Umwelt

Wie Bio-Schweine leben

In Ostdeutschland entstehen Ställe für Zehntausende von Mastschweinen. Bio-Haltung ist die gute Alternative zur Schweinemast-Industrie. Doch ein Schweineparadies ist sie auch nicht.

Stroh, Auslauf, mehr Platz

Funktionsbereiche wie Fressen, Liegen und Abkoten können so getrennt werden. Auch streuen die Bio-Bauern den Tieren Stroh zum Erkunden und Wühlen in die Buchten. Die Sauen können mit dem Stroh Nester für sich und ihre Ferkel bauen. In der konventionellen Schweinemast leben die Tiere auf nackten Betonböden mit Löchern oder Spalten, durch die Kot und Harn der Tiere nach unten wegfallen. Trotzdem stinkt es. In Bio-Ställen sind solche Spaltenböden im Liegebereich verboten; insgesamt dürfen sie höchstens 50 Prozent ausmachen. Zum Koten gehen die Tiere nach draußen. Ein Schwein macht nicht freiwillig ins eigene „Bett“. Der Luft im Stall tut das gut.

Konventionellen Ferkeln werden die Ringelschwänze abgeschnitten, damit sie sich die Tiere nicht aus Langeweile gegenseitig abbeißen. In den Bio-Richt­linien ist das Kupieren ebenso verboten wie das Abfeilen der Eckzähne. Auch dürfen Sauen nicht wochenlang in engen Gitterständen fixiert werden. Ihnen und ihren neugeborenen Ferkeln gesteht die EU-Öko-Verordnung dreimal mehr Platz zu als konventionellen Tieren. Wie alle Bio-Tiere, müssen auch Schweine Auslauf haben. Eine Weide mit Schlamm-suhle sehen aber nur wenige: Meist beschränkt sich der Auslauf auf ein kleines Betonkarree mit etwas Einstreu am Stall.

Weidehaltung ist eine Herausforderung

Die EU-Öko-Verordnung verlangt pro Tier je nach Größe 0,4 bis 1,0 Quadratmeter Auslauf. Einige Betriebe bieten noch nicht einmal das, weil ihnen eine Ausnahmegenehmigung bis 2013 Zeit gibt, ihren Stall entsprechend umzubauen. Die meisten konventionellen Mastschweine würden sich auch über diesen kleinen Auslauf freuen: Sie kommen nie an die frische Luft.

Nur wenige Bio-Betriebe in Deutschland setzen auf Weidehaltung, dabei gilt sie als die tiergerechteste Haltung. Schweine sind ursprünglich Waldbewohner, und die Bedürfnisse des Hausschweins unterscheiden sich unwesentlich von denen ihrer wilden Artgenossen. Ihren großen Bewegungsdrang können Schweine auch im Stall mit Auslauf nicht ausleben. Doch Weidehaltung ist anspruchsvoll: Man muss öfter die Weide wechseln, damit die Grasnarbe nicht zerstört und der Boden nicht überdüngt wird. Auch lassen sich die Tiere und ihr Gesundheitszustand nicht so gut ­beobachten wie im Stall. Größtes Problem aber ist die Übertragung von Schweinepest oder Brucellose durch Wildschweine. So wurden in Mecklenburg 2008 rund 1400 Bio-Zuchtsauen wegen eines Brucellose-Ausbruchs getötet. „In Gebieten mit intensiver konventioneller Schweinemast gibt es keine Akzeptanz für die Weide-haltung. Ein eingeschleppter Schweinepestfall und alle Betriebe in der Region würden gesperrt“, sagt Heinrich Rülfing. Der Bioland-Bauer aus Rhede am Niederrhein ist Vorsitzender des Aktionsbündnisses der Bio-Schweinehalter Deutschlands. Rülfings Fazit: „Weidehaltung geht nur für wenige Betriebe auf gut eingezäunten Flächen.“

Einer dieser Betriebe sind die Herrmannsdorfer Landwerkstätten bei München, die einen Teil ihrer Schweine auf der Weide halten. Es dauert länger und kostet mehr Futter, bis sie schlachtreif sind. Dafür können sie teurer vermarktet werden. Eine Spezialität sind auch die Bunten Bentheimer Schweine, von denen Heinrich Rülfing einige mästet. Beinahe ausgestorben, wurden sie von engagierten Landwirten gerettet. „Die haben bis zu 15 Kilogramm mehr Speck als herkömmliche Tiere“, erklärt Rülfing. „Dafür braucht man drei Mal so viel Futter.“

