Milch macht’s – gegen Pilze
„ÖKO-LANDWIRTE betreiben Vorsorge“, erklärt Kartoffelbauer und Bioland-Berater Andreas Gruel auf dem Weg zu seinen Feldern beim schwäbischen Owen am Rande der Schwäbischen Alb. „Ich brauche guten Boden.“ Will heißen: Erde mit Abwehrkraft. Klar, dass Gruel mit dem schweren Traktor nie in den regennassen Acker fährt. „Das würde den Boden zu stark verdichten.“
Eines der wichtigsten Instrumente zur Bodenverbesserung ist der Fruchtwechsel. Er hilft, dass der Humus nicht einseitig ausgelaugt wird. Am Beispiel der Kartoffel: zuerst Wintergetreide, dann Kleegras, dann Kartoffeln. Kleegras schafft Stickstoff in die Erde, ein natürlicher Dünger. Mit der richtigen Menge Stickstoff wachsen die Pflanzen nicht zu schnell und nicht zu langsam. Eine optimal ernährte Pflanze ist weniger anfällig. Kieselsäure, die Gruel in Form von Steinmehl in die Erde eingebracht hat, gibt den Pflanzenzellen zusätzlich Stabilität.
Auch der Wind hilft gegen Krautfäule
Der Bio-Bauer bleibt stehen und prüft die Windrichtung. „Wenn es irgendwie geht, lege ich die Saatreihen nach der vorherrschenden Windrichtung an.“ Das Kartoffelkraut trockne schneller ab und das wiederum mag der berüchtigte Pilz Phytophtora infestans nicht, der Kraut- und Knollenfäule verursacht. Wie schlägt man dem Pilz ein Schnippchen? Ganz einfach: Gruel ließ die Saatkartoffeln vorkeimen. „Dann kann ich früher pflanzen und habe 14 Tage Wachstumsvorsprung, falls der Pilz zuschlägt.“
Und was passiert mit den Kartoffelkäfern? Gruel pflückt eines dieser schädlichen Exemplare von der Pflanze und gerät ins Erzählen: Bacillus thuringiensis heißt das natürliche Gegenmittel der Ökobauern. Der Bacillus kommt aber hier noch nicht zum Einsatz, denn die Käferplage hält sich in Grenzen, gewisse Verluste gehören zum natürlichen Kreislauf. Präventiver Einsatz, auch bei natürlichen Mitteln, ist dem Denken und Handeln der Ökobauern fremd. Stattdessen entwickeln sie ein Gespür für das Gleichgewicht der Natur, für den richtigen Zeitpunkt zum Einschreiten.
Viermal so viel Arbeit
Zwischen den Kartoffelpflanzen macht sich rötlicher Sauerampfer breit. „Da sollten wir mal wieder rein“, brummt Gruel. Wer keine Herbizide verwenden will, muss im Acker öfter Unkraut hacken. Der Arbeitseinsatz auf dem Öko-Hof ist im Schnitt viermal so hoch wie der des konventionell wirtschaftenden Landwirts, stellt eine Studie des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums fest.
Mit Andreas Gruel geht’s jetzt in die Frühkartoffeln. Schon von weitem ist gelblicher Einschlag in der satten Grünfärbung zu erkennen. Ein Blick auf die Blattunterseite bestätigt den Verdacht. Hier sitzt der Phytophtora-Pilz, als weißlicher Reif erkennbar. Bis zu den Stängeln ist er noch nicht vorgedrungen. Retten, was zu retten ist: Gruel kennt ein Spezialrezept, der Tipp eines Demeter-Bauern: „Neun Teile Wasser, ein Teil Milch.“ Die Tinktur spritzt er auf die Blattunterseiten des Kartoffelkrauts. Und hofft, dass die leichte Säure den Pilz am Vordringen hindert. Der Erfolg dieser Methode ist nicht wissenschaftlich erwiesen. Aber bislang hatte Gruel meistens Glück. Nur einmal musste er fast die gesamte Kartoffelernte dem Pilz überlassen.
Der Verzicht auf eine Hochleistungsproduktion, auf Auslaugen des Bodens durch synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel hat natürlich seinen ökonomischen Preis: Wenn ein Bio-Bauer 180 Doppelzentner Kartoffeln erntet, hat sein konventionell wirtschaftender Kollege auf gleich großem Feld einen Ertrag von 300 Doppelzentnern. Trotzdem ist Andreas Gruel überzeugt, dass sich die Kreislauf-Wirtschaft lohnt. Nicht nur er meint: Bio-Kartoffeln schmecken aromatischer.
Was heißt hier Bio?
Konventionell arbeitende Bauern und Gärtner bekämpfen gezielt Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter, wenn diese auftreten: mit Produkten der chemischen Industrie. Pflanzenschutz im ökologischen Landbau bedeutet Verzicht auf solche Pflanzenschutzmittel und zurückhaltender Einsatz von naturstofflichen Pflanzenschutzmitteln. Stattdessen unterstützen Öko-Bauern natürliche Regelmechanismen. Landwirte, die möglichst wenig chemische Pflanzenschutzmittel einsetzen und möglichst naturnah arbeiten, betreiben integrierten Pflanzenschutz.
Wer soll das bezahlen?
Pestizide verursachen Schäden: Sie verunreinigen Lebensmittel und Trinkwasser und können krank machen. Wissenschaftler der Universität Hannover, Hermann Waibel und Gerd Fleischer, schätzen die Umweltreparaturkosten der Bundesrepublik auf 125 Millionen Euro pro Jahr.
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