Weizenmehl, Hefe und Backmittel mit Zusatzstoffen. Fett, Milch und Zucker verhelfen zu feinporig-mürber Beschaffenheit und schöner Röstbräune.
Toast in Vollwert-Qualität gibt es auch: beispielsweise von Schnitzer. Die Freiburger haben Kamut- und Dinkel-Toastbrot in ihrem Sortiment. Es wird aus Vollkorn- und Lupinenmehl, ohne Backmittel, ohne Milch und nur mit pflanzlichem Fett gebacken, dazu kommen noch Meersalz und Wasser. Für die kleinen Luftbläschen ist die Hefe zuständig, beim Kamutbrot zusätzlich noch Kamut-Fermentteig.
Orientalisches Fladenbrot
Kreisrund, flach und selten innen leer - orientalisches Fladenbrot (Pita, Pittah, Pide) ist nicht nur Brot, sondern auch Verpackung: für Joghurt- oder Sesamsoße, Tomaten, Salat, griechischen Schafskäse, Tofu, Falafel, Gemüse und Gyros.
Fladen sind die Urform der heutigen Brote: gemahlenes Getreide, mit Wasser zu einem Brei gerührt und dann in heißer Asche oder auf einem heißen Stein getrocknet. Diese Brotbacktechnik existiert schon seit fast 10.000 Jahren. Damals war noch nicht bekannt, wie sich die Blasen in ein Brot zaubern lassen.
Heute backen konventionelle Fladenbrotbäcker meist mit Hefe - und 450er Weizenmehl. Es gibt aber zahlreiche Varianten. Öko-Bäcker Siegfried Schedel nimmt 550er Bioland-Weizenmehl, Hefe, einen winzigen Sauerteig, und er gibt Sonnenblumenöl an den Teig. Standzeit: zwölf Stunden, das ist relativ lang. Anfangs hat er den Fladen mit Öl beträufelt. Das kam aber bei der Kundschaft nicht gut an, weil die Brotoberfläche beim Backen ungleichmäßige Flecken bekam. Backen darf übrigens der Kunde: Schedel begnügt sich mit Vorbacken und Einfrieren.
Im Libanon und Israel gibt's die Pitas: dünn und innen hohl. Ein Kunstgriff, auf den man nur dort gekommen ist: Die Brottasche entsteht durch besonders hohe Backtemperaturen und damit verbundenen Dampfdruck im Inneren des Teigfladens. Mit den Weizenvollkorn-Pitas von der Davert-Mühle und den Pitas aus 1050er Bio-Weizenmehl von Golden Temple Kitchen kann man wahrscheinlich Schnelligkeits-Rekorde aufstellen: Packung aufschneiden, Pitas anfeuchten, ein bis zwei Minuten aufbacken, füllen
Gudrun Ambros
Literatur zum Thema
- Brot und pikantes Gebäck - Die 100 besten Rezepte aus aller Welt ausgewählt von Christian Teubner: Gräfe und Unzer Verlag, München 1999, 214 Seiten, DM 49,90. ISBN 3-7742-3084-6
- Ingrid Malhotra: Brot selbst backen - Über 100 Rezepte nach traditionellen Backmethoden, Wilhelm Heyne Verlag, München 1998, 176 Seiten, Taschenbuch, DM 14,90. ISBN 3-453-14515-1
- Brotkultur - herausgegeben von Hermann Eisler, DuMont Verlag, Köln 1995, 292 Seiten, DM 98,-. ISBN3-7701-3400-1
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