Zufüttern erlaubt

Das Fleisch ist diesen Preis wert. Rülfing vermarktet es direkt und auch über Bio-Märkte in der Region. Doch nur davon könnte der Hof nicht leben. Die meisten seiner 1000 Mastschweine sind herkömmliche Rassen. Wenn sie die Tiere nach 130 bis 180 Tagen Mastzeit dem Schlachter bringen, bekommen Rülfing und seine Kollegen 3,10 bis 3,20 Euro pro Kilo Schlachtgewicht. Die Kosten des ­Bioland-Mästers deckt das nicht: Die Preise fürs Futter sind seit 2009 deutlich gestiegen. Rülfing gibt seinen Tieren hofeigenes Getreide, Altbrot einer Bio-Bäckerei, Biertreber der Bio-Brauerei Pinkus und Sojabohnenreste eines Bio-Sojamilchherstellers. 100 Prozent Bio-Futter – das schaffen nicht alle Kollegen. Heinrich Rülfing: „Die Ferkel brauchen direkt nach dem Säugen oder wenn sie zum Mästen in einen neuen Stall kommen, viel hochaufgeschlossenes Eiweiß. Davon gibt es in Bio-Qualität nicht genug.“ Deshalb dürfen Verbandsbauern bis zu fünf Prozent konventionelles Kartoffeleiweiß oder Maiskleber zufüttern.

Bessere Haltungsbedingungen – mehr Kosten

EU-Bio-Bauern können ihre fünf Prozent aus einer breiten Palette an Futtermitteln auswählen und sogar konventionelle Soja­bohnen zufüttern. Das spart Kosten. Rülfing schätzt, dass die Mehrzahl der großen Betriebe, die vor allem für den Lebensmitteleinzelhandel produzieren, EU-Bio-Betriebe sind. Eigentlich sollte ab Anfang 2012 EU-weit 100 Prozent Bio-Futter Vorschrift sein. Doch die Kommission hat die Frist noch einmal verlängert. Ihren erhöhten Aufwand bekommen die Verbandsbauern höchstens dort erstattet, wo ein Verarbeiter ausschließlich Verbandstiere verwendet und dies auch auslobt. Im Bio-Laden ist das längst nicht immer der Fall. „Wir wünschen uns, dass der Fachhandel und seine Kunden noch etwas mehr Wert auf Verbandsschweine legen“, sagt Heinrich Rülfing.

Auf ihn und seine Kollegen kommen noch zusätzliche Kosten zu, weil sie ihre Ferkel inzwischen betäuben, bevor sie sie kastrieren. Die Kastration soll verhindern, dass die männlichen Tiere in der Pubertät einen Ebergeruch entwickeln, der die Fleischqualität beeinträchtigen könnte. Bis vor drei Jahren geschah das auch auf Bio-Betrieben noch ohne Betäubung oder Schmerzmittel. Inzwischen schreibt die EU-Öko-Verordnung zumindest eines von beiden vor. Die meisten konventionellen Mäster geben Schmerzmittel. Bei Bioland als einzigem Verband und auch beim Aktionsbündnis der Schweinehalter sind sowohl Narkose als auch Schmerzmittel Pflicht.

Ebermast auch EU-Ziel

„Der Verbraucher erwartet zu Recht, dass wir als ökologisch arbeitende Landwirte dem Tier unnötige Schmerzen ersparen“, begründet Heinrich Rülfing die Entscheidung. Langfristig setzt er auf die Ebermast, bei der geruchsauf­fälliges Fleisch aussortiert und extra ­verwertet wird. Auch die EU will das bis 2018 erreichen. Der Deutsche Tierschutzbund verlangt dagegen die Betäubung als Voraussetzung für die erste Stufe seines neuen Tierschutzlabels, das Mastschweine auszeichnet, die ein wenig artgerechter als konventionell üblich gehalten werden. Für Rülfing „Augen­wischerei“. Denn erst in der Premiumstufe des Labels wird vorgeschrieben, was für Bio-Schweine längst üblich ist: Auslauf und Stroh.

